Jerusalem Konflikt:Trumps Schwiegersohn spielt Weltpolitik

U.S. President Donald Trump passes his adviser and son-in-law Jared Kushner during a Hanukkah Reception at the White House in Washington

Hat Trump die Anerkennung Jeruslamens vorangetrieben? Wohl eher sein Schwiegersohn Jared Kushner. Weil er seine Position retten wollte.

(Foto: REUTERS)

Kritiker werfen Jared Kushner vor, im Nahostkonflikt naiv und mit fragwürdiger Agenda zu agieren. Außerdem gerät er in der Russlandaffäre immer mehr unter Druck.

Analyse von Thorsten Denkler, New York

Palästinensergruppen haben "Tage des Zorns" ausgerufen. Aus dem Gaza-Streifen fliegen wieder Raketen gen Israel. Das Land reagiert mit Luftangriffen. Jared Kushner glaubt aber offenbar immer noch, dass er Frieden in den Nahen Osten bringen kann.

Kushner ist der Schwiegersohn von US-Präsident Donald Trump. Bis vor gut zehn Monaten machte er vor allem in Immobilien. Seit aber Trump im Weißen Haus sitzt, ist er dort einer der wichtigsten Berater des Präsidenten - und zuständig für die großen Themen: Trump hat ihn beauftragt, die Bundesverwaltung zu reformieren, die Drogenkrise im Land zu beenden, Mexiko bei Laune zu halten, die Infrastruktur des Landes zu überprüfen. Und den seit Jahrzehnten tobenden Streit zwischen Israel und Palästina zu beenden.

Letzteres dürfte seit dieser Woche etwas schwieriger geworden sein. Trump hat am Mittwoch dieser Woche Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Jene Stadt also, die auch die Palästinenser für sich beanspruchen. Der Streit ist historisch, ideologisch und religiös so aufgeladen, dass Generationen von Experten, US-Präsidenten und Diplomaten daran verzweifelt sind.

Die erste Frage lautet also: Wie konnte Kushner einen derart radikalen Schritt Trumps zulassen, wenn er ernsthaft einen Friedensplan erarbeiten will?

Im besten Fall hat es etwas damit zu tun, dass sowohl Kushner als auch große Teile seines Teams völlig unerfahren an den Konflikt herangegangen sind. Geradezu naiv, wie manche glauben. Vor einigen Tagen wurde Kushner auf einem Forum für US-amerikanische und israelische Eliten vom israelischen Medien-Milliardär Haim Saban gefragt: "Bei allem Respekt, wie macht ihr das mit eurem Haufen orthodoxer Juden im Team, die keine Ahnung von gar nichts haben?" Und weiter: "Was macht ihr da, Jungs? Ehrlich, ich verstehe das nicht."

Nachdem das Gelächter im Publikum abgeklungen war, antwortete Kushner: "Ich würde definitiv sagen, dass das kein konventionelles Team ist. Aber es ist ein perfekt qualifiziertes Team."

Kushner verrät nicht, für welche Art von Mission sein Team so qualifiziert sein soll. Drei Mitglieder des Teams, Kushner eingeschlossen, sind orthodoxe Juden. Schon das dürfte kein Türöffner in der arabischen Welt sein. Für Argumente halbwegs offen scheint noch der Sonderbeauftragte des Weißen Hauses für Internationale Verhandlungen, Jason Greenblatt zu sein. Er arbeitete zuvor als führender Anwalt und Vize-Präsident in der "Trump Organization", der Holdinggesellschaft für Trumps Geschäfte. Ihm wird immerhin nachgesagt, ein guter Zuhörer zu sein.

Anders als David Friedman, Trumps ehemaliger Insolvenzanwalt. Er ist jetzt Botschafter in Israel - und geriet in dieser Position schnell in die Kritik: Wie könne jemand Botschafter sein, der derart gegen politisch Andersdenkende hetze, der sich als Anwalt der Siedler aufspiele und die geltende US-Politik derart falsch repräsentiere, fragte etwa Ende November die in Israel erscheinende links-liberale Zeitung Haaretz. Wegen seiner Siedlungspolitik ist Israel erst im Dezember 2016 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilt worden.

Kushner selbst soll viel Geld an die umstrittene Siedler-Bewegung gespendet haben. Auch solche Spenden dürften es den Palästinensern schwer machen, Kushner als ehrlichen Makler wahrzunehmen.

Wenigstens gehört Dina Habib Powell noch zu Kushners Team. Sie ist stellvertretende Sicherheitsberaterin im Weißen Haus. Eine in Ägypten geborene koptische Christin. Sie ist die einzige in Kushners Team mit langjähriger diplomatischer Erfahrung. Powell spricht arabisch und hat schon in der Administration von US-Präsident George W. Bush als Referatsleiterin im damals von Condoleezza Rice geführten Außenministerium gearbeitet.

