Journalismus und die Nähe zur Macht:Woodwards Watergate

Einst stürzte er einen Präsidenten, doch nun hat der große Enthüller Bob Woodward Probleme. Der Reporter stürzt niemanden mehr. Sein eigener Ruf ist zerstört.

Willi Winkler

Es gibt sie natürlich auch, die Journalisten, die sich ihre Meinung bezahlen lassen. Sie verstehen sich, nicht ganz ohne Grund, als PR-Agenten ihrer jeweiligen Auftraggeber - und Werbung kostet viel Geld.

Bob Woodward und Carl Bernstein

Bob Woodward (rechts) und Carl Bernstein 1974 im Newsroom der "Washington Post".

(Foto: Foto: AP)

Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler und nach Meinung der ZDF-Wahlbürger der größte lebende und tote Deutsche, plante 1953 ein Propagandaministerium. Die Presse empörte sich.

Die vom Adenauer-Freund Gerd Bucerius herausgegebene Zeit erledigte Adenauers Plan mit einer Überschrift: "Des Dr. Goebbels Überministerium".

Dennoch ist Journalismus, der sich in Mark und Euro rechnet, eher die Ausnahme. Es wäre stillos, einfach so die Hand aufzuhalten, wenn es auch anders geht. Normalerweise wird in Naturalien bezahlt, und das heißt in Washington, Paris, London und natürlich auch in Berlin: mit Nähe zur Macht.

Der damals 29-jährige Reporter Bob Woodward hatte gerade erst bei der Washington Post angefangen, als er, zusammen mit Carl Bernstein, den Scoop landete, von dem seither alle Journalisten träumen: Er konnte 1972/73 nachweisen, dass die Nixon-Regierung am Einbruch in das Wahlkampfhauptquartier der gegnerischen Demokraten beteiligt war.

Ein Informant, eine geheime Quelle aus dem FBI, hatte den Reporter mit Informationen versorgt. Am Ende musste der Präsident zurücktreten.

Seither ist Woodward weltberühmt. Ein Film wurde über seine Heldentat gedreht, er ist einer der teuersten Gastredner im Land (50.000 Dollar pro Auftritt), und seine Zeitung, die Washington Post, machte ihn zum Ehren-Reporter, der auch geschäftsführender Chefredakteur ist. Schreiben muss er nicht mehr. Woodward schreibt aber weiter, unermüdlich. Er schreibt Bücher.

Seinem Ruf hat er es zu verdanken, dass jeder mit ihm sprechen will: Der Direktor der Notenbank, Geheimdienstchefs, Außenminister, selbstverständlich auch die Präsidenten.

Woodwards zwölf Bücher, alle handeln von Washingtoner Eminenzen, sind haarfein gewebte Epen aus stundenlangen Tonbandgesprächen. Der Reporter vermag immer wieder den Eindruck zu erwecken, er wäre bei allen wichtigen Entscheidungen - Zinserhöhung, Kriegserklärung, Friedensschluss - unter dem Tisch dabei gewesen. Absolute Verschwiegenheit ist Voraussetzung.

Der Reporter veröffentlicht nur, was seine Quellen veröffentlicht haben wollen. Seine Quellen braucht er deshalb nicht zu nennen. Am Ende ist es immer ein Woodward-Werk geworden.

So hat es der ehemalige Reporter, der einen Präsidenten stürzen konnte, zum Hofberichterstatter in Washington gebracht.

Vor einer Woche wurde Woodward vom Sonderermittler Patrick Fitzgerald vernommen und musste zugeben, schon länger als jeder andere Journalist in Washington gewusst zu haben, dass Regierungsmitglieder den Namen der CIA-Agentin Valerie Plame preisgegeben hatten.

Das ist strafbar, das darf auch die Bush-Regierung nicht, und deshalb ermittelt Fitzgerald. Von wem es Woodward wusste? Von einem Regierungsmitglied natürlich.

Weil sie ihre Quelle nicht nennen wollte, musste New York Times-Reporterin Judith Miller in der gleichen Sache drei Monate ins Gefängnis. Woodward verschwieg sein Wissen mehr als zwei Jahre, denn Verschwiegenheit ist sein Beruf.

Dass er nebenbei die Regierung schützte, die munter gegen Gesetze verstößt, scheint ihn nicht gestört zu haben. Seine eigene Zeitung distanziert sich von ihm und nennt Woodwards klandestines Verhalten "eine schwere Sünde". Der Reporter stürzt niemanden mehr. Sein eigener Ruf ist zerstört.

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