Jüdische Gemeinden:Vergiftete Stimmung

Der Atom-Deal mit Iran spaltet die jüdischen Gemeinden der USA und die innenpolitischen Debatten in Israel.

Von S. Batthyany und P. Münch, Washington

Schon lange hat kein Thema mehr die jüdische Gemeinschaft in den USA so sehr entzweit und gegeneinander aufgebracht wie der Atomvertrag mit Iran. "Die Stimmung ist vergiftet", sagte Greg Rosenbaum vom National Jewish Democratic Council, einer Gruppe von jüdischen Parteifreunden Barack Obamas. "In New York blieben viele den Synagogen fern, um dem Thema auszuweichen. Es kam zu Brüchen innerhalb von Familien und zu heftigem Streit mit Verwandten in Israel." Dass jüdisch-amerikanische Lobbygruppen wie Aipac oder die linksliberale J-Street im Sommer um die Stimmen der Kongress-Abgeordneten werben würden, war zu erwarten. Der erbitterte Ton jedoch, so sagt es der Demokrat Greg Rosenbaum, sei ohne Vergleich. Präsident Barack Obama sah sich mitten in einer immer hässlicheren Debatte, wurde Antisemit geschimpft und Agent Irans. Der republikanische Präsidentschaftsanwärter Mike Huckabee meinte, Obama führe die Israelis durch die Atom-Vereinbarung "bis an die Ofentür". Besonders hart wurde um die Stimmen der jüdischen Senatoren gerungen. Tagelang protestierten Demonstranten vor dem Büro des Senators Chuck Schumer, Spender drohten damit, sich so lange abzuwenden, bis Schumer sein Nein zum Iran-Abkommen erkläre. Bei seinem Kollegen Jerrold Nadler waren die Reaktionen noch heftiger. Nadler, der sich im Gegensatz zu Schumer hinter Obama stellte, musste sich anhören, er sei ein Kapo - so nannten die Nazis jene KZ-Häftlinge, die sich zur Mittäterschaft zwingen ließen. Als Nadlers Gegner sechs Auschwitz-Überlebende in sein Büro zerrten, riefen Organisationen wie die Anti-Defamation League (ADL) dazu auf, mit der Hetze aufzuhören. "Ob für oder gegen den Deal", so Jonathan Greenblatt, Direktor der ADL, Holocaust-Vergleiche hätten in der Debatte nichts zu suchen. Nun hat Obama die nötige Zahl an Ja-Stimmen beisammen. Doch obwohl viele von einer Niederlage der konservativen Nein-Lobby sprechen, ist deren Arbeit mit der Zustimmung der Senatorin Barbara Mikulski nicht zu Ende. Es geht jetzt darum, Obama nicht noch mehr Stimmen zu gewähren. Im Visier steht als nächstes Benjamin Cardin. Der Senator aus Maryland stammt aus einer jüdischen Familie und soll sich noch nicht entschieden haben.

In Israel muss sich Premierminister Benjamin Netanjahu, der als weltweit lautester Kritiker des Atom-Abkommens aufgetreten war, innenpolitisch Kritik gefallen lassen. Oppositionsführer Isaac Herzog von der Arbeitspartei wirft ihm vor, "die israelische Regierung in die schlimmste Kollision aller Zeiten mit einem amerikanischen Präsidenten geführt" zu haben. Im Regierungslager jedoch will man keinesfalls von einer Niederlage sprechen.

Netanjahu selbst enthielt sich zwar zunächst jeglichen Kommentars. Doch aus seiner engeren Umgebung wird gestreut, dass die Kampagne immerhin ein Ziel erreicht habe, nämlich "die Legitimität des Abkommens zu untergraben". Dank der israelischen Alarmrufe habe Obama weder eine Mehrheit im Kongress noch in der Bevölkerung. Nun hofft man in Jerusalem auf den nächsten Präsidenten. Netanjahus Kampf, so ist zu hören, wird in jedem Fall weitergehen.

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