Jill Kelley im Zentrum der Petraeus-Affäre:Schön, vernetzt, verschuldet

In Tampa war Jill Kelley bekannt als Gastgeberin glamouröser Partys. Nun ist die Auslöserin des Skandals um den zurückgetretenen CIA-Chef Petraeus ein Medien-Star. Kelley soll Hunderte E-Mails mit General Allen gewechselt haben, deren Inhalt zwischen "Flirt" und "Telefonsex" liegt.

Matthias Kolb, Washington

Jill Kelley, David Petraeus

Jill Kelley war in Tampa bekannt als Gastgeberin glamouröser Partys. Seit enthüllt wurde, dass Kelley Hunderte E-Mails mit General John R. Allen wechselte, deren Inhalt zwischen "Flirt" und "Telefonsex" liegt, ist sie ein Medien-Star.

(Foto: AP)

Aaron Fodiman kann es immer noch nicht fassen. Der Chefredakteur der Hochglanz-Illustrierten Tampa Bay Magazine ist schockiert, dass plötzlich ganz Amerika nach Informationen über seine Freunde Jill und Scott Kelley giert. "Sie ist so anmutig und liebenswert. Sie gehört zu jenen Menschen, die einen Raum betreten und ihn zum Leuchten bringen", sagt Fodiman der Washington Post. Jill Kelley muss gerade erfahren, dass es auch unangenehm sein kann, im Rampenlicht zu stehen, ihr Haus wird derzeit von Fotografen belagert.

Dass sich die US-Medien auf jedes Detail über Jill Kelley stürzen, liegt an ihrer Schlüsselrolle in dem bizarren Beziehungsgeflecht, das zum Rücktritt von CIA-Chef David Petraeus führte und nun auch Untersuchungen über den Vier-Sterne-General John R. Allen ausgelöst hat. Kelley war es, die eifersüchtige Droh-E-Mails von Petraeus' temporärer Geliebten Paula Broadwell erhielt und deswegen einen befreundeten FBI-Mann kontaktierte, der seine Kollegen überzeugen sollte, Ermittlungen aufzunehmen.

Die Washington Post berichtet nun, dass am Anfang womöglich eine anonyme Mail an John Allen stand - der Absender nannte sich "kelleypatrol". Darin wurde der General gewarnt, sich vor der "Verführerin" Kelley in Acht zu nehmen. Diese habe eine "intime Beziehung" mit Petraeus. Allen leitete die Nachricht an Kelley weiter, die später ähnlich lautende E-Mails in dem Postfach vorfand, das sie mit ihrem Mann teilte.

Die Post beruft sich auf eine Kelley nahestehende Quelle, die zudem verriet, dass die E-Mails von vier verschiedenen Absendernamen verschickt wurden - manche aus Internet-Cafés. Trotz des Versteckspiels konnte das FBI die Petraeus-Biografin Paula Broadwell als Quelle identifizieren. Das Wall Street Journal stellt die Sache ähnlich dar - und stützt sich auf einen Vertrauten Allens.

Dass der befreundete FBI-Agent, der die Sache ins Rolle brachte, amouröse Gefühle für Kelley hatte und ihr sogar ein Foto von sich mit nacktem Oberkörper schickte, klingt ebenso nach Seifenoper wie die Tatsache, dass die 37-Jährige unbeabsichtigt die glanzvolle Karriere ihres Freundes David Petraeus beendete.

Üppige Büffets, edle Zigarren, Champagner

Per Zufall, und von Kelley sicher unbeabsichtigt, entdeckten die Agenten bei der Durchsicht ihres E-Mail-Postfachs, dass die dreifache Mutter Hunderte von Nachrichten mit General John R. Allen, dem Oberbefehlshaber der US-Truppen in Afghanistan gewechselt hat. "Das erinnert mich alles an den National Enquirer: Jeden Tag kommt etwas Neues heraus", sagte die sichtbar schlecht gelaunte Dianne Feinstein, Chefin des Geheimdienstausschusses im Senat unter Bezugnahme auf ein bekanntes Klatschmagazin.

Alles begann im sonnigen Tampa, wo Jills Ehemann Scott als angesehener Krebs-Spezialist arbeitete, während seine Frau die drei Kinder aufzog, Galas für das Rote Kreuz sowie auf der MacDill Air Force Base allerlei gesellschaftliche Events organisierte und sich um ausländische Soldaten kümmerte. Hier befindet sich das US-Zentralkommando (CENTCOM), das die Kriege in Afghanistan sowie die Einsätze in Nahost überblickt. Es wurde erst von Petraeus und dann kurzzeitig auch von Allen geleitet. Der Einfluss des USCENTCOM-Chefs ist laut New York Times enorm: Er sei wichtiger als der Bürgermeister von Tampa, da die Militärbasis laut Handelskammer pro Jahr 6,7 Milliarden US-Dollar in die Kassen der Stadt spült.

