Finanzministerium:Haushaltsüberschüsse eröffnen Jamaika-Sondierern neue Spielräume

Fortsetzung der Sondierungsverhandlungen

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU, links im Bild) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unterhalten sich am 01.11.2017 in Berlin während der Sondierungsverhandlungen.

(Foto: dpa)
  • Das Bundesfinanzministerium rechnet mit einem deutlichen Überschuss für das laufende Haushaltsjahr - nach neun Monaten sind es bislang 12,7 Milliarden Euro.
  • Somit steht den Sondierern einer möglichen Jamaika-Regierung mehr Geld für ihre Pläne zur Verfügung als gedacht.
  • Zehn Prozent der Einnahmen sollen zukünftig in Bildung und Forschung gehen, zudem soll der Wohnungsbau gestärkt werden.

Von Cerstin Gammelin, Kristiana Ludwig und Mike Szymanski, Berlin

Während die Sondierer eines möglichen Regierungsbündnisses aus CDU, CSU, FDP und Grünen noch vorsichtig gemeinsame Ziele abstecken, gab es am Mittwoch konkrete Zahlen aus dem Bundesfinanzministerium, die zeigen, wie groß der finanzielle Spielraum ist: Danach haben die 16 Bundesländer nach den ersten neun Monaten des laufenden Jahres einen Überschuss von 12,7 Milliarden Euro in den Haushaltskassen.

Für die Sondierer ist das eine gute Nachricht, denn die Überschüsse in den Länderhaushalten lassen Spielraum für geplante Steuersenkungen erkennen, bei denen auch die Länder auf Einnahmen verzichten müssten, etwa bei der Einkommensteuer. Bund und Länder erhalten je 42,5 Prozent der Einkommensteuer, 15 Prozent gehen an die Gemeinden.

Alle Länder außer Nordrhein-Westfalen schreiben tiefschwarze Zahlen. Die Einnahmen der Länder verbesserten sich im Vergleich zum Vorjahr dank guter Konjunktur und Rekordbeschäftigung um 6,3 Prozent, die Ausgaben legten nur um 2,8 Prozent zu. Im Länderdurchschnitt gehen zwei Drittel aller Einnahmen auf Steuerzahlungen zurück, wobei die westdeutschen Flächenländer deutlich mehr Steuern einnehmen als Stadtstaaten oder ostdeutsche Flächenländer. "In Anbetracht der günstigen Haushaltsentwicklungen kann für das laufende Haushaltsjahr von einem Überschuss ausgegangen werden", schreibt das Bundesfinanzministerium. Kommenden Mittwoch wird dann endgültig Gewissheit darüber bestehen, wie viel Geld die neue Bundesregierung zur Verfügung haben wird. Dann legen die Steuerschätzer ihre Kalkulationen für die nächsten vier Jahre vor.

Gemeinsame Ergebnisse bei Bildung, Internet und Wohnungsbau

Pläne machten die möglichen Jamaika-Parteien auch wieder am Mittwoch, als sie in Berlin ihre Sondierungen fortsetzten. Union, FDP und Grüne wollen im Fall einer Jamaika-Koalition den Wohnungsbau voranbringen und die Kommunen stärken. Die Parteien seien sich einig, dass mehr Wohnungen entstehen müssten und es starke Kommunen brauche, sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann: "Wir sind uns einig, dass wir starke Kommunen wollen in Ost und West, und dass wir dafür einiges tun wollen", sagte der Grünen-Politiker. "Das war schon ein ziemlicher Konsens."

Bereits am Montag verständigten sich die Partner darauf, künftig zehn Prozent des Bruttosozialprodukts in Schulbildung, Weiterbildung, Hochschulen und Forschung zu stecken - zum Beispiel sollen mehr Studenten die Möglichkeit erhalten, Bafög zu beantragen. Auch das föderal bezahlte Bildungssystem steht zur Diskussion: "Über die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen" in der Bildung müsse "noch gesprochen werden", heißt es im gemeinsamen Papier.

Die vier Parteien wollen zudem über einen "flächendeckenden Breitbandausbau in Gigabitgeschwindigkeit bis 2025" sprechen und darüber, wie sie Mobilfunklöcher schließen und Start-ups fördern. Die Verhandler verständigten sich darauf, dass die Sicherheitsbehörden im Land besser zusammenarbeiten und mehr Mitarbeiter bekommen sollen.

"Verschiedene Vorstellungen und Modelle" zur Rente

Im Bereich Arbeit und Gesundheit würde eine Jamaika-Regierung möglicherweise Steuergeld nutzen, um die Beiträge zu den Sozialversicherungen niedrig zu halten. Und auch die Arbeitsbedingungen in Pflegeheimen sollen sich bessern, etwa durch ein Sofortprogramm oder Steuergeld für bessere Löhne, schreiben die Unterhändler.

Für eine auskömmliche Rente "gibt es verschiedene Vorstellungen und Modelle", schreiben die Parteien. Hier gehen die Vorstellungen noch weit auseinander: Die CSU fordert eine Ausweitung der Mütterrente, die Grünen sind dagegen und fordern stattdessen eine Garantierente für Menschen, die lange gearbeitet haben. Das CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn fordert ein Ende der Rente mit 63. Er war dafür auch aus den eigenen Reihen teils scharf kritisiert worden. Die FDP will ein flexibleres Renteneintrittsalter. Die Abschaffung der doppelten Strukturen aus privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen, mit der die Grünen in den Wahlkampf gezogen waren, taucht als eine Idee zur Finanzierung auf: "Modell einer Bürgerversicherung oder Weiterentwicklung des Dualen Systems".

Reden wollen die Parteien auch über die Legalisierung von Cannabis. Eines der wichtigsten verbraucherpolitischen Themen hatten die Fraktionen bereits am Montag angesprochen. Auf einem Einigungspapier zu den Themen Innen, Sicherheit und Rechtsstaat findet sich auch "die Frage von kollektivem Rechtsschutz". Bislang hatte die Union verhindert, dass in Deutschland die Möglichkeit einer Sammelklage geschaffen wird, damit sich Kunden gegen betrügerisch handelnde Unternehmen wie Volkswagen wehren können.

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