Jean-Claude Juncker:Polit-Junkie mit Humor

Keine Kinder, keine besonderen Hobbies: Jean-Claude Junckers Leben ist die Politik. Mit 28 wurde er Staatssekretär, mit 40 luxemburgischer Premier, mit 59 der erste mehr oder weniger vom Volk gewählte EU-Kommissionspräsident.

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Juncker presser on Luxembourg leaks

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Keine Kinder, keine besonderen Hobbies: Jean-Claude Junckers Leben ist die Politik. Mit 28 wurde er Staatssekretär, mit 40 luxemburgischer Premier, mit 59 der erste mehr oder weniger vom Volk gewählte EU-Kommissionspräsident.

Kaum im Amt sieht sich Jean-Claude Juncker einem Misstrauensvotum des Europaparlaments ausgesetzt. Eine realistische Chance auf Erfolg hat das Vorhaben rechtspopulistischer Abgeordneter allerdings nicht. Hintergrund ist Junckers Vergangenheit als Regierungschef. Anfang November 2014 hatten Journalisten aufgedeckt, dass das Großherzogtum Luxemburg während Junckers Regierungszeit vielen Konzernen half, Steuern zu vermeiden.

EU Council Special Meeting

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Auf dem EU-Gipfel Ende August hatte noch ausgelassene Stimmung geherrscht: Kommissionspräsident José Manuel Barroso (links vorne) scherzt mit seinem Nachfolger Jean-Claude Juncker, hinten stehen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finnlands Premierminister Alexander Stubb.

Europawahl Juncker EU

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Juncker ist der erste mehr oder weniger vom Volk gewählte Präsident der Europäischen Kommission: Die Europäische Volkspartei (EVP) war mit etwa 28 Prozent als Sieger aus der Europawahl hervorgegangen. Die Sozialdemokraten und Sozialisten kamen nur auf 24,5 Prozent. Insofern war es nur folgerichtig, dass der Luxemburger Juncker als Spitzenkandidat der EVP auch das Amt als Kommissionspräsident für sich beansprucht hat. Zwei Tage nach der Wahl erhielt der Luxemburger den Rückhalt der Fraktionsspitzen im EU-Parlament.

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Er hatte den größten Widerstand gegen die Kür von Juncker zum Chef der neuen EU-Kommission geleistet: Der britische Premier David Cameron. Der sagte ganz offen: "Jean-Claude Juncker ist die falsche Person". Via Twitter gab Cameron bekannt, dass er seinen Kollegen beim EU-Gipfel gesagt habe, sie könnten das angewandte Verfahren "noch zu Lebzeiten bereuen".

Auf diesem Archivbild plaudern Cameron und Juncker beim EU-Gipfel im November 2012.

Jean-Claude Junker

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In den Tagen vor dem entscheidenden EU-Gipfel Ende Juni hat sich Jean-Claude Juncker zurückgezogen und vor allem geschwiegen. Am Vortag des Treffens traf er im belgischen Kortrijk mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Volkspartei zusammen. Schon damals zeichnete sich ab, dass neben Cameron nur der Ungar Viktor Orbàn gegen Juncker stimmen würde. So kam es auch: Der Luxemburger bekam in Brüssel 26 Ja-Stimmen.

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In der Politik mischt Juncker seit langem mit: In seiner Heimat Luxemburg wurde er bereits mit 28 Jahren Staatssekretär, zwei Jahre später stieg er zum Minister auf - 1985 leitete er seine erste Ratssitzung in Brüssel als Außenminister. Im Januar 1995 war der studierte Jurist am Ziel: Mit 40 wurde der Konservative Premierminister.

Archivbild aus dem Jahr 1995

WAIGEL UND JUNCKER

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Juncker war lange Zeit in Personalunion auch Finanzminister des Großherzogtums. Gemeinsam mit dem damaligen CSU-Finanzminister Theo Waigel handelte er etwa 1993 den Vertrag von Maastricht aus. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung kokettierte er jüngst: "Der Euro und ich, das sind die letzten Überlebenden von Maastricht."

Das Archivbild zeigt Waigel und Juncker im Januar 1998 in Wildbad Kreuth.

KOHL UND JUNCKER IN TRIER

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Wenn es darum ging, Kompromisse zu finden und Brücken zwischen Deutschen und Franzosen zu bauen, war Juncker stets gefragt. Er spricht beide Sprachen und kennt bis heute alle Akteure - hier beklatscht er Helmut Kohl bei einem Auftritt in Trier im Jahr 1998.

In der SZ wurden die Neunziger Jahre so beschrieben: "Als alle Kraft in Europa noch an der berüchtigten deutsch-französischen Achse hing, brauchten auch die damals Mächtigen ihren Moderator. Also vermittelte das kleine Luxemburg in Person seines Premiers zwischen dem großen Helmut Kohl und dem allmächtigen François Mitterrand. Oder zwischen Kohl und Schäuble. Oder zwischen Mitterrand und Delors. Er ist ein linker Christdemokrat, ein Herz-Jesu-Sozialist, ein Kompromiss-Mensch, ein geschmeidiger Realist."

