Justiz:Der Preis der Scheidung

Der Deutsche Anwaltverein verlangt, dass Unterhaltszahlungen nach dem Scheitern der Ehe befristet werden. Doch es soll Ausnahmen geben.

Von Wolfgang Janisch

Es heißt immer, Gesetzestexte seien notorisch unverständlich. Aber dann liest man, mitten im Bürgerlichen Gesetzbuch, einen Satz, der bestechend klar, aber irgendwie überraschend ist: "Nach der Scheidung obliegt es jedem Ehegatten, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen." Das behauptet Paragraf 1569, und man denkt: Holla! Man kriegt nichts, man muss nichts zahlen - kann das sein?

Nein, das kann natürlich nicht sein. Denn der Paragraf - Gesetzestexte sind halt doch unverständlich - hat einen zweiten Satz, und es folgen viele weitere Paragrafen, die umständlich umschreiben, dass man nach einer Scheidung meist doch etwas vom Ex-Partner fordern darf oder an ihn oder sie zahlen muss, je nachdem. Und da liegt das Problem.

Der Deutsche Anwaltverein meint nämlich, das Regelwerk für Unterhaltsansprüche nach einer Scheidung sei ein Hybrid aus Gestern und Morgen und daher dringend reformbedürftig. Einerseits ist schon ein ordentlicher Schuss Moderne drin: "Eigenverantwortung", das klingt als Paradigma einer gleichberechtigten Beziehung überzeugend. Andererseits klebt an den Paragrafen das altbundesrepublikanische Leitbild der Hausfrauenehe, die nach der Scheidung in Form monatlicher Überweisungen fortlebt. Derzeit gibt es Scheidungsunterhalt wegen Alters, wegen Krankheit, wegen Arbeitslosigkeit, wegen Kinderbetreuung. Manchmal auch, weil es sich für einen Richter gerechter anfühlt, wenn das Versprechen vor dem Standesamt nicht gänzlich folgenlos bleibt; "Unterhalt aus Billigkeitsgründen" heißt das dann. Der Anwaltverein regt daher an, endlich umzusetzen, was der Gesetzgeber 1986 erfolglos und 2008 immer noch halbherzig versucht habe: eine zeitliche Grenze für Unterhaltsansprüche zu setzen. Zwar ist eine solche Befristung seit der jüngsten Reform möglich; wie lange gezahlt werden muss, ist aber immer noch nicht klar. Die Gerichte behelfen sich mit Formeln; mal ist es ein Viertel, mal ein Drittel der Ehedauer. Wildwuchs, sagen die Anwälte. Nach zwei Jahren müsse im Regelfall Schluss sein.

Zwei Ausnahmen vom Prinzip wollen aber auch die Advokaten erlauben. Erstens: Kinder. Wer den gemeinsamen Nachwuchs betreut, soll wie bisher mindestens bis zum dritten Geburtstag der Kinder Unterhalt bekommen. Allerdings sollten unverheiratete und verheiratete Paare gleich behandelt werden; für Alleinerziehende ohne Trauschein würde dies - falls der Ex-Partner gut verdient - ein deutliches Unterhaltsplus bedeuten.

Zweitens: Der Ausgleich "ehebedingter Nachteile", auch so ein Juristenwort. Dabei geht es etwa um die angehende Verwaltungsfachkraft, die den Beruf "für die Familie" aufgegeben hat und zwölf Jahre später keinen Anschluss mehr findet. Das soll im Prinzip so bleiben, jedoch würden nach dem Vorschlag manche Ansprüche deutlich schrumpfen - und zwar dort, wo der Partner gut verdient. Denn gerechnet werden solle nicht mehr nach den "ehelichen Lebensverhältnissen", also dem gemeinsamen Einkommen. Der Anspruch solle nur ausgleichen, was die verhinderte Verwaltungsfachkraft hätte verdienen können. Die reich geschiedene Arztgattin, die jahrzehntelang Cabrio fahrend die Fantasie beschäftigte - sie wäre das erste Opfer der Reform.

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