Jugendkriminalität:Union verweigert Koch die Unterstützung

Der Vorstoß von Ministerpräsident Koch, das Jugendstrafrecht auch auf Kinder unter 14 Jahren anzuwenden, stößt auf breite Ablehnung - und das nicht nur bei der Opposition.

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat für seinen neuen Vorstoß zur Ausweitung des Jugendstrafrechts offenbar keine Rückendeckung in der Bundestagsfraktion der Union.

Jugendkriminalität: Wolfgang Bosbach (CDU): "Wenn Kinder als Werkzeuge für Diebstähle, Raub oder anderes missbraucht werden, muss das empfindliche Konsequenzen für die Eltern haben."

Wolfgang Bosbach (CDU): "Wenn Kinder als Werkzeuge für Diebstähle, Raub oder anderes missbraucht werden, muss das empfindliche Konsequenzen für die Eltern haben."

(Foto: Foto: AP)

"Wir sind bisher der Auffassung, dass die Strafmündigkeit bei 14 Jahren bleiben sollte", wird der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) von der Neuen Osnabrücker Zeitung zitiert. Wenn es um Problemfälle im Kindesalter gehe, sei in erster Linie Erziehungshilfe für die Eltern gefordert. "Wenn Kinder als Werkzeuge für Diebstähle, Raub oder anderes missbraucht werden, muss das empfindliche Konsequenzen für die Eltern haben", forderte er.

In seiner Kampagne für ein schärferes Jugendstrafrecht hatte Koch, der sich im Wahlkampf befindet, am Wochenende verlangt, die Gesetze in Ausnahmefällen auch auf unter 14-Jährige anzuwenden: "Wenn man betrachtet, wie im entsprechenden Milieu solche kriminellen Karrieren entstehen, dann muss man über die Anwendung des Jugendstrafrechts diskutieren. Diese kleine Minderheit entzieht sich nämlich allen anderen Bemühungen."

Der niedersächische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kommentierte Kochs Vorstoß im RBB mit den Worten: "Dafür gibt es weder auf der Innenministerkonferenz, noch in der Justizministerkonferenz eine Mehrheit."

Um Straftaten von Kindern unterhalb der geltenden Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren zu ahnden, gebe es "andere Möglichkeiten. Und die sollten gerade bei Kindern angewandt werden", sagte Schünemann. Der CDU-Politiker nannte als Möglichkeiten die Unterbringung in offenen oder geschlossenen Heimen. Damit sollten kriminelle Karrieren verhindert werden.

Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) lehnte den Vorschlag ebenfalls ab. "Kinder sind Kinder, und da stellt sich die Frage vor allem nach den Eltern", sagte der stellvertretende Parteichef vor einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. "Die Strafmündigkeit zu verändern, halte ich für falsch."

Die CDU-Spitze sieht die Koalition trotz des angespannten Klimas nicht in akuter Gefahr. "Wir sind bis 2009 zum Arbeiten gewählt und nicht zum Streiten", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vor einer Sitzung des Präsidiums in Berlin. Nach den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am 27. Januar werde die Koalition zur Sacharbeit zurückfinden.

Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) sagte jedoch, er gehe nicht davon aus, dass dann alles "vergeben und vergessen" sei. "Ich glaube trotzdem, die große Koalition hat nach wie vor die volle Kraft, das vereinbarte Programm abzuarbeiten."

Bei Experten stieß der Vorstoß Kochs auf geteilte Resonanz. SPD und FDP hatten bereits am Wochenende empört darauf reagiert. Unionsfraktionschef Volker Kauder rief die Sozialdemokraten in der Debatte zur Mäßigung auf. "Die SPD muss verbal abrüsten" , wird der CDU-Politiker von der Bild-Zeitung zitiert. "So kann man in einer Koalition nicht miteinander reden."

Der Streit hat in den vergangenen Tagen erheblich an Schärfe zugenommen. Am Freitag hatte SPD-Fraktionschef Peter Struck Koch vorgeworfen, er habe sich über den brutalen Überfall in der Münchner U-Bahn im Dezember als Wahlkampfthema gefreut. Die Forderung der Union nach einer Entschuldigung hatte Struck zurückgewiesen.

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach von völligem Unfug Kochs. "Dieser Mensch dreht nun völlig durch", sagte er der Thüringer Allgemeinen. "Jeden Tag kommt er mit neuen Unsäglichkeiten und jeden Tag werden seine Vorschläge schlimmer." Kinder gehörten "erzogen, nicht hinter Gitter".

"Wir brauchen doch keine Kinderknäste"

Auch die Gewerkschaft der Polizei sprach sich dagegen aus, Kinder unter 14 Jahren wie Jugendliche zu bestrafen. "Wir brauchen doch keine Kinderknäste", sagte der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg laut Passauer Neue Presse. "Der Vorschlag ist populistisch und unseriös. Die Strafmündigkeitsgrenze darf nicht herabgesetzt werden." Straftaten von Kindern unter 14 Jahren seien "Sache von Jugendhilfe- und Sorgerecht".

Auch der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, lehnte den Vorschlag Kochs ab. "Das macht keinen Sinn", wird er in der Zeitung zitiert. "Je jünger Menschen hinter Gitter kommen, umso höher ist ihre Rückfallquote."

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warnte in den Dortmunder Ruhr Nachrichten davor, "Kinder fürs ganze Leben zu stigmatisieren". Anstelle einer schärferen Bestrafung von Kindern unter 14 Jahren forderte er, weitere geschlossene Erziehungsheime zu schaffen.

Hilgers kritisierte Koch dafür, dass es bislang in Hessen kein einziges dieser Heime gebe: "Herr Koch macht zwar große Sprüche - aber seine Problemfälle exportiert er nach Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz."

Unterstützung für seinen Vorschlag erhält Koch hingegen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter. Dessen Vorsitzender Klaus Jansen sagte in der Passauer Neuen Presse: "Das Thema Strafmündigkeit darf keine heilige Kuh sein." Weiter führte er aus: "Ein elfjähriger Ladendieb ist nicht unser Problem - aber ein ausgebuffter Elfjähriger, der sich aufführt wie (Action-Darsteller) Chuck Norris in seinen schlimmsten Filmen."

Auch der sächsische Justizminister Geert Mackenroth (CDU) unterstützt den Vorschlag des hessischen Ministerpräsidenten. Die Strafunmündigkeit werde gezielt von kriminellen Vereinigungen genutzt, um Gewalttaten, Ladendiebstähle, Taschendiebstähle und ähnliche Delikte zu verüben, sagte Mackenroth im MDR.

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