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Juncker harmonierte sehr gut mit dem CDU-Kanzler Helmut Kohl, doch auch mit SPD-Politiker Gerhard Schröder kam der luxemburgische Premier bestens aus - dieses Foto entstand Ende 1998, kurz nach Schröders Wahl zum Bundeskanzler.

Aachener Karlspreis an Jean-Claude Juncker

Quelle: picture-alliance/ dpa/dpaweb

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Gerade in Deutschland, Frankreich und den Benelux-Staaten galt und gilt Jean-Claude Juncker als überzeugter Europäer und als Brückenbauer. Er erhielt dafür viele Auszeichnungen, 2006 etwa den Internationalen Karlspreis der Stadt Aachen.

Dass sich Juncker für die europäische Einigung und für möglichst viel Integration einsetzte, liegt auch an seiner Familiengeschichte. Sein Vater kam schwer verletzt von der Ostfront zurück - die Nazis hatten ihn zum Kämpfen gezwungen. In einem Porträt über Juncker in der SZ heißt es weiter: "Beim Vater beklagte sich der junge Finanzminister Jean-Claude über eine lange Streitsitzung in Brüssel. Der Vater grub gerade den Garten um und gab ihm eine Lektion mit: Sei froh, dass du in Brüssel über den Haushalt streiten darfst; als ich in deinem Alter war, hat man die Probleme mit Gewehren gelöst."

EU SUMMIT

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Aufnahme von Juni 2000 beim EU-Gipfel in Portugal: Schröder, Tony Blair und Jacques Chirac sind längst abgetreten, nur Juncker (rechts im Bild) ist noch immer da. Das Foto verdeutlicht auch eines von Junckers Problemen: Der Luxemburger mischt schon lange mit, war jahrelang Chef der Euro-Gruppe und ist zweifelsohne erfahren. Der Euro gehört zu seinem Lebenswerk. Doch er verbreitet wenig Aufbruchstimmung. Juncker gilt als Polit-Junkie: Er hat keine Kinder, keine Enkel und keine besonderen Hobbies.

Luxembourg elections

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2013 wurde für Juncker zum Jahr des Rückzugs: Im Januar legte er sein Amt als Chef der Euro-Gruppe nieder. Wenige Zeit später, im Juli, trat er wegen einer Geheimdienstaffäre als luxemburgischer Premier zurück (Details dazu hier). 18 Jahre lang hatte er durchregiert und war damit dienstältester Ministerpräsident in der Europäischen Union. Im November 2013 übernahm Xavier Bettel von der "Demokratesch Partei" Junckers Nachfolge.

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Der 59-Jährige ist für seinen spöttischen Humor und seine Schlagfertigkeit bekannt - und dass er sich selbst nicht immer ernst nimmt, wie dieses Foto aus dem Jahr 2012 beweist. Kostproben gefällig? Auf die Frage der FAZ, was er als EU-Kommissionspräsident als erstes machen wolle, antwortete er: "Erst mal schlafen." Und als er im TV-Duell der ARD sagen sollte, was er im Falle einer TTIP-Einigung gegen die amerikanischen Chlor-Hühnchen tun wolle, sagte er: "Die Hühner wollen das auch überhaupt nicht."

Europawahl - Wahlkampf Jean-Claude Juncker

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Doch eigentlich hat sich Jean-Claude Juncker Großes vorgenommen. Nach eigenen Angaben will er sich vor allem dafür einsetzen, dass die Volkswirtschaften in Europa wieder wachsen, damit Armut verringert werde und mehr Wohlstand entstehe. Er fordert "harmonisierte Mindestsätze bei Betriebsbesteuerung, aber ansonsten Wettbewerb". Der Luxemburger verteidigt das Freihandelsabkommen TTIP, das die EU mit den USA abschließen will. Seiner Meinung nach führt es dazu, dass die Europäer mehr Geld zur Verfügung hätten - und er verspricht, dass die sozialen Standards nicht abgesenkt würden. Einen EU-Beitritt der Türkei hält er für undenkbar ("Wer Twitter verbietet, der ist nicht beitrittsfähig").

Gleichzeitig plant Juncker den größten Umbau der Kommission seit ihrer Gründung, die mächtige Behörde soll sich künftig um EU-Kernprojekte kümmern, entsprechend wird das Kommissarskollegium organisiert.

Unser Bild zeigt Juncker bei einer Veranstaltung, die im Mai 2014 in einem Cafe eines Berliner Mobilfunkladens stattfand. Warum das Wort "Wahnsinn" eingeblendet wurde, ist unbekannt.

© Süddeutsche.de/mati/hai/rus/fran/mike/sks
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