Justiz:Weltgericht jagt Öko-Verbrecher

Das Haager Tribunal will künftig auch Umweltzerstörung und Landraub ahnden. Ein konkreter Fall liegt schon vor.

Von Stefan Ulrich

Umweltaktivisten prangern häufig an, die Zerstörung der Regenwälder, die Vergiftung von Flüssen und Trinkwasser oder die Enteignung und Vertreibung Abertausender Menschen würden von der Justiz nicht konsequent bestraft. Sie organisieren daher manchmal - rechtlich irrelevante - "internationale Tribunale", um Unternehmen wie Monsanto symbolisch den Prozess zu machen. Die Konzerne ignorieren solche Aktionen meist. Künftig müssen skrupellose Manager und Regierungspolitiker allerdings damit rechnen, als Ökoverbrecher vor dem echten Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu landen. Das Tribunal kündigte jetzt an, fortan "die Zerstörung der Umwelt, die illegale Ausbeutung von Rohstoffen oder rechtswidrige Landnahme" zu ahnden. Umweltschützer begrüßen dies als Warnschuss für Ökosünder.

Das Weltgericht, das von 124 Staaten getragen wird, ist kraft seines Statuts für Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Aggression (Angriffskrieg) zuständig. Es darf eigenmächtig keine weiteren Kompetenzen an sich ziehen. Es kann jedoch schwerste Fälle von Umweltzerstörung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und, in Extremfällen, sogar als Genozid bewerten. Laut Artikel 6 des Statuts kann die "vorsätzliche Auferlegung von Lebensumständen" für eine Bevölkerungsgruppe, "die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen", ein Völkermord sein. Zu denken wäre etwa an die Vernichtung der Lebensgrundlage eines indigenen Volkes im Amazonas-Gebiet durch Goldsucher, die Flüsse mit Quecksilber vergiften.

Das Haager Tribunal beschäftigt sich bereits mit einem konkreten Umweltfall: Menschenrechtler werfen der kambodschanischen Regierung vor, sie habe in den vergangenen 15 bis 20 Jahren bis zu 850 000 Menschen illegal enteignet, damit das Land an ausländische Unternehmen verkauft werden konnte. Die Regierung weist die Vorwürfe als politisch motiviert und sachlich falsch zurück. Die Haager Anklagebehörde prüft derzeit, ob die Beweise ausreichen, um mit einem förmlichen Ermittlungsverfahren zu beginnen.

Künftig dürfte sich das Gericht mit mehr solcher Fälle beschäftigen. Zudem will es verstärkt Verbrechen an Kindern, sexuelle Gewalt und Angriffe auf Kulturgüter verfolgen. So wolle das Tribunal "ein internationaler Strafgerichtshof für das 21. Jahrhundert und darüber hinaus" werden", sagte eine Mitarbeiterin der Anklagebehörde. Im August stand erstmals ein Angeklagter wegen Zerstörung von Kulturgütern in Den Haag vor Gericht. Ahmad al-Faqi al-Mahdi wird vorgeworfen, Mausoleen und eine Moschee in Mali zerstört zu haben. Das Urteil steht noch aus.

Die Nichtregierungs-Organisation Global Witness begrüßte den neuen Fokus des Gerichts auf Umweltzerstörung: "Unternehmenschefs und Politiker, die bei gewalttätiger Landenteignung mitmachen, Tropenwälder zerstören oder Wasserquellen vergiften, könnten sich bald neben Kriegsverbrechern und Diktatoren vor Gericht in Den Haag wiederfinden." Das Tribunal musste sich bislang oft gegen Kritik verteidigen, es sei ineffizient und traue sich nicht an Verdächtige aus mächtigen Staaten heran.

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