Japan:Der andere Prinz

Japanese Prince Mikasa waves to well-wishers during a public appearance for a New Year celebration at the Imperial Palace in Tokyo

Er sagte über die Rolle seines Landes im Zweiten Weltkrieg, was Japans Kaiserhaus nicht aussprechen konnte oder wollte: Orient-Wissenschaftler und Kaisersohn Prinz Mikasa.

(Foto: Reuters)

Mit 100 Jahren ist der letzte Onkel von Japans Kaiser gestorben. Mikasa diente in der Armee als Major, sah die Gräuel des Krieges - und sprach dann aus, was keiner wagte.

Von christoph neidhart, Tokio

Er wurde einhundert Jahre alt, und er war eine Stimme für den Frieden. Und anders als Japans Kaiser durfte sich Prinz Mikasa, der letzte Onkel des Tenno, auch frei äußern. "Bis heute habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich die Kriminalität des Krieges nicht in ihrem vollen Umfang erkannte", schrieb er 1984. Am Donnerstag ist der Prinz einem Herzinfarkt erlegen.

Der mit dem Namen Takihito geborene vierte Sohn von Kaiser Yoshihito absolvierte wie seine Brüder die kaiserliche Militärakademie und wurde Offizier. Zur Volljährigkeit verlieh ihm sein 15 Jahre älterer Bruder, Kaiser Hirohito, den Titel "Prinz Mikasa". Hirohito hatte schon 1926 die Nachfolge des verstorbenen Vaters angetreten, da war Takihito ein Jahr alt. Im Zweiten Weltkrieg diente er unter Pseudonym ein Jahr als Major in China. "Schon damals hatte ich allen Glauben an den heiligen Krieg verloren, das einzige, was ich wollte, war Frieden", schrieb er später. Nach seiner Rückkehr im Winter 1944, noch während des Krieges also, setzte er einen verheerenden Bericht über die Gräuel der kaiserlichen Armee auf.

Er hatte gesehen, wie Nippons Soldaten den Bajonettkampf an chinesischen Gefangenen übten. Der Generalstab unterdrückte den Report von Prinz Mikasa und ließ alle Kopien vernichten. Eine blieb aber erhalten, sie tauchte 1994 auf. Im ersten Nachkriegsjahr drängte der Prinz, so Hirohito-Biograf Herbert Bix, seinen Bruder Hirohito, die Verantwortung für den Krieg zu übernehmen und abzudanken. Japans Armee hatte ihre Aggressionskriege in seinem Namen geführt, er hatte alle wichtigen Entscheidungen mindestens gebilligt. Hirohito verzichtete zwar auf seine Göttlichkeit, blieb aber bis zu seinem Tod 1989 Kaiser.

Prinz Mikasa hingegen wandte sich der Wissenschaft zu, machte sich als Orientalist und Experte für semitische Sprachen einen Namen. Er sprach perfekt Hebräisch und war ein häufiger Gast in der kleinen jüdischen Gemeinde Tokios. Als Professor lehrte er an mehreren Universitäten.

Der Prinz, bis zuletzt als Nummer fünf ein möglicher Thronfolger, lässt die 93-jährige Prinzessin Yuriko zurück, mit der er 75 Jahre lang verheiratet war. Das Paar hatte drei Söhne, von denen keiner mehr lebt, und zwei Töchter, die ihren Adel mit der Heirat aufgaben. Die älteste Tochter, die heute 72 Jahre alte Yasuko, ist die Gattin von Tadateru Konoe, dem Präsidenten der "Internationalen Föderation der Rotkreuz-Gesellschaften" und des japanischen Roten Kreuzes. Der wiederum ist das 50. Oberhaupt der Konoe-Familie, die ihren Adel bis aufs Jahr 614 zurückführte, aber 1945 auf Befehl der Amerikaner wie alle japanischen Aristokraten außer der Kaiserfamilie Titel und Privilegien aufgeben musste.

Premier Shinzo Abe ließ nun eine Kondolenznote verlesen, der Prinz habe seinen Bruder und den Kaiser Akihito unterstützt, zu Frieden und Wohlbefinden des Volkes beizutragen. Abe hatte es sehr widerwillig zur Kenntnis genommen, als Akihito, 82, im Sommer seinen Wunsch äußerte, abzutreten.

Nun erspart der Todesfall Akihito zumindest einen Termin. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte ist in Tokio, und eigentlich gehört zu Staatsbesuchen eine Audienz beim Kaiser. Medienberichten zufolge befürchtete Japans Regierung, der ungehobelte Duterte würde sich nicht ans Protokoll halten. Prinz Mikasas Tod erlaubte es dem Hofamt nun, die Audienz abzusagen.

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