Justiz:Live von der Richterbank

Gut so: Geht es nach den Justizministern der Länder, sollen Urteile bald im Fernsehen übertragen werden.

Von Annette Ramelsberger

Kein Mensch braucht Court TV wie in den USA. Niemand muss die Tränen des Opfers in Nahaufnahme sehen, niemand den Täter seufzen hören, wenn der Richter die Strafe verkündet. Was die Justizminister nun voranbringen wollen, ist eine behutsame Öffnung der Gerichtssäle, kein Seelenstriptease in Nahaufnahme, verbrämt als juristische Wahrheitssuche.

Bald sollen die Urteile der obersten Gerichte öffentlich übertragen werden dürfen - so wie das jetzt schon bei den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts möglich ist. Dessen Urteile sind schon seit Jahren im Fernsehen zu verfolgen und keiner hat das Gefühl, hier werde Recht nur für das Medienpublikum gesprochen. Wer an einem Urteil interessiert ist, sollte es in voller Länge und mit allen Argumenten hören können. Das hat nichts Reißerisches - im Gegenteil. Bis heute wird über Urteile oft so verkürzt berichtet, dass zwar die Erregung garantiert ist, das Verstehen aber zu kurz kommt.

Warum aber soll die Öffnung nur für die obersten Gerichte gelten? Gerade bei Großverfahren wie gegen den NSU hätte ein öffentlich gesprochenes Urteil aufklärerischen Wert: Jeder könnte hören, wie das Gericht die Indizien bewertet, welche Gedanken es bewegt haben. Solche Transparenz lässt auch Verschwörungstheorien schnell zusammenschnurren. Das wäre auch bei umstrittenen Urteilen wie gegen Uli Hoeneß sinnvoll gewesen.

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