Justiz-Affäre:Stoibers Nöte mit der Familie Strauß

In der CSU fürchtet man, dass sich Monika Hohlmeier vor ihren Bruder Max stellt - und selbst zum Problem wird

Peter Fahrenholz

(SZ vom 26.10.2001) - München - Auf den ersten Blick sieht alles so aus wie in einer ganz normalen Anwaltskanzlei. In den Bücherregalen stapelt sich die juristische Fachliteratur bis zur Decke. Nur ein kleines Detail verrät, dass hier einer arbeitet, der vorher ein ganz anderes Leben geführt hat. Auf einer Holzkonsole unter dem Fenster steht ganz in der Ecke ein gerahmtes Foto - die nüchternen Kanzleiräume von Alfred Sauter ziert ein Porträt von Franz Josef Strauß.

Möglicherweise ist Sauter in diesen Tagen ganz froh, dass er in seiner Kanzlei sitzt und nicht mehr ein paar Kilometer weiter im Münchner Justizpalast. Dann hätte er jetzt als Justizminister erleben müssen, wie der ehemalige Staatsanwalt Winfried Maier im Schreiber-Untersuchungssauschuss mit seinen freimütigen Aussagen eine Justizaffäre losgetreten hat. Seit November1999, also etwa seit dem Bekanntwerden des CDU-Finanzskandals, hat sich Maier massiv in seinem Ermittlungen in dem komplizierten Schreiber-Verfahren behindert gefühlt. Da war Alfred Sauter schon nicht mehr im Amt.

Auch Sauter hat aber natürlich vorher in seinem Jahr als Minister von der Causa Schreiber einiges mitbekommen - der Fall war schließlich eine sogenannte Berichtssache. Irgendeinen Anhaltspunkt für irgendeine Unregelmäßigkeit, beteuert der einstige Justizminister, habe er aber nie bemerkt. "Ich bin mir absolut sicher, dass wir zu meiner Zeit niemals eingegriffen haben", sagt Sauter. Natürlich habe er Berichte vorgelegt bekommen, aber da sei nur der Sachstand des Verfahrens dokumentiert gewesen. "Ich habe nie einen Vermerk bekommen, wo drin stand, das machen wir jetzt so, oder das machen wir jetzt ganz anders", sagt Sauter.

Weiß: "ich frag da nicht nach"

Sauters Nachfolger Manfred Weiß, ein jovialer Franke, den seine Berufung auf der Zielgeraden seines Abgeordnetenlebens erreicht hat, lässt sich ganz ähnlich ein. "Ich habe mich peinlichst bemüht, mich da rauszuhalten", beteuert auch Weiß, der im Landtag detailliert über den Fall berichten musste, "ich frag da nicht nach". Abgesehen davon, dass derartige Erklärungen schon Fragen nach dem Sinn politischer Kontrolle aufwerfen, kann sich tatsächlich kaum einer vorstellen, ausgerechnet der brave Weiß könne der Spiritus Rector einer groß angelegten Verschwörung gewesen sein.

Auch seinen Untergebenen, vor allem dem durch Maiers Aussagen schwer belasteten Generalstaatsanwalt Hermann Froschauer stellt Weiß einen Persilschein aus. Da sei "einwandfreie Arbeit" geleistet worden. Es spricht mehr dafür, dass Froschauer aus eigener Selbstherrlichkeit in vorauseilendem Gehorsam das Verfahren behindert hat, als dass er auf direkten Druck agiert hat.

Der Generalstaatsanwalt sitzt seit 18Jahren auf seinem Posten, ist seither nie mehr befördert worden und soll darüber schon seit langem unglücklich sein. Er wäre gerne Präsident eines Oberlandesgerichtes geworden, heißt es. Warum sollte der Mann so kurz vor seiner Pensionierung jemandem einen Gefallen tun, ohne dafür etwas zu bekommen?

Wesentlich besser für die Rolle als Schurke im Stück eignet sich auf den ersten Blick der Amtschef im Justizministerium, Wolfgang Held. Der Mann war in seinen jungen Beamtenjahren Büroleiter von Franz Josef Strauß und eine Zeitlang stellvertretender CSU-Generalssekretär. Wäre Strauß nicht 1988 plötzlich gestorben, wäre Held möglicherweise ganz in die Politik gewechselt. So aber ist er Beamter geblieben und Ministerialdirektor im Justizministerium geworden. Hat so einer womöglich aus alter Loyalität seine Fürsorge walten lassen, als der Name Max Strauß in den Akten auftauchte?

Wo ist die undichte Stelle?

