James Comey im US-Fernsehen:"Trump ist moralisch ungeeignet für das Amt des Präsidenten"

Der von Trump gefeuerte Ex-FBI-Chef James Comey spricht erstmals seit seinem Rauswurf im US-Fernsehen. Und erstmals in der jüngeren Geschichte teilt ein ehemaliger FBI-Chef so kräftig gegen einen amtierenden US-Präsidenten aus.

Von Thorsten Denkler, New York

Donald Trump hat offenbar den ganzen Sonntagmorgen über auf Twitter verbracht. Sein Thema: James Comey, der vor knapp einem Jahr von ihm gefeuerte Ex-FBI-Chef. Der "aalglatte" Comey sei "nicht klug", bringe nichts richtig zu Ende, sei ein "Schleimbolzen" und werde als "schlimmster" FBI-Chef aller Zeiten in die Geschichte eingehen. Wobei Trump "schlimmster" in Großbuchstaben schreibt. Fünf Tweets widmet er Comey. Seine Verzweiflung muss groß gewesen sein. Er konnte Comey feuern. Aber er kann ihm nicht den Mund verbieten.

Am Sonntagabend sprach Comey dann erstmals seit seinem Rausschmiss im US-Fernsehen. Der Sender ABC hat das fünfstündige Interview auf eine Stunde zusammengefasst ausgestrahlt. Trump hatte sich den Termin offenbar vorgemerkt.

In dem Interview offenbart Comey nichts, was er nicht auch in seinem Buch beschreibt, das am Dienstag erscheint. Aber es ist nicht übertrieben, zu sagen, dass sich selten zuvor ein ehemaliger FBI-Chef über einen amtierenden Präsidenten öffentlich derart kritisch ausgelassen hat.

Am härtesten teilt er gegen Ende der Sendung aus. "Ist Trump ungeeignet für das Amt des Präsidenten?", fragt ihn ABC-Anchor George Stephanopoulos. Comeys erste Antwort ist ein klar und deutlich vernehmbares "Ja!". Ein "Ja!", das irgendwo in den Bergen mannigfach Wiederhall gefunden hätte.

Aber Comey differenziert danach. Trump sei nicht ungeeignet in einem medizinischen Sinne. Er glaube nicht an die Gerüchte, Trump leide an Demenz oder sei mental irgendwie beschädigt. Er meint es anders: "Ich glaube, Trump ist moralisch ungeeignet für das Amt des Präsidenten." Wäre Trump auf der Anklagebank und Comey der Staatsanwalt, dann würde sich eine geistige Störung strafmildernd auswirken. Unmoralisch zu sein aber ist kein Grund, nicht als voll schuldfähig anerkannt zu werden.

Comey kenne Leute wie Trump noch aus Zeiten, da er als Staatsanwalt die New Yorker Unterwelt aufmischte. Als er Trump erstmals im Trump Tower in New York persönlich begegnet sei, kurz nach dessen Wahlsieg, da sei ihm das Treffen wie die Versammlung einer Mafia-Familie vorgekommen, sagt er. Mit Trump als Mafia-Boss an der Spitze.

"Ich sage nicht, dass Trump rausgeht und Leuten die Beine bricht oder von Ladenbesitzern Schutzgeld abpresst", sagt Comey. Aber seine Erfahrungen mit der Trump-Administration hätten ihn stets an die Führungskultur in Mafia-Zirkeln erinnert. Die bedingungslose Loyalität dem Boss gegenüber, der Boss als das Zentrum von allem. "Es geht nur darum, dem Boss zu dienen, so, dass es zu seinem Vorteil ist", sagt Comey. Und nicht darum, was das Beste für das Land wäre oder welche Werte dabei berücksichtigt werden müssten.

Damals bat er Trump, ihn unter vier Augen sprechen zu können. Comey wollte ihn über ein bis dahin geheimes Dossier des früheren britischen Spions Christopher Steele unterrichten, das dem FBI zugänglich gemacht wurde. Darin heißt es unter anderem, Trump habe Prostituierte in einem Moskauer Hotel auf jenes Bett urinieren lassen, in dem bereits sein Vorgänger Barack Obama geschlafen haben soll.

