Stellvertreterkrieg im Jemen:Unglückliches Arabien

Shi'ite Muslim rebels hold up their weapons during a rally against air strikes in Sanaa

Schiitische Rebellen in Jemens Hauptstadt Sanaa.

(Foto: REUTERS)

Der Machtkampf zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran reißt mit dem Jemen noch ein Land in den Abgrund. Am Ende werden davon die Terrorgruppen al-Qaida und IS profitieren.

Kommentar von Tomas Avenarius

Jemen gehört zu jenen Ländern, von denen in Europa kaum einer etwas wissen will. Der südarabische Staat gilt als Heimat der Kat-Kauer, die den ganzen Tag an den Blättern einer aufputschenden Pflanze knabbern und darüber das Arbeiten vergessen.

Von Wohlmeinenderen wird die Königin von Saba erwähnt, eine arabische Schönheit, die angeblich beim jüdischen König Salomon vorsprach. Und dann die jemenitischen Lehmhochhäuser, Architektur-Kleinode in den Handy-Speichern weit gereister Individualtraveller oder Studiosus-Bildungsbürger. Letztere werden das Wort von Felix Arabia fallen lassen, dem glücklichen Araberland, das zur Römerzeit mit Zimt, Myrrhe und Weihrauch einen die damalige Welt umspannenden Handel betrieb. Davon abgesehen bleibt Jemen das unwichtige Ende der Welt.

Der Kampf zwischen Riad und Teheran erfasst ein weiteres Land

Dabei gibt es gewichtigere Gründe als Gewürze, Essenzen und die Königin von Saba, Interesse zu zeigen. Jemen wird gerade zum Schlachtfeld. Und zwar zu einem, das den Nahen Osten des 21. Jahrhunderts prägen könnte und Europa interessieren muss. Es ist ein Schlachtfeld, auf dem die Staaten der Region das Sagen haben und nicht mehr die USA und ihre europäischen Verbündeten. Ein Blutacker also, auf dem sich ungehindert von jeder kritischen Öffentlichkeit oder dem Damoklesschwert demokratischer Wahlen jahrelange Abnutzungskriege abzeichnen, mit Fluchtwellen und allem, was dazu gehört. Vorerst einziger Nutznießer dürften die sein, deren Erfolg alle anderen fürchten müssen, sei es im Westen oder im Nahen Osten: al-Qaida und die Miliz Islamischer Staat.

Jemen, das Spielfeld fremder Mächte

Aber der Reihe nach. In Jemen mischen sich die Nachbarstaaten militärisch in einem Land ein, das mit dem Arabischen Frühling von 2011 destabilisiert wurde und seitdem in den Bürgerkrieg abgleitet. Jemen ist mit seinen politischen, ethnischen und religiösen Verwerfungen fast schon vorbestimmt als Spielfeld fremder Mächte.

Eine von Saudi-Arabien geführte arabische Allianz hat sich nun mit Luftangriffen auf die Seite einer de facto gestürzten Regierung geschlagen, die von einer aufständischen Miliz im Handstreich erst aus der Hauptstadt vertrieben und nun ins Arabische Meer getrieben zu werden droht.

Es geht Iran gegen Saudi-Arabien

Dass die jemenitische Ex-Regierung den Sunniten zuneigt und die aufständischen Huthi-Miliz aus Schiiten besteht, sei geschenkt. In diesem Teil der Welt werden alle noch so banalen Konflikte mit religiösen Etiketten versehen. Wichtig ist, dass die Saudis Jemen als Hinterhof begreifen, Angst vor dem aufstrebenden Nachbarn Iran haben und deshalb die proiranischen Huthis stellvertretend in die Flucht schlagen wollen. Iran, wo die Mächtigen einem ähnlichen Nullsummen-Denken anhängen wie die Saudis, muss sich herausgefordert fühlen. Es wird den Huthis jetzt weit mehr Waffen schicken, als sie es bisher getan hatten. Es geht ja gegen die Saudis.

Der seit Jahren köchelnde iranisch-arabische Konflikt findet so in Jemen eine Arena. Er findet aber längst auch andernorts statt. In Syrien unterstützt Teheran die Schiiten-nahe Assad-Diktatur, während die Saudis und die anderen Golf-Araber mit den islamistischen Aufständischen kungeln. In Libanon und im Irak spielen die schiitischen Iraner eine dominante Rolle, zum Leidwesen der Ägypter, Saudis und anderer Sunniten-Staaten.

Der Weltpolizist hat versagt

In diesem Machtkampf zwischen arabischen Sunniten und schiitischen Persern geht es um die Vormacht in der Region. Früher, im Kalten Krieg, haben darüber in herzlicher Feindschaft die USA und die UdSSR entschieden.

Seit dem Ende des vergangenen Jahrtausends hatte der Weltpolizist in Washington freie Hand. Er hat versagt. Nun müssen die USA machtlos zusehen, wie sich die Region ohne sie sortiert. Alle militärischen Ordnungsversuche der Amerikaner wie im Irak sind gescheitert; auch im Krieg gegen den Terror lassen Siege auf sich warten.

Die Saudis fühlen sich von den USA verraten

Die derzeitige US-Regierung versucht sich nun an einem diplomatischen Parforce-Manöver und will Teheran durch die Beilegung des Atomkonflikts für sich einnehmen. Der jahrzehntelang verhasste Mullah-Staat soll nun als Hilfssheriff im Anti-Terror-Kampf gegen die Sunniten-Extremisten von al-Qaida und dem Islamischen Staat dienen und so die Region befrieden.

Das erklärt auch, warum die Saudis und ihre Partner in Jemen eingreifen. Sie sehen sich vom amerikanischen Freund verraten an den persischen Regionalhegemon, wollen ihm Grenzen setzen. Sollten sie scheitern, werden sie in den einzigen Nutznießern eines Jemen-Kriegs einen anderen Bundesgenossen gegen Iran suchen. Al-Qaida und der Islamische Staat werden sich nicht lange bitten lassen.

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