Kushner sei es, der den Plan vorangetrieben habe, Jerusalem anzuerkennen

Allerdings verlässt sie das Weiße Haus nach dem Jahreswechsel, berichtet die Washington Post. Im Einvernehmen, wie es heißt. Kushner soll sich besonders auf Powells Erfahrung gestützt haben. Es könnte schwer werden, einen adäquaten Ersatz für sie zu finden. Im Moment gilt das Weiße Haus nicht als Sehnsuchtsort für talentierte Nahost-Experten.

Ob Powell die Jerusalem-Entscheidung unterstützt hat, ist nicht bekannt. Aber ganz offenbar hat Kushner das getan - und womöglich noch mehr. Das Magazin politico zitiert eine Kushner nahestehende Person: Wer sagt, Kushner hätte Trumps Haltung nur "unterstützt", der würde seine Rolle doch arg unterbewerten. Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis hatten schließlich große Bedenken, Jerusalem jetzt schon als Hauptstadt anzuerkennen. Kushner soll in dem Prozess einer der wenigen Fürsprecher im Weißen Haus gewesen sein. "It was him", es war er, Kushner, der die Anerkennung Jerusalems vorangetrieben habe, vermutet politico deshalb.

Aber warum nur? Warum ohne Not die gesamte arabische Welt gegen sich aufbringen, die doch gerade angefangen hat, erste zarte Verbindungen zur Trump-Administration aufzubauen? Manche vermuten, Kushner wollte beweisen, dass er doch noch Einfluss auf seinen Schwiegervater hat.

Zuletzt war Kushner nämlich in die Defensive geraten. Im Weißen Haus hat seit Juli Stabschef John Kelly das Sagen, der Kushner deutlich weniger Freiheiten lässt als sein Vorgänger Reince Priebus. Der Vier-Sterne-General Kelly fordert Respekt vor den Hierarchien. "Jared arbeitet für mich", soll er mal gesagt haben. Für Kushner dürfte das die maximal mögliche Zurückweisung gewesen sein. Seinen Status als "Erster unter Gleichen" hatte er damit verloren.

Seinen Optimismus offenbar nicht. Kushner setzt angeblich darauf, dass sich die Palästinenser schon bald wieder beruhigen werden. "Wir gehen davon aus, dass es eine Menge vorhersehbarer und schablonenhafter Reaktionen geben wird", sagte ein Mitarbeiter aus dem Weißen Haus gegenüber politico. "Aber wir glauben nach wie vor, dass es in naher Zukunft ein Friedensabkommen geben wird und dass alle Parteien verstehen, welche zentrale Rolle die USA in dem Prozess spielen."

Nach einer kurzen "Abkühlphase" kämen als erstes die arabischen Alliierten wieder runter von ihren Bäumen, heißt es im Weißen Haus. Gemeint sind Staaten wie Saudi-Arabien, die mit den Trump-USA bessere Geschäfte machen als je zuvor.

Darum werde er weiter an seinem Friedensplan arbeiten, soll Kushner Vertrauten gesagt haben. Der Plan solle demnach schon in den ersten Monaten des Jahres 2018 fertig sein. Es soll, geht es nach Schwiegervater Trump, "der ultimative Deal" werden. Angesichts der aktuellen Eskalation dürfte das ein ambitioniertes Vorhaben sein.

Die spannende Frage dürfte in dem Zusammenhang sein, ob Kushner solange noch im Amt ist. Stabschef Kelly wird nachgesagt, er würde Kushner und dessen Frau Ivanka Trump, die auch als Beraterin im Weißen Haus sitzt, lieber heute als morgen feuern. Er hält nicht viel von Vetternwirtschaft. Bisher dementiert Kelly aber derartige Absichten.

Vielleicht ist Kushner demnächst auch ohne Kellys Zutun gezwungen, seinen Job an der Seite von Donald Trump aufzugeben. Er könnte noch tiefer in die Russland-Affäre verstrickt sein, als bisher schon bekannt ist. Vergangene Woche hatte sich Trumps früherer Sicherheitsberater und enger Vertrauter Michael Flynn schuldig bekannt, das FBI über seine Kontakte zu russischen Regierungsvertretern angelogen zu haben. In der sensiblen Übergangsphase zwischen Trumps Wahl und seinem Amtsantritt hat Flynn mit dem russischen Botschafter über das Ende jener Sanktionen gesprochen, die Trumps Vorgänger Barack Obama am 29. Dezember 2016 eingesetzt hatte. Mit den Sanktionen sollte Russland für die aus Obamas Sicht erwiesene Einmischung in die US-Wahl 2016 bestraft werden.

Das allein wäre schon schlimm genug. Flynn gab aber an, dass er nicht auf eigene Faust gehandelt habe, sondern auf Anweisung von oben. Recherchen verschiedener Medien haben ergeben: Die Anweisung soll von Kushner gekommen sein.

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