Jill und Scott Kelley waren oft auf der Luftwaffenbasis zu Gast und luden die hohen Militärs gern zu den rauschenden Festen ein, die sie in ihrer Villa feierten. Laut Washington Post habe Geld bei diesen Galas keine Rolle gespielt: Gäste berichteten von üppigen Büffets, edlen Zigarren, Champagner und für die Musik war ein Streichquartett zuständig. Medienberichten zufolge waren die Feiern Stadtgespräch - unter anderem, weil im Februar 2010 offenbar 28 Polizisten auf Motorrädern das Ehepaar Petraeus zum Anwesen der Kelleys eskortierten. Die Beziehung von Jill Kelley zu den Top-Militärs war so eng, dass manche sie "Generalsgroupie" nannten.

"Danke, Süße!"

"Sie war eine tolle Klientin. Sie hat so viel für das Militär getan und keine Kosten gescheut, damit es den Soldaten gutgeht", sagte Linda Baldwin von der Catering-Firma "Events by Amore" der Tampa Bay Times. Dass Geld bei den Kelleys trotz des exzellenten Rufes ihres Ehemanns, den sie gern "Doctor Kelley" nannte, doch nicht ausreichend vorhanden war, bleibt den Reportern nicht verborgen: Das Ehepaar habe 2,2 Millionen Dollar Schulden gehabt, ihnen drohte die Zwangsvollstreckung. Die Washington Post berichtet zudem von mehreren Zehntausend Dollar, die das Paar laut Gerichtsunterlagen mehreren Banken wegen überzogener Kreditkarten schuldet.

Das Ehepaar schweigt bisher, doch es hat ebenso teure wie kompetente Unterstützung engagiert. Als Anwalt fungiert Abbe Lowell, der etwa den wegen einer Affäre gestrauchelten Ex-Vizepräsidentschaftskandidaten John Edwards vertreten hat, während sich Judy Smith um die Krisen-PR kümmert. Zu Smiths Klienten zählte unter anderem Monica Lewinsky.

Bisher ist lediglich bekannt, dass das Verteidigungsministerium in den E-Mails zwischen General John Allen und Jill Kelley "möglicherweise unangemessene Inhalte" entdeckt habe. Der Schriftverkehr soll mindestens 20.000 Seiten umfassen. Offenbar sind darin Passagen enthalten, in denen "geflirtet" werde. So soll Kelley laut CBS News an Allen geschrieben haben "Ich habe Dich im Fernsehen gesehen, Du sahst toll aus", worauf er erwidert habe: "Danke, Süße!"

Vertraute aus Allens Umfeld bestreiten, dass der General eine außereheliche Affäre hatte (die nach Militärstrafgesetzbuch verboten ist) oder sich falsch verhalten habe - und in dessen Heimatstaat Virginia werden Frauen schnell zu "sweetheart" und Männer zu "dear", wie der Autor bestätigen kann. Anders sieht die Sache bei Fox News aus: Die E-Mails zwischen Allen und Kelley erinnerten an "Telefonsex", berichtet ein Beamter.

David Khawam, Jill Kelleys Bruder, hält es hingegen für ausgeschlossen, dass seine Schwester ihren Mann mit David Petraeus betrogen haben könnte. Khawam, der als Anwalt in New Jersey arbeitet, tritt vor die Kameras, um seine Sicht der Dinge zu erklären: "David und Holly Petraeus waren langjährige Freunde meiner Schwester. Alles war rein platonisch." So seien Jill und ihre Zwillingsschwester Natalie Khawam oft mit Holly Petraeus zum Shoppen oder zum Essen gegangen, wenn David im Ausland war.

Khawam sagt, seine Familie sei extrem patriotisch und deswegen dem US-Militär sehr verbunden. Die Khawams kamen Mitte der siebziger Jahre aus dem Libanon nach Philadelphia, wo die Eltern ein Restaurant namens "Sahara" mit nahöstlicher Küche führten.

Ein Indiz für die enge Beziehung der Familien ist die Tatsache, dass die Kelleys den vergangenen Weihnachtsabend bei Holly und David Petraeus verbrachten. Außerdem schrieb Petraeus vor zwei Monaten einen Brief an ein Washingtoner Gericht, in dem er Natalie Khawam attestierte, dass diese in der Lage sei, das Sorgerecht für ihren vierjährigen Sohn auszuüben. Der zuständige Richter hatte zuvor an Natalies Ehrlichkeit und "mentaler Stabilität" gezweifelt.

Eines scheint jedoch sicher: Paula Broadwell und Jill Kelley haben sich nie persönlich getroffen. Was die Petraeus-Biografin so aufwühlte und eifersüchtig machte, dass sie E-Mails an die vermeintliche Konkurrentin schrieb, ist unklar. Allerdings waren im Internet seit Jahren Bilder von den Kelleys mit dem General zu finden - so posierte der Ex-CIA-Chef für Erinnerungsfotos auch mit den drei Kelley-Töchtern. Der Vater von Paula Broadwell, deren Haus vom FBI durchsucht wurde, orakelt unterdessen in der Boulevardzeitung New York Daily News: "Eigentlich geht es um etwas ganz anderes. Da wird noch viel mehr herauskommen."

Linktipp: Die beste Beschreibung über die Bedeutung des Militärs für das gesellschaftliche Leben in Tampa ist in der New York Times nachzulesen.

Der Autor twittert unter @matikolb

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