Kenner des fein gesponnenen Netzes der Beziehungen zwischen oberster Beamtenschaft untereinander und zur Politik halten aber eine Intervention Helds für wenig wahrscheinlich. Held sei einer, der sich niemals selbst in Gefahr bringen würde. Sein Verhältnis zu Stoiber gilt als respektvoll, aber nicht freundschaftlich - sein Verhältnis zu Walter Schön, dem mächtigen Amtschef der Staatskanzlei, gar als unterkühlt und gespannt.

Wo also ist die undichte Stelle? Das Verfahren ist reich an skurrilen Einzelheiten, von der verschwundenen Festplatte von Max Strauß bis zu der Frage, wer eigentlich den ehemaligen Verteidigungs-Staatssekretär Holger Pfahls, auch er ein Strauß-Gewächs, rechtzeitig vor dem Haftbefehl gewarnt hat. Auf solchem Boden gedeihen absonderlich anmutende Konspirationstheorien. Irgendwo im Sicherheitsapparat säßen noch Leute, die sich dem Strauß-Clan verpflichtet fühlten, heißt es. Von "Leuten, die den Max schützen" wird geraunt.

Dass politisch jetzt die Frage gestellt wird, welche Rolle die Staatskanzlei bei alldem spielt, hat sich Stoiber selber zuzuschreiben. Mit wachsendem Ärger vor allem in der Landtagsfraktion und auch in den Ministerien wird verfolgt, wie sich Stoibers Staatskanzlisten in alles einmischen. "Das nimmt überhand", heißt es in der Fraktion. Mittlerweile haben sich offenbar regelrechte Parallelstrukturen herausgebildet, die sich weit vom Verfassungsgebot entfernt haben, wonach die Minister ihre Ressorts eigenverantwortlich führen.

Häufig, so kann man aus der CSU-Fraktion hören, würden Staatskanzlei-Beamte aus den einzelnen Fachabteilungen "in anmaßendem Ton" in die jeweiligen Ministerien hineinregieren. Dass es Einflusskanäle gibt, von den die jeweilige Spitze des Hauses gar nichts mitkriegen muss, erscheint zumindest theoretisch denkbar. Und Stoibers detailbesessener Arbeitsstil lässt die nahe liegende Frage aufkommen, warum ausgerechnet er von den brisanten Einzelheiten des Schreiber- Verfahrens nichts gewusst haben soll, wenn er doch sonst alles weiß.

Problem am Kabinettstisch

Trotzdem ist die CSU im Moment noch gelassen. Dass die Affäre Stoiber wirklich gefährlich werden könnte, glaubt in den Führungsetagen bisher keiner. Es gibt allerdings einen ziemlich wichtigen Unsicherheitsfaktor. "Das einzige Problem ist", sagt ein CSU-Abgeordneter, "geht es dem Max an den Kragen?" Dann hat auch Stoiber ein Problem - sitzt doch die Schwester von Max, Monika Hohlmeier, als Kultusministerin direkt am Kabinettstisch.

In der CSU hat man die Befürchtung, dass Hohlmeier sich durch übertriebene Loyalitätsbekundungen zu ihrem umstrittenen Bruder selbst in die Bredouille bringt. Stoiber, so eine Lesart in der CSU, würde in einem solchen Fall genauso emotionslos handeln wie bei Peter Gauweiler, Alfred Sauter oder Barbara Stamm - ein letzter Händedruck, und das wars dann.

Es gibt in der CSU aber auch eine ganz andere Lesart, bei der die Gespenster der Vergangenheit wieder lebendig zu werden scheinen. Stoiber hat sich als Ministerpräsident zu Beginn geradezu demonstrativ von seinem einstigen Ziehvater Strauß distanziert. Unter den ewigen Strauß-Bewunderern hat das heftige Irritationen und großen Zorn ausgelöst. Hohlmeiers steile Karriere in Partei und Kabinett sei die Konzession, die Stoiber dem Strauß-Clan schließlich habe machen müssen. Hohlmeier sei die Lebensversicherung, die Stoiber für alles habe bezahlen müssen.

Nach dieser Version wäre Stoiber alles andere als frei, wenn bei den Ermittlungen gegen Max Strauß am Ende doch noch was herauskäme und als Folge davon auch Schwester Monika belastet würde. Erst jüngst, wird in München erzählt, habe Stoiber intern Monika Hohlmeier als eine seiner denkbaren Nachfolger bezeichnet. Die Botschaft soll aus der Staatskanzlei gestreut worden sein. "Die Monika", sagt ein Kenner des komplizierten Beziehungsgeflechtes, "wird er halten bis zur letzten Patrone".

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