Journalismus und der Gaza-Streifen:Geheimsache Krieg

Israel und die Hamas wollen stundenweise die Waffen im Gaza-Streifen schweigen lassen. Womöglich können sich nun endlich unabhängige Journalisten in der Kampfzone selbst ein Bild der Lage machen - bislang dürfen sie nicht.

Oliver Das Gupta

Am elften Tag des Krieges stehen die Zeichen endlich auf Entspannung. Zunächst hat die israelische Armee ihre Angriffe auf die Hamas im Gaza-Streifen für drei Stunden unterbrochen, um die notleidende Bevölkerung zu versorgen, auch die Islamisten wollen die Waffen schweigen lassen.

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In weiter Ferne, so nah: Kriegszone Gaza von Israel aus gesehen. Näher kommen Journalisten nicht heran.

(Foto: Foto: Getty)

Noch viel wichtiger ist der Umstand, dass die am Abend zuvor gestartete Friedensinitiative von Ägyptens Präsident Hosni Mubarak offenbar Anklang findet: Das israelische Sicherheitskabinett begrüßt den Vorstoß unter Vorbehalt, die palästinensische Autonomiebehörde soll Zustimmung signalisiert haben. Auch die islamistische Hamas prüft den Plan.

Das alles bedeutet noch keinen Frieden, und doch mehr, als man zuletzt hoffen durfte, angesichts der blutigen Entwicklung der letzten Zeit.

Noch am Vormittag bombardierten israelische Jets und Helikopter 40 Ziele im Gaza-Streifen, mindestens acht Menschen verloren an diesem Mittwoch ihr Leben, und da war Mubaraks Initiative längst auf dem Weg.

In Gaza trat am frühen Nachmittag eine spürbare Beruhigung der Lage ein, das berichten zumindest Bewohner des Gaza-Streifens und sogenannte Stringer, Einheimische, die Journalisten zuarbeiten. Vermutlich werden auch die Hamas und die israelische Armee dies bestätigen - verlassen kann man sich auf diese Angaben allerdings nicht.

Genau darin liegt ein großes Problem.

Was die Medien aus der Kampfzone berichten, ist kolportiert - alles sind Informationen aus zweiter Hand. Seit Beginn der israelischen Militäroffensive ist der Gaza-Streifen abgeriegelt, der Krieg findet praktisch unter Ausschluss internationaler Beobachter statt.

Die Regierung in Jerusalem begründet die Presse-Blockade mit Sicherheitsbedenken: Es würden Grenzbeamte gefährdet, wenn internationale Reporter in den Gaza-Streifen gelassen würden. Der Direktor des israelischen Presseamts, Daniel Seaman, erklärte sogar, die Abwesenheit ausländischer Journalisten sei gut für sein Land - da die Hamas Bilder und Berichte fälsche, um Israel in ein schlechtes Licht zu rücken.

"Und sie kommen damit wegen der unprofessionellen Arbeit der Auslandspresse auch durch, da sie fragwürdige Berichte ohne Überprüfung für bare Münze nimmt", sagte Seaman der Nachrichtenagentur AP.

Kritiker erklären dagegen, die Regierung wolle nur die Berichterstattung zu ihren Gunsten kontrollieren. Der blutige Libanon-Krieg gegen die Hisbollah dürfte der israelischen Regierung noch in guter Erinnerung sein - und die unzensierten Berichte über tote Zivilisten und israelische Soldaten.

Blackbox Gaza-Streifen: Die Grenze bleibt zu, auch jetzt während der ersten Feuerpause.

Und so harren Reporter aus aller Welt bislang frustiert an der Grenze aus. Ihnen bleibt nicht viel mehr, als das Geschehen von außen zu kommentieren, Berichte von Palästinensern und Israelis zu übernehmen.

Während dieses Krieges werden die wohl authentischsten Berichte bislang über Telefon durchgegeben. So kam das Interview mit dem norwegischen Arzt Mads Gilbert zustande, der unermüdlich Kriegsopfer operiert.

Ein Vergleich, der nichts brachte

Oder der Bericht über die beiden verletzten palästinensischen Greisinnen, die erst nach 80 Stunden aus ihrem von Bomben getroffenen Haus geborgen worden konnten. Amira Hass hat deren Geschichte aufgeschrieben für die israelische Tageszeitung Haaretz.

Überprüfen kann die Autorin die Angaben nicht, obwohl sie keine Angst hätte, in den Gaza-Streifen zu fahren - sie lebte dort einige Zeit als einzige Israelin und hat darüber ein Buch verfasst.

Wegen der Blockade bleibt Hass nichts anderes übrig, als weiter an ihrem Schreibtisch zu sitzen: "Ich mache alles per Telefon", schreibt die Journalistin sueddeutsche.de.

Ein Aufbäumen der Journalisten hatte es bereits in der vergangenen Woche gegeben.

Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände kritisierten die Einschränkung der Pressefreiheit heftig. Eine Klage der Vereinigung der Auslandskorrespondenten vor dem Obersten Gericht Israels endete mit einem Vergleich.

Acht Reporter sollten in den Gaza-Streifen gelassen werden, die übrigen Medien deren Berichte übernehmen dürfen. Für Freitag war dieser riskante wie wichtige Trip angesetzt gewesen. Es kam anders: Die Grenzöffnung wurde auf diesen Montag verschoben und schließlich ganz aufgegeben - die Kämpfe am Grenzübergang waren zu heftig.

Der Krieg im Gaza-Streifen bleibt vorerst Geheimsache.

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