Jamaika-Koalition:Das Finanzministerium zu spalten, würde Deutschland schwächen

Der neue Finanzminister Olaf Scholz holt mit Jörg Kukies einen umstrittenen Staatssekretär ins Haus.

Das Finanzministerium in Berlin: In der Union gibt es Pläne, den Zuschnitt der Behörde zu verändern, sollte ein FDP-Politiker Schäubles Nachfolger werden.

(Foto: imago stock&people/imago/Schöning)

Das aber erwägt die Union, damit die Euro-Politik nicht in die Hände der FDP fällt. Ohne Vertrauen wird nichts aus der Jamaika-Koalition.

Kommentar von Ulrich Schäfer

Eigentlich sind Sondierungsgespräche dazu da, Vertrauen aufzubauen. Doch die vier Parteien, die in Berlin gerade über eine Jamaika-Koalition verhandeln, tun sich damit noch erkennbar schwer. Daraus sollte man nicht folgern, dass die Gespräche scheitern werden; aber am Ende könnten im Koalitionsvertrag absonderliche Dinge stehen, mit denen die Differenzen zugekleistert werden.

Absonderlich wäre es zum Beispiel, wenn die Union darauf bestehen sollte, das Bundesfinanzministerium aufzuspalten: in ein Ressort für Haushalt und Steuern - und in eines für den Euro und die internationalen Finanzmärkte, welches man dann einem Super-Wirtschaftsministerium zuschlagen würde. In der Union, schreibt der Spiegel, wird dies erwogen für den Fall, dass die FDP tatsächlich den Nachfolger von Wolfgang Schäuble stellen will.

Schäuble war vor allem ein Euro- und Rettungspolitik-Minister. Er hat mit den Griechen gerungen, mit seinen anderen Euro-Kollegen, er hat den europäischen Rettungsfonds namens ESM mit auf den Weg gebracht. Der FDP dagegen hat in der Westerwelle-Ära unter Finanzpolitik vor allem eines verstanden: die Steuern zu senken, gerade für Besserverdiener. Von Christian Lindner hört man dazu wenig. Er will den Soli abschaffen, ja, aber in erster Linie für niedrige und mittlere Einkommen. Stattdessen begründet er den Anspruch, den die Liberalen aufs Finanzministerium erheben, insbesondere mit der Euro-Politik.

Es wäre nicht sehr weise, das Finanzministerium aufzuspalten

Genau das aber macht viele in der Union misstrauisch. Denn die Liberalen fordern eine Abkehr von der bisherigen Linie. Lindner und die Seinen sind, wenn es um eine aktivere Wirtschaftspolitik geht, wie sie viele EU-Staaten fordern, weniger generös als die Kanzlerin - und weit weniger generös als deren wichtigster europäischer Verbündeter, der französische Präsident Emmanuel Macron. In der Union fragen sich daher viele: Kann es gutgehen, wenn ein FDP-Finanzminister ständig dies und die CDU-Kanzlerin ständig jenes in Europa durchsetzen will?

Dennoch wäre es nicht sehr weise, das Finanzministerium aufzuspalten. Denn dann säße künftig der Wirtschaftsminister mit am Tisch, wenn die Euro-Gruppe über die Währungsunion berät: eine in Europa eher ungewöhnliche Lösung; er müsste für alles, was in der EU in Haushaltsfragen beschlossen würde, daheim Rücksprache halten - das schwächt Deutschlands Verhandlungsmacht.

Deshalb bleibt den Jamaika-Koalitionären nur eines: Sie müssen reden, reden, reden - hinter verschlossenen Türen, und nicht auf Twitter. Sie müssen jenes Vertrauen schaffen, das noch fehlt, und das geht nur, wenn sie von eigenen Positionen mutig abrücken und auf die andere Seite zugehen. Wenn die Union aber erreichen will, dass die Liberalen auf das Finanzministerium verzichten, dann wird sie dafür einen überdurchschnittlich hohen Preis bezahlen und der FDP an viel mehr Stellen entgegenkommen müssen, als ihr das lieb sein kann. Lindner ist das natürlich bewusst, und er wird es ausnutzen.

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