So explizit sei er zwar in dem Gespräch nicht geworden, sagt Comey im ABC-Interview. Aber er habe Trump genug erzählt, um im Bilde zu sein. Trump habe ihn schnell unterbrochen und umgehend begonnen, alles abzustreiten. "Sehe ich aus wie jemand, der Huren braucht?", soll er Comey gefragt haben.

Amtsenthebung für Trump? Der falsche Weg, sagt Comey

Dabei ging es lediglich darum, ihn über die Vorwürfe zu informieren, die schließlich auch in der Presse landeten. Nicht darum, ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Und glaubt Comey an Trumps Dementi? "Ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals sagen würde, aber ich kann nicht sagen, ob es wahr ist. Es ist möglich, aber ich weiß es nicht." Sein Gesicht verrät: Er glaubt Trump kein Wort.

Für Comey ist Trump ein "notorischer Lügner". Jemand, für den die Wahrheit "nicht von besonderem Wert ist". Allein während seines zweiten Treffens mit Trump, einem Vier-Augen-Dinner im Weißen Haus kurz nach der Amtsübernahme, habe ihm dieser Lüge um Lüge aufgetischt.

Etwa, dass er sich nie über einen körperbehinderten Reporter der New York Times lustig gemacht habe - wovon es Videoaufnahmen gibt. Oder, dass Trumps damaliger Stabschef Reince Priebus nichts über das Treffen mit Comey wisse. Was er natürlich tat. Oder, dass die Menschenmenge am Tag seiner Amtseinführung größer gewesen sei, als jene bei Obamas Amtseinführungen.

"Das ist schlicht nicht wahr. Da gibt es keine unterschiedliche Perspektive oder eine andere Sicht. Das ist einfach nur eine Lüge", sagt Comey.

Sein drittes Treffen mit Trump Mitte Februar 2017 muss Comey endgültig in dem Gedanken bestärkt haben, dass Trump in diesem Amt nichts zu suchen habe. Am Tag zuvor hatte Trump seinen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn zurücktreten lassen, weil der über seine Kontakte zu russischen Regierungsvertretern gelogen hatte. Trump schickte nach einem Treffen mit Vizepräsident Mike Pence, Justizminister Jeff Sessions und den Chefs der Geheimdienste alle bis auf Comey aus dem Oval Office.

Comey erklärt auf ABC, wie verwundert er darüber war. Sessions war damals immerhin sein Chef. Was sollte Trump mit ihm besprechen wollen, was er nicht eigentlich mit Sessions oder zumindest mit ihm und Sessions besprechen müsste? Die Antwort: Trump forderte den FBI-Chef nach Comeys Erinnerung auf, die Ermittlungen gegen Flynn einzustellen.

Comey hat diese Episode bereits nach seinem Rauswurf Anfang Mai 2017 öffentlich gemacht. Seitdem steht die Frage im Raum, ob sich Trump der Behinderung der Justiz schuldig gemacht haben könnte. Trump bestreitet das. Er habe nie von Comey verlangt, die Ermittlungen einzustellen. Comey erinnert sich an den Satz von Trump so: "Ich hoffe, Sie können das gehen lassen." Trumps "Ich hoffe" hat Comey als Anweisung aufgefasst. Der er aber nicht nachgekommen ist.

Hat Trump die Justiz behindert?, fragt ihn Stephanopoulos. "Möglich", antwortet Comey vorsichtig. Aber es gebe "deutliche Hinweise" in diese Richtung.

In einem aber ist sich Comey sicher: Trotz allem findet er nicht, dass Trump mit einem Amtsenthebungsverfahren aus dem Präsidentensessel geholt werden sollte. Er will, dass das amerikanische Volk an der Wahlurne über Trump urteilt. Er sagt nicht, welches Ergebnis er sich erhofft. Aber das dürfte nach diesem Interview nicht schwer zu erraten sein.

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