Juristenausbildung in Bayern:Lernen mit Lola Lotter

Hausfrauen, Geliebte, Prostituierte - wenn Frauen in juristischen Übungsfällen vorkommen, dann haben sie entweder klischeehafte Rollen oder anzügliche Namen. Immer wieder würden Frauen in Klausuren "unverhohlen lächerlich" gemacht, heißt es in einem Beitrag der Deutschen Richterzeitung. Die bayerische Juristenausbildung hat ein Sexismusproblem.

Von Heribert Prantl

Es gab Zeiten, in denen nur die Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, eine Frau war. In der realen Justiz, bei Gericht, dominierten die Männer als Richter und Staatsanwälte. Diese Zeiten sind lange vorbei. Es werden mehr Frauen als Männer eingestellt; erstens weil immer mehr Frauen Jura studieren, zweitens weil sie im Schnitt bessere Examensnoten haben. Die Justiz wird weiblich.

Die Klausuren, die juristischen Übungsfälle also, mit denen Juristen in ihrer Ausbildung arbeiten müssen, stammen aber offenbar noch aus den alten Zeiten oder sind in deren Geist verfasst. Noch vor dreißig, vierzig Jahren begegneten einem in der Strafrechtsklausur Frauen vorwiegend als Opfer, als Krankenschwester, als Schwangere oder Prostituierte. Bisweilen las sich das so: Julia Sechser hatte ein Verhältnis mit Romeo Balzer. Oder: Die Studienrätin Friedelinde Orgaski verführte ihren Schüler. Frauen hatten auch Namen wie "Lola Lotter". Mit derlei vermeintlichem Witz wurde der als trocken geltende Stoff gewürzt.

Womöglich hat sich daran in Bayern noch nicht viel geändert. In der Deutschen Richterzeitung beklagt die Juristin Daniela Schweigler, wissenschaftliche Referentin am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik, die Justizausbildung in Bayern habe "ein Sexismusproblem". In den Materialien für Rechtsreferendare würden "Frauen sowohl durch die verwendete Sprache als auch durch ihre teils krasse Unterrepräsentation marginalisiert".

Wenn Frauen Täterinnen sind, dann stehlen sie Parfüm

Wenn Frauen in den Übungsfällen vorkommen, dann häufig in vermeintlich typischen Frauenrollen - "nämlich etwa als Mutter, Ehefrau oder Hausfrau". Schweigler nennt Beispiele: Im Strafrecht wird Frauen die Opferrolle zugewiesen; wenn sie ausnahmsweise einmal als Täterinnen auftauchen, stehlen sie "rollentypisch" Parfüm. Weibliche Schöffen und Zeugen seien in den Klausuren fast immer "Hausfrau". Und auch in Zivilrechtsfällen seien die Rollen klar verteilt.

Schweigler beschreibt eine Verfestigung von Rollenklischees in Familienrechtsklausuren; in keinem einzigen Fall des Familienrechtslehrgangs sei eine eingetragene Lebenspartnerschaft vorgekommen. Immer wieder würden Frauen in Klausuren "unverhohlen lächerlich" gemacht - zum Beispiel in dem Übungsfall, in dem ein Opfer häuslicher Gewalt nicht nur einen Antrag auf Scheidung und Unterhalt stellt, sondern ihren Ehemann auch wegen der Zerstörung ihrer Schuhe verklagt. Die Frau schildert in diesem Übungsfall zunächst, wie ihr Mann sie verprügelt habe, um dann sogleich auf "ein Paar braune Damenhalbschuhe und ein Paar Lederstiefel" zu sprechen zu kommen, die der Ehemann "in seinem Wutanfall mit einer Schere zerschnitten und die Absätze mit einer Säge abgesägt habe".

Es fehlt, meint die Autorin der Richterzeitung, "an einem ausreichenden Bewusstsein für die Problematik". Bayerns Justizminister Winfried Bausback erklärt dazu der SZ: "Wir schenken dieser Frage große Beachtung." In den Klausuren des Zweiten Juristischen Staatsexamens im Jahr 2013 zum Beispiel lasse sich "ein ausgewogenes und gleichberechtigtes Geschlechterbild feststellen". Es sei nicht gewollt, "in der Juristenausbildung auch nur unterschwellig ein bestimmtes Frauenbild zu befördern". Und: Etwa im Oberlandesgerichtsbezirk München seien im Herbst mehr Frauen als Männer eingestellt worden - 226 Referendarinnen und 136 Referendare.

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