John McCain und sein Alter:"Zu viele Kerzen"

Der 72-jährige John McCain bekommt im Wahlkampf wegen seines Alters ein Problem. Die unerfahrene Vize Palin scheint nur einen Herzschlag vom Amt entfernt.

Christian Wernicke

Die Lästerei nimmt kein Ende. Kaum ein amerikanischer Fernsehabend vergeht, ohne dass einer der Talkmaster eine Zote reißt über das Alter des John McCain. Etwa David Letterman, das Lästermaul von CBS, der anmerkte, McCain könne sich noch "erinnern an Zeiten, da der Irak Mesopotamien hieß". Bei NBC darf Conan O'Brien sich die Mutmaßung erlauben, des Republikaners Deckname unter den Leibwächtern sei "vergrößerte Prostata".

John McCain, AP

Sie nannten ihn "vergrößerte Prostata": Kaum ein Fernsehabend vergeht, ohne dass Talkmaster Zoten über John McCains Alter reißen.

(Foto: Foto: AP)

Kollege Jay Leno wiederum, der den Präsidentschaftskandidaten vorige Woche als Gast in seiner Show begrüßte, sagte es McCain gleich ins Gesicht. Scheinheilig entschuldigte sich Leno, dass er vier Tage vor McCains 72. Geburtstag keine Torte aufbieten könne - aber der Brandmeister des Studios habe abgewinkt: "Zu viele Kerzen".

Da hat John McCain herzlich mitgelacht. Wie immer, wenn irgendwer seine am vergangenen Freitag vollendeten 864 Lebensmonate aufs Korn nimmt. Sollte der Senator aus Arizona seinen um 25 Lenze jüngeren Konkurrenten Barack Obama besiegen, er wäre bei der Amtseinführung im Januar 2009 der älteste amerikanische Präsident, der je seinen Eid auf die Verfassung der Vereinigten Staaten leisten durfte.

In Umfragen fällt Wählern zu McCain kein anderes Adjektiv häufiger ein als das Wörtchen "alt". Und jedem vierten Amerikaner erscheint die Zahl 72 schlicht als "zu alt".

Vier Mal Hautkrebs

Der Senior selbst versucht, diese Not in eine Tugend zur verwandeln. Er betont seine Erfahrung. Und er pflegt, um der Skepsis die Spitze zu nehmen, sein eigenes Repertoire an Scherzen.

"Sie haben vergessen zu erwähnen, dass ich es war, der das Volk warnte, dass die Briten im Anmarsch sind", witzelte McCain bei Jay Leno etwa über ein Ereignis anno 1814, da Truppen der ehemaligen Kolonialmacht das Weiße Haus und den Kongress in Brand setzten. Die Selbstironie soll alerte Schlagfertigkeit beweisen - und die Zweifel beim Publikum zerstreuen. Lachen entspannt bekanntlich.

Nur, die Sache ist ernst. Vier Mal schon diagnostizierten Ärzte Hautkrebs bei McCain. Just an seinem Geburtstag am Freitag nominierte er ausgerechnet die nur 44-jährige, in internationalen Krisen unerfahrene Sarah Palin als jene Person, die nur "einen Herzschlag entfernt" von ihm als Vizepräsidentin ins Weiße Haus einziehen soll.

Nun ist die Debatte um McCains Fitness erneut ausgebrochen. Immerhin mussten bisher neun US-Vizes ins Oval Office umziehen, weil der Präsident entschlafen, ermordet worden oder zurückgetreten war.

Peinliche Patzer

Linke Internet-Blogger erinnern daran, dass McCain in letzter Zeit allerlei peinliche Patzer unterlaufen sind. So verwechselte der Vietnam-Veteran etwa Sudan mit Somalia und irakische Schiiten mit Sunniten.

Zudem verweisen Kritiker auf das kürzlich erschienene Buch von Carol Thatcher, der Tochter der ehemaligen britischen Premierministerin. Dort wird beschrieben, wie bei der "Eisernen Lady" im Alter von 75 Jahren die Demenz so fortgeschritten war, dass Margaret Thatcher den Bosnienkrieg mit der Schlacht um die Falklandinseln verwechselte. Wissenschaftler der Duke University kamen vor sechs Jahren zu dem Ergebnis, dass das Durchschnittsalter für den Ausbruch der Alzheimer-Krankheit bei 72 Jahren und acht Monaten liege.

Erst seit dem Wochenende haben die TV-Scherzbolde abgelassen von McCain. Sie blicken nun auf Sarah Palin. David Letterman meint, er habe eine Lösung gefunden, um Palin all die Gerüchte um das uneheliche Kind ihrer Tochter vom Hals zu schaffen: Die Schauspielerin Angelina Jolie sei bereit, das Baby zu adoptieren.

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