Jens Böhrnsen:Plötzlich Staatsoberhaupt

Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen ist jetzt auch amtierender Bundespräsident: Nach Horst Köhlers Rücktritt ist einer der unscheinbareren Spitzenpolitiker der Republik sein kommissarischer Nachfolger.

Ralf Wiegand

Es stand, dem Anlass entsprechend, hoher Besuch ins Haus. Zur Eröffnung der Special Olympic National Games, den deutschen Meisterschaften für geistig behinderte Sportler in Bremen, hatte der Erste Bürgermeister Jens Böhrnsen keinen Geringeren als den Bundespräsidenten in die Hansestadt eingeladen. Horst Köhler sollte am 14. Juni die Spiele an der Weser auf den Weg bringen- jetzt kann Böhrnsen den Job gleich selber machen: Nach dem Rücktritt Köhlers ist der SPD-Politiker Böhrnsen als aktueller Präsident des Bundesrats kommissarisch mit den Aufgaben des Bundespräsidenten betraut.

Jens Böhrnsen, Horst Köhler; dpa

Die überraschende Entscheidung Horst Köhlers spült eher zufällig einen der unscheinbareren Spitzenpolitiker des Landes in die größtmögliche Verantwortung: Jens Böhrnsen ist jetzt Päsident.

(Foto: dpa)

Die überraschende Entscheidung Köhlers spült eher zufällig einen der unscheinbareren Spitzenpolitiker des Landes in die größtmögliche Verantwortung. Böhrnsen könnte nun Gesetze ablehnen, Minister entlassen oder gar das Parlament auflösen - sofern das in den kommenden vier Wochen, bis die Bundesversammlung zusammentritt, notwendig werden sollte.

Der 60-jährige gebürtige Bremer leitet in seiner zweiten Amtszeit als Bürgermeister an der Weser die derzeit einzige rot-grüne Regierung der Bundesrepublik, wobei das Regieren im kleinsten Bundesland eher einer Verwaltung des Mangels gleichkommt. Der Zwei-Städte-Staat, gebildet aus Bremen und Bremerhaven, ist extrem hoch verschuldet, gestalterischer Spielraum bleibt für die Politik kaum.

Der Jurist Böhrnsen, seit 2007 verwitwet, steht als Bürgermeister eines Stadtstaats im Rang eines Ministerpräsidenten und trägt daneben noch den ehrenwerten Titel "Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen". Als solcher steht er in einer gewissen hanseatischen Verpflichtung zur Bescheidenheit, zur höflichen Verbindlichkeit, zur Moderation. Über die Stadtgrenzen hinaus kann man damit schwer Karriere machen, doch in den inneren Zirkeln der Politik genießt der stets umsichtige, nie laute, immer beherrschte Böhrnsen großen Respekt. Die Beliebtheit und Popularität seines Vorgängers Henning Scherf erlangte der frühere Richter aber nie.

Horst Köhler hatte seinen kommissarischen Nachfolger am Montagmittag über seinen Rücktritt informiert, Böhrnsen reagierte sofort: "Als Bürger", ließ er mitteilen, mache ihn diese Entscheidung "traurig". Als Politiker habe er sie "mit Respekt" zur Kenntnis genommen. Oft und immer nur zu angenehmen Anlässen sei Köhler zu Gast in Bremen gewesen. Der nächste geplante Besuch fällt nun plötzlich aus.

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