Junge Liberale:Auf der Suche nach dem sozialen Herzblut

Die Jungen Liberalen wollen die FDP programmatisch öffnen und kämpfen zugleich gegen ihr eigenes Yuppie-Image.

Peter Fahrenholz

Es sind Töne, die man aus der FDP lange nicht gehört hat. Und die so gar nicht dem Bild entsprechen, dass die smarten Epigonen von Guido Westerwelle über lange Zeit abgegeben haben. Die FDP, kritisiert Johannes Vogel, seit 2005 Vorsitzender der Jungen Liberalen, werde als "zu wenig gemeinsinnorientiert" wahrgenommen. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, zwischenmenschliche Solidarität sei der FDP nicht wichtig."

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Vogel kämpft gegen das Etikett der sozialen Kälte, das der Partei zäh anhaftet, und er ist beileibe nicht der einzige liberale Nachwuchspolitiker, der sich in diesem Sinn äußert. Im März hat der 35-jährige Philipp Rösler, niedersächsischer Partei- und Fraktionschef, eine sozialere Ausrichtung der FDP gefordert. Die Liberalen müssten sich wieder zum Grundwert der Solidarität bekennen.

Debatte um Neuorientierung

Seit geraumer Zeit schon ist in der FDP eine Debatte um eine Neuorientierung der Partei im Gange, deren treibende Kraft die Julis, die Jungen Liberalen sind. Sie hat in der Öffentlichkeit noch nicht jene breite Resonanz gefunden, die sich ihre Initiatoren wünschen, wohl auch, weil in der FDP vieles vom Ein-Mann-Lautsprecher Guido Westerwelle übertönt wird. Die Julis, sagt ihr Anführer Vogel, wollen "der Stachel im Fleisch der FDP sein".

Das ist der vorläufige Endpunkt einer Entwicklung, die einmal ganz anders begonnen hat. Denn als die Julis 1980 gegründet wurden, waren sie gewissermaßen eine Abspaltung der Braven. Die offizielle Jugendorganisation der FDP waren in jenen Jahren die Jungdemokraten, die Judos, die es als linke Splittergruppe auch heute noch gibt. Gegenüber ihrer Mutterpartei FDP waren die Judos, ähnlich wie die Jusos in der SPD, auf permanentem Krawallkurs.

Die Judos, die schon nicht mehr linksliberal, sondern eindeutig links waren, vertraten Forderungen wie Stilllegung aller Kernkraftwerke, Straffreiheit für Drogenbesitz in kleinen Mengen oder Anerkennung einer eigenen DDR-Staatsbürgerschaft. In einem Strategiepapier wurde der FDP attestiert, sie stelle "eindeutig eine Agentur der Kräfte dar, denen wir in dieser Gesellschaft die Macht abnehmen wollen". FDP-Chef Hans-Dietrich Genscher klagte im März 1980, die eigene Parteijugend habe sich "in eine nie dagewesene Ferne zur FDP begeben".

Kleinkrieg der Nachwuchsverbände

Es begann ein zweijähriger Kleinkrieg der beiden Nachwuchsverbände. Die Julis wollten als offizielle Jugendorganisation der FDP anerkannt werden und damit auch an die finanzielle Unterstützung der Partei kommen, die Judos wollten sich von diesen Geldtöpfen nicht vertreiben lassen. Am Schluss siegte, wie so oft, die normative Kraft des Faktischen. Nach dem Koalitionswechsel der FDP im Herbst 1982 suchten die Judos von sich aus das Weite. "Abschied ohne Trennungsschmerz" titelte die FAZ damals.

Die Julis waren am Ziel, zugleich aber trugen sie einen Stempel, der bis heute nachwirkt: Sie galten als die angepasste Kaschmir-Jugend mit Aktenköfferchen. Das hatte auch viel mit dem Mann zu tun, der die Julis geprägt hat wie kein anderer: Guido Westerwelle. Er wurde 1983, mit 21, Chef der Julis und blieb es fünf Jahre lang.

Das Bild der Julis war damit für lange Zeit festgelegt. Denn einerseits war Westerwelle der rhetorisch und politisch Begabteste unter den Jungen Liberalen, andererseits wirkte er mit seiner rechthaberischen Altklugkeit stets wie einer, der eigentlich selber nie jung war.

