Jürgen Walter:Talentiert, ambitioniert - und unberechenbar

Vor drei Jahren wollte er Hessens SPD-Spitzenkandidat werden - jetzt zerstörte Jürgen Walter die Träume der Frau, die sich damals gegen ihn durchsetzte.

Wenn in Wiesbaden in den letzten Wochen über mögliche Sabotage an der Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin spekuliert wurde, fiel unweigerlich ein Name: Jürgen Walter. Seine jetzige Ankündigung, die hessische SPD-Chefin am Dienstag nicht wählen zu wollen, ist der bisherige Höhepunkt in einer Dauerfehde, die letztendlich beide Kontrahenden ihre politische Karriere in der SPD kosten dürfte.

Jürgen Walter: Jürgen Walter wuchs in Gernsheim auf und studierte Jura in Mannheim und Frankfurt. Nach dem Examen arbeitete er als Rechtsanwalt. In die SPD trat er 1987 ein - und möchte trotz aller Querelen sein Fraktionsmandat behalten

Jürgen Walter wuchs in Gernsheim auf und studierte Jura in Mannheim und Frankfurt. Nach dem Examen arbeitete er als Rechtsanwalt. In die SPD trat er 1987 ein - und möchte trotz aller Querelen sein Fraktionsmandat behalten

(Foto: Foto: Reuters)

Eine Entwicklung, die sich schon seit Jahren angedeutet hatte, die aber nun doch für viele überraschend kam - und langfristig Schockwellen in der hessischen SPD auslösen könnte.

Der Streit zwischen dem 40-jährigen Rechtsanwalt mit seiner 51-jährigen Landesvorsitzenden lässt sich nur zum Teil mit politischen Differenzen zwischen einem wirtschaftsnahen Pragmatiker und einer erklärten Parteilinken erklären. Beim SPD-Parteitag an diesem Samstag ließ Walter den Konflikt erneut eskalieren, indem er überraschend erklärte, dass er den Koalitionsvertrag mit den Grünen ablehnen werde - obwohl er ihn zuvor selbst mit ausgehandelt hatte.

Bewusst ließ er seine Konkurrentin in Ungewissheit schmoren: In den vergangenen Monaten hat Walter zwar immer wieder beteuert, dass er Ypsilanti bei einem entsprechenden Votum der Partei im Parlament unterstützen werde. Aber mindestens genauso oft hat er zu Protokoll gegeben, dass er den Weg einer von der Linken tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung für falsch hält.

Dass Walter mit dieser Position in seiner Partei inzwischen ziemlich isoliert ist, war ihm schon vor dem Wochenende klar: "Ich will hier niemanden überzeugen", sagte er den Delegierten, als er seine Ablehnung begründete. Am Ende regte sich kaum noch eine Hand zum Beifall.

Das war einmal anders. 2003 hatten Walter und Ypsilanti gemeinsam die Führung der von einer vernichtenden Wahlschlappe demoralisierten Hessen-SPD übernommen. Der redegewandte Jurist aus dem südhessischen Gernsheim errang das öffentlichkeitswirksame Amt des Fraktionschefs im Landtag, Ypsilanti wirkte als Parteivorsitzende vor allem nach innen.

Walter galt als der kommende Mann der Hessen-SPD. Er machte sich einen Namen mit Wirtschaftsthemen und kämpfte vehement für den Ausbau des Frankfurter Flughafens. Bekannt wurde er als Obmann der SPD im Untersuchungsausschuss zur Schwarzgeldaffäre der hessischen CDU.

Als es 2006 um die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl ging, fühlte sich Walter stark genug, Ypsilanti herauszufordern. In der internen Kür schien er bis zuletzt zu führen - doch als die Stimmen ausgezählt waren, hatte er knapp verloren.

Manche Genossen sagen, dass Walter diese Niederlage bis heute nicht verwunden hat. Hinzu kommt, dass er sich in Lebensstil und politischer Ausrichtung grundlegend von der Vorsitzenden unterscheidet. Walter schätzt teure Cabrios und hat kürzlich die CDU-Pressesprecherin Esther Petry geheiratet.Ypsilantis Lebensgefährte ist in der SPD, mit ihm und ihrem Sohn lebt sie in einer Wohngemeinschaft. Bei Wirtschaftspolitik denkt Walter an Verkehrs-Infrastruktur, Ypsilanti an den Ausbau erneuerbarer Energien.

Walter musste der Spitzenkandidatin den Fraktionsvorsitz überlassen, in ihrem Regierungsteam merkte sie ihn statt für sein Wunschressort Wirtschaft für das Innenministerium vor. Nach dem gescheiterten ersten Anlauf zur Machtübernahme im Frühjahr plädierte Walter vergeblich dafür, sich die Möglichkeit einer großen Koalition offen zu halten.

Die Partei lehnte mit großer Mehrheit ab, Walter zog sich vollends aus der Fraktionsspitze zurück. Nach der abschließenden Verhandlungsnacht mit den Grünen sollte ihm ein neu zugeschnittenes Ministerium für Verkehr und Europafragen bleiben - Walter winkte ab.

Vor über zwanzig Jahren ist Jürgen Walter in die SPD eingetreten. Wenn in den nächsten Tagen sein Name fallen wird, wird es wieder Anlass zu Spekulationen geben - diesmal darüber, wie lange Walter noch in der SPD bleiben wird.

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