Jürgen Rüttgers und Opel:Populismus mit Linksdrall

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Die Rüttgers-Show: Während sich in der Heimat die Parteien um Konjunkturpaket und Verstaatlichung zanken, inszeniert sich der CDU-Ministerpräsident in Amerika als Krisenmanager.

Oliver Das Gupta

Deutschland wacht derzeit mit Jürgen Rüttgers auf. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen sorgt im fernen Amerika für die Top-Meldung des Morgens: "Keine Entscheidung zu Werksschließungen bei Opel", lautete am Donnerstag die frohe Kunde des CDU-Mannes, die via Funk, Fernsehen und Internet in die krisengeängstigte Republik gelangte.

Lob aus der Gewerkschaft für sein Handeln in den USA: CDU-Vize Jürgen Rüttgers hier in Detroit vor einem Sportwagen von General Motors. (Foto: Foto: dpa)

Dazu Filmaufnahmen, die Rüttgers konferierend mit Rick Wagoner zeigen, dem Chef des angeschlagenen Opel-Eigentümers General Motors, oder parlierend mit dem Finanzvorstand von Ford und dem stellvertretenden Finanzminister der USA.

Die Botschaft der Bilder ist klar: In der Krise ist der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rüttgers auf Augenhöhe mit wichtigsten Wirtschafts- und Polit-Managern. Einer, der die bangenden Arbeitnehmer bei "denen da oben" vertritt; und endlich einer, der auch mal eine frohe Botschaft verkündet. Zwar weilt Rüttgers jedes Jahr zu Zeiten des Karnevals lieber in den USA als am Rhein, diesmal aber konnte er Reisen und PR aufs Beste miteinander verbinden.

Es sind die Tage der großen Rüttgers-Show: Während sich in der Heimat die Parteien um Konjunkturpaket und Verstaatlichung zanken, inszeniert sich der Doktor der Jurisprudenz als Krisenmanager. Auf diese Rolle hatte sich der konservative Landesvater vor Jahren festgelegt: Er sehe sich als "Arbeiterführer", hatte Rüttgers verkündet - und sich in die Reihe seiner sozialdemokratischen Amtsvorgänger gestellt.

Geschickt überrascht Rüttgers immer wieder Freund und Feind mit Vorschlägen und Aussagen. Er war es, der von seiner CDU forderte, sich mehr an Arbeitnehmerinteressen zu orientieren und die Gleichung "weniger Steuern, mehr Jobs" als Lebenslüge geißelte. Er drosch verbal in bester Franz-Müntefering-Manier auf die "Subventions-Heuschrecke" Nokia ein, als der Handyhersteller seine Bochumer Fabrik dicht machte. Er schlug 2006 vor, das Arbeitslosengeld I an ältere Arbeitsgeber länger zu zahlen - nicht nur der damalige Bundesarbeitsminister und heutige SPD-Chef Franz Müntefering schäumte vor Wut.

Rechtspopulistische Ausflüge

Stück für Stück festigt sich so der konservative Kölner seine Macht in der einstigen "Herzkammer" der SPD. Der passionierte Pfeifenraucher überholt gerne links, was sich in den Umfragen positiv auswirkt. Nicht wenige seiner Parteifreunde finden seinen Kurs inakzeptabel, manchen gilt er als Störenfried.

Rüttgers gerierte sich nicht immer als schwarzer Volkstribun mit roten Anwandlungen. Zu Oppositionszeiten versuchte Rüttgers mit rechtspopulistischen Sprüchen in die Düsseldorfer Staatskanzlei zu gelangen: Im Januar 1999 präsentierte er den Text für die Unterschriftenkampagne der Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft der damaligen rot-grünen Bundesregierung. Im Jahr darauf polemisierte er gegen die Green-Card-Aktion Gerhard Schröders mit Parolen wie "Kinder statt Inder" - und verlor prompt die Landtagswahl.

In den folgenden Oppositionsjahren erfand sich der Katholik Rüttgers neu: Als Chef des mächtigen NRW-Landesverbandes wurde er CDU-Vize (2000). Er zeigte sich offen für schwarz-grüne Koalitionsplanspiele (2001), favorisierte Angela Merkel als Kanzlerkandidatin (2002). Unter den Unions-Landeschefs galt er bald als liberaler Gegenpol zum Hardliner Roland Koch.

Den Wahlsieg im roten Stammland NRW 2005 hatte er wohl eher Rot-Grün im Bund zu verdanken: Der Wähler strafte die Koalition ab für ihre umstrittene Arbeitsmarktpolitik.

Der Mann, der die Angst nimmt

Das hat sich Jürgen Rüttgers gemerkt - und sattelte um auf prima Populismus mit Linksdrall. Diese Linie verfolgt er auch in diesen Tagen konsequent weiter. Vor seinem Treffen mit den amerikanischen Autobossen ließ er sich zum Frühstücksfernsehen schalten und drehte an der Drama-Schraube: "Das ist eine Notsituation," erklärte da ein besorgter Rüttgers im Ton eines Gewerkschafters mit SPD-Parteibuch.

Es gehe jetzt darum, zu "kämpfen, dass die Standorte in Europa erhalten bleiben", fügte der Rheinländer hinzu - und überspielte damit nebenbei den Umstand, dass von den Opel-Werken nur jenes in Bochum in seinem Nordrhein-Westfalen liegt.

Rüttgers hat ein feines Gespür dafür entwickelt, wie und wann man punkten kann. Er wusste, dass bei Opel zuletzt ein schlimmes Gerücht durch die Bochumer Werkshallen waberte: GM wollte den Standort schließen, hieß es. Die Beschäftigten hatten Angst. Von dieser Angst sind sie nun vorerst erlöst, dank Rüttgers froher Kunde aus dem fernen Detroit.

Vor seiner Abreise hatte Rüttgers mit dem Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel ein langes Gespräch. "Ich finde mich da voll wieder, was er momentan dort tut", sagt der Gewerkschafter zu sueddeutsche.de. Er selbst verorte sich politisch zwar woanders als Rüttgers, beteuert Einenkel, und der Ministerpräsident verhalte sich "in vielen Punkten sehr widersprüchlich". Aber in der Causa Opel mache Rüttgers "gute Arbeit", ja, er sei "sehr zufrieden" mit dem CDU-Politiker. Das Wagoner-Gespräch gäbe den Belegschaften zumindest "ein gewisses Maß" an Sicherheit.

Was an der Rüttgers-Nachricht eigentlich neu sei, will man von Einenkel noch wissen. Nun ja, es habe das Gerücht von Werkschließungen gegeben, antwortet er. Und schiebt nach: "Der aktuelle Stand ist eigentlich der alte."

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