Jerusalem-Tagebuch:Krieg und Kichererbsen

Jerusalem, die Stadt des Friedens, ist umkämpft seit Ewigkeiten. Wie die Menschen dort leben, beten und feiern, zeigt das Jerusalem-Tagebuch.

Jerusalem, die Stadt des Friedens, ist umkämpft seit ewigen Zeiten. In der Woche vor dem Oster- und dem Pessachfest zeigen die Fotografin Alessandra Schellnegger und SZ-Korrespondent Peter Münch in einem Tagebuch, wie in dieser Stadt gelebt, gebetet, gefeiert wird. Die erste Folge geht der Frage nach: Wer hat den besten Hummus?

Die Spurensuche führt vom arabischen Ostteil in den jüdischen Westen, in zwei Welten mit einer Vorliebe: Denn ausgerechnet das Kichererbsen-Mus, die panarabische Leibspeise, ist auch von den Israelis zu ihrem Nationalgericht erkoren worden. Der Konflikt im Zeichen der Kichererbse wurzelt - wie alles hier - tief in der Geschichte. Saladin persönlich soll einem Mythos zufolge erst den Hummus erfunden und dann 1187 die Kreuzritter aus Jerusalem vertrieben haben, sagen die einen. Die anderen folgen ein paar sämigen Fährten in der Torah. Klar ist für beide: Der Hummus ist heilig.

Im Gewirr der arabischen Altstadt, im Soq el-Khawajat, in einer Gewölbeküche einige Meter abseits der Touristenpfade: zwei schmucklose Räume mit zusammen nicht einmal 20 Quadratmetern, zehn Tischchen, an denen vom frühen Morgen an nichts als Hummus serviert wird. Seit 58 Jahren tischt hier die Familie al-Kedek auf. Das Bild des verblichenen Gründervaters hängt noch an der Wand, darunter schuften nun seine Söhne Arafat und Karim. "Früher lief's besser", sagt Karim, "da konnten unsere Kunden aus dem Westjordanland noch nach Jerusalem kommen."

Heute sitzen ein paar Touristen an den Tischen und natürlich die Händler aus der Nachbarschaft, die keinen Zweifel daran lassen, dass hier der beste Hummus der Stadt und des Erdkreises gegessen wird - von betörender Cremigkeit, mit göttlichem Olivenöl verfeinert. Das Rezept? "Jeder hat sein Geheimnis", meint Karim al-Kedek.

"Kein kluger Mann verrät, wie er seinen Hummus macht", sagt auch Ariel Benlulu, der in einer Bude namens "Bahaduni" auf dem Mahane-Yehuda-Markt im jüdischen Westteil der Stadt seine Gäste verwöhnt. Ein Trupp Soldatinnen hat sich niedergelassen zum Mahl, die Sturmgewehre auf dem Tisch neben dem Teller. Unter dem Koscher-Zertifikat sitzt ein frommer, schwarz gewandeter Kunde und lobt die Heilkraft des Hummus : "So gesund, so viel Vitamin B."

Küchenchef Benlulu preist die Paste als großen Gleichmacher: "Der Hummus ist ein Essen für alle: für Arme und Reiche, für Alte und für Junge." Doch fragt man ihn, wo es den besten gebe - drüben bei den Arabern oder hier auf der jüdischen Seite -, dann sagt er natürlich: "Unsere Version ist besser, wir haben den Hummus verfeinert."

Außerhalb Jerusalems herrscht übrigens Einigkeit, wo es den besten Hummus gibt: in dem Ort Abu Gosch. Hier wurde einst auch der Hummus-Weltrekord angerührt in einem Vier-Tonnen-Topf - von jüdischen und arabischen Köchen.

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