Auf der Suche nach dem sozialen Herzblut

Doch Westerwelles weitere politische Karriere hatte für die Jungen in der FDP eine enorme Sogwirkung. Denn nach dem Ende der Regierung Kohl, zu dessen Anhängsel sich die FDP selber degradiert hatte, trieb Westerwelle den Generationswechsel voran, zunächst als Generalsekretär, später als Parteichef. Die FDP habe Ende der 90er Jahre ein tiefes Tal durchschritten, sie sei unter Klaus Kinkel "heruntergewirtschaftet" und in Abhängigkeit zur Union gebrachte worden, sagt Daniel Bahr, von 1999 bis 2004 Chef der Julis. Dadurch hätten Jüngere die Chance gehabt, nach vorne zu kommen. "Das kam auf uns zu", sagt Bahr.

Sehr gutes Netzwerk

Und die Jüngeren, das war die Westerwelle-Garde der Julis. Das Netzwerk der Jüngeren sei "sehr gut ausgeprägt", sagt Bahr. "Wir empfehlen uns gegenseitig, wir arbeiten nicht gegeneinander." Bahr ist heute der Gesundheitsexperte der FDP-Fraktion und sicherlich noch lange nicht am Ende seiner Karriere angekommen. Doch die Generation nach Westerwelle ist politisch wie vom Habitus her stark auf ihren Mentor fixiert. "Er ist der Stärkste, den wir haben", sagt Bahr. Für die über 30-Jährigen ist Westerwelle "der Guido", sie sind politisch mit ihm groß geworden.

Für die nächste Generation der Julis gilt das nicht mehr im gleichen Maße, dafür ist der 26-jährige Vogel das beste Beispiel. "Ich bin der erste Bundesvorsitzende der Julis, der ihn siezt", sagt er über Westerwelle. Wichtiger als die größere persönliche Distanz zum Oberliberalen sind aber die inhaltlichen Akzentverschiebungen, für die einer wie Vogel steht. Der ist nicht, wie so viele Julis, Jurist oder Betriebswirt, sondern schreibt gerade an seiner Magisterarbeit in Politologie.

Als 15-Jähriger hat er ein Jahr bei den Grünen reingeschnuppert, wo ihm das Mikroklima aber nicht gefiel, ehe er 1998 bei den Liberalen landete. Von seiner Sorte, versichert Vogel, gebe es inzwischen viele bei den Julis, was plausibel klingt, weil er sonst wohl nicht ihr Chef geworden wäre. Das Yuppie-Image "trifft für die heutige Juli-Generation nicht mehr zu", sagt Vogel, und räumt ein: "Wir kämpfen gegen dieses Klischee".

Partei breiter aufstellen

Vogel und seine Gesinnungsgenossen wollen die FDP thematisch wieder breiter positionieren. "Die FDP muss endlich wieder einen ganzheitlichen Politikansatz verfolgen", sagt er. Dass die FDP in der Sozialpolitik das Konzept eines "Bürgergeldes" beschlossen hat, mit dem alle sozialen Leistungen des Staates zusammengefasst werden sollen, schreiben die Julis inhaltlich ebenso auf ihre Fahnen wie die Ablehnung einer Wehrpflichtarmee und die Renaissance des Themas Bürgerrechte in der FDP. Da sei man "zusammen mit den alten Freiburgern" seit 2005 "weit vorangekommen", sagt Vogel, allerdings noch nicht weit genug.

Tatsächlich können sich die knorrigen Altliberalen vom Schlage Baum, Hirsch oder Leutheusser-Schnarrenberger zum ersten Mal seit langer Zeit wieder über die Sympathien der Jungen freuen. Die Julis seien "nicht mehr durchgängig neoliberal, die haben einen sozialen Zugang", sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Das seien nicht mehr "die Anzugträger mit 21", sie hätten sich vom einstigen Übervater Westerwelle ein Stück emanzipiert. "Der Westerwelle hat nicht mehr die Hausmacht bei den Julis."

Zusammen mit der Generation der Bahrs, die in den Startlöchern für Regierungsämter sitzt, ergibt das eine interessante Mischung. Sie macht die Julis zur derzeit interessantesten Nachwuchsorganisation. Nicht so bedeutungslos wie die Grüne Jugend, nicht so notorische Querulanten wie die Jusos, nicht so angepasst und an der Kandare der Kanzlerin wie der Unionsnachwuchs. Sondern mit wachsendem Einfluss auf die inhaltlichen Debatten in der FDP.

Schwarz-Gelb ist für die Julis jedenfalls nicht die einzige Option für die nächste Wahl. "Theoretisch sind Konstellationen mit beiden großen Parteien möglich", sagt Vogel.

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