Jens Spahn:Dosierte Dreistigkeit

151218_ch_2

Staatssekretär mit Zusatzaufgaben: Jens Spahn.

(Foto: Martin Leissl/Bloomberg)

Eine Diskussionsveranstaltung im Finanzministerium mit Speisen und Getränken: Wie ein Staatssekretär sein Münsterländer Vereinsleben organisiert.

Von Nico Fried

Das Münsterland hat sich als Heimat bedeutender Politiker einen Namen gemacht. Jürgen Möllemann lebte hier, dessen liberaler Parteifreund und frühere Gesundheitsminister Daniel Bahr hat sogar in Münster Abitur gemacht. Der wohl bekannteste aktive Politiker aus der Region im nördlichen Westfalen heißt Jens Spahn, ist 35 Jahre alt und sitzt für die CDU im Bundestag.

Für Spahn lief es zuletzt recht gut. Zunächst hatte er sich als kompetenter Gesundheitspolitiker einen Namen gemacht, aber auch schnell begriffen, dass man in einer harmoniesüchtigen Partei wie der CDU mit dosierter Dreistigkeit gut vorankommt. 2014 eroberte er einen Platz im CDU-Präsidium, im Sommer berief ihn Wolfgang Schäuble zum parlamentarischen Staatssekretär im Finanzministerium. Wer Spahn jüngst auf dem Parteitag in Karlsruhe durch die Halle eilen sah, konnte ahnen, dass es selbst für den 1,91 Meter großen Mann mit Schuhgröße 49 nicht einfach ist, mit dem Tempo der eigenen Karriere Schritt zu halten.

So einer muss sich seine Zeit gut einteilen. Daher wechselt Spahn, wenn nötig, auch mal mitten in einer Veranstaltung seine Funktion. Wie ein Jongleur setzt er sich dann einfach einen Hut nach dem anderen auf. Das ermöglicht es ihm ganz nebenbei, die Annehmlichkeiten eines Ministeriums mit den Erfordernissen seines privaten Vereinslebens zu verbinden.

Zum Beispiel so: Am 14. Januar 2016 empfängt der Staatssekretär Spahn die "Freunde des Münsterlandes in Berlin" zu einer Diskussionsveranstaltung im Ministerium. Das ist nicht ungewöhnlich, das Finanzministerium habe einen "sehr aktiven Besucherdienst", heißt es in der Pressestelle. Dabei sei es "nicht unüblich, dass gezielt Gespräche mit konkreten Ministeriumsangehörigen angefragt werden". Im Fall der Münsterländer konnte dem besonders leicht entsprochen werden, denn der Vereinsvorsitzende heißt Jens Spahn und fragte mithin einen Termin bei sich selbst an.

So weit so gut. Wenn der Staatssekretär Spahn am 14. Januar fertig diskutiert hat, wird freilich gleich im Anschluss, quasi mit einem neuen Hut, der Vereinsvorsitzende Spahn die ordentliche Mitgliederversammlung abhalten. Für das leibliche Wohl, heißt es in der Einladung, werde gesorgt. Spahn lässt mitteilen, dass diese Art der Doppelveranstaltung bei den Münsterländern gang und gäbe sei. Man besuche Einrichtungen, in denen Vereinsmitglieder - unter ihnen auch Journalisten - arbeiteten, und halte dort auch die Mitgliederversammlung ab. Keine große Sache, trotz neun Tagesordnungspunkten dauere die Sitzung "erfahrungsgemäß nur 15-20 Minuten".

Die kurze Dauer könnte dazu führen, dass - wie praktisch - die während der Veranstaltung mit dem Staatssekretär vom Steuerzahler bezahlten und von Hausangestellten servierten Speisen und Getränke auch für die Zeit der Mitgliederversammlung reichen. Weitere Formen der Geselligkeit sind jedenfalls laut Einladung nicht vorgesehen, offenbar führt der Münsterländer ein eher freudloses Vereinsleben. Für den Fall, dass es doch anders kommt, lässt Spahn mitteilen, dass alle Kosten der Mitgliederversammlung vom Verein und seinen Mitgliedern getragen würden.

Spahn hat mittlerweile Eindruck zurückweisen lassen, dass die Veranstaltung aus Steuergeldern mitfinanziert würde. Der Geschäftsführer des Vereins, Niklas Werner, erklärte am Samstag gegenüber der Süddeutschen Zeitung, "dass unser Verein bei der Veranstaltung am 14. Januar 2016 alle an diesem Abend anfallenden Kosten für Getränke und Verpflegung übernehmen wird". Dies gelte sowohl für den ersten Teil des Abends, der aus einer Diskussion mit Spahn bestehen soll, wie auch für den deutlich kürzeren Teil der anschließenden formalen Mitgliederversammlung. Dass es sich "um vom Steuerzahler bezahlte und von Hausangestellten servierte Speisen und Getränke" handele, sei "in der Sache falsch", so Werner. Es werde auch nicht serviert, es handele sich vielmehr um Selbstbedienung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: