Joint-Venture:Willkommen in Sarajevo

Der Krach zwischen Volkswagen und dem bosnisch-deutschen Zuliefer-Unternehmen hat eine lange Vorgeschichte.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

Der Streit kam nicht über Nacht, und er ist auch nicht in Deutschland ausgebrochen, jedenfalls nicht nur. Die Eskalation zwischen VW und Prevent in Deutschland hat eine Vorgeschichte. Bereits seit Monaten streiten die beiden Firmen in Brasilien, wo ein Tochterunternehmen des Zulieferers die Abgabe von Autositzen an VW unterbrochen hat. Folge: tagelanger Stillstand am Band, Rückstände in der Produktion und Zwangsferien für die Mitarbeiter. Und seit Jahren schon streiten die beiden in Sarajevo. Es geht um kleine Zulieferteile, und es geht um relativ kleine Summen. Aber es geht auch um die Frage nach der Zusammenarbeit zweiter Partner.

Es sollte ein Neuanfang nach dem Krieg werden, damals im Sommer 1998: Autos und Komponenten aus einer Stadt, um die noch wenige Jahre zuvor gekämpft worden war. Ende der Achtzigerjahre produzierten hier 3500 Menschen in einem VW-Werk fast 40 000 Autos, dann kam der Krieg. Nach dessen Ende taten sich VW mit einem Anteil von 58 Prozent und der bosnische Zulieferer Prevent mit 42 Prozent zu dem Gemeinschaftsunternehmen VW Sarajevo zusammen. Anfangs ging alles gut. Doch dann begannen die Streitereien.

1300 Arbeitsplätze seien damals von VW versprochen worden, sagen sie in Sarajevo. 300 seien es heute nur noch. Das Unternehmen, das keine Autos mehr, sondern vor allem Metallkomponenten wie Achszapfen und Zahnkränze produziert, steckt tief in den roten Zahlen. Und keiner weiß, wie es mit dem kleinen Joint Venture weitergehen soll.

Schon 2014 warnte VW Sarajevo Konzernchef Winterkorn vor Problemen

Dass kleine Zulieferunternehmen stürzen, ihnen das Geld ausgeht, dass sie irgendwann verschwinden vom Markt - eigentlich ist das etwas Alltägliches. Wäre hier nicht diese verzwickte Situation: Denn VW Sarajevo hat zwar neben VV mit Prevent noch einen zweiten Eigentümer. Deren großer Abnehmer aber heißt: Volkswagen. Es ist eine explosive Konstellation - und ein Lehrstück darüber, welche Probleme dieser mächtige Riesenkonzern, der von Wolfsburg aus ein globales Reich kontrolliert, weit draußen in der Peripherie bekommen kann.

Der Streit der beiden sehr ungleichen Eigentümer geht schon seit einer Weile. Bereits im April 2014 verfasste der Betriebsrat von VW Sarajevo einen Brandbrief an den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn. Er warnte darin vor der Schließung, schrieb von "zerrütteten Partnerverhältnissen" und kritisierte: Es bestehe "kein drei- oder fünfjähriger Plan für den Betrieb der Firma und keine Entwicklungsstrategie"; schon seit Sommer 2008 seien die Löhne nicht mehr den steigenden Unterhaltskosten angepasst worden. Die bosnische Arbeitnehmerseite wirft den Niedersachsen vor, die Arbeiter "in Höhe von mehr als einer Million Euro" durch Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben geschädigt zu haben.

Tatsächlich gibt die Bilanz des kleinen Joint Ventures Rätsel auf: Im Jahre 2012 stand einem Umsatz von mehr als 23 Millionen Euro noch ein Gewinn von 1,4 Millionen Euro gegenüber. Im vergangenen Jahr setzte VW Sarajevo fast 24 Millionen Euro um - landete aber mit 570 499 Euro im Minus. Besonders gesund scheint sich dieses Gemeinschaftsunternehmen nicht zu entwickeln. Aber, immerhin: Noch wird produziert.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: