Gedenken an Srebrenica-Massaker:Weiß ist die Farbe der Trauer

Zehntausende gedenken im bosnischen Srebrenica der mehr als 8000 Opfer des Völkermords. Auch 15 Jahre nach dem Massaker herrschen Trauer, Wut und Fassungslosigkeit.

Weiß ist die Farbe der Trauer der Muslime. Mehr als 40.000 Menschen sind nach Srebrenica gekommen, trotz brütender Hitze und Verkehrschaos. Auch 15 Jahre nach dem Völkermord im ostbosnischen Srebrenica, bei dem mehr als 8000 muslimische Männer und Jugendliche von bosnisch-serbischen Truppen ermordet wurden, herrschen Trauer, Entsetzen, Fassungslosigkeit.

Gedenken an Srebrenica-Massaker: Trauer und Entsetzen: Mehr als 40.000 Menschen erinnerten in Srebrenica an die Opfer des grausamen Völkermords.

Trauer und Entsetzen: Mehr als 40.000 Menschen erinnerten in Srebrenica an die Opfer des grausamen Völkermords.

(Foto: ap)

775 erst jüngst identifizierte Opfer werden an diesem Sonntag bei der Gedenkveranstaltung zur Erinnerung an das Massaker vom 11. Juli 1995 beigesetzt. Die beiden Jüngsten waren gerade einmal 14 Jahre alt, der Älteste 78. Die Särge, die in langen Reihen stehen, sind mit grünen Leinentüchern bedeckt.

Das dunkelste Kapitel

Das von den Vereinten Nationen als Völkermord bezeichnete Verbrechen ist das dunkelste Kapitel aus der Zeit des Zerfalls des früheren Jugoslawiens in den 1990er Jahren und das schlimmste Kriegsverbrechen seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

An den ausgeschachteten frischen Gräbern hocken Tausende Frauen in langen Gewändern und mit Kopftüchern in Weiß, der Trauerfarbe der Muslime. Die Sonne brennt am Sonntagmittag vom Himmel. Die Menschen versuchen, sich mit bunten Schirmen zu schützen. Viele suchen während der Begräbniszeremonie Abkühlung am zentralen Brunnen im Eingangsbereich.

Schon vor Beginn der Gedenkfeier wurden die Trauernden auf eine harte Probe gestellt. Erst quälte sich eine unübersehbare Kolonne mit Bussen durch das Verkehrschaos, dann brach das Stromnetz zusammen.

Traurig und erschütternd war der Vortrag des "Srebrenica-Gedichts", in dem der Sprecher einen Dialog mit seinem toten Bruder führt.

16.000 Schuhe in Berlin

Doch Staatstrauer und TV-Sonderprogramme gibt es heute nur in einer Hälfte Bosniens. In der serbischen Landeshälfte erinnert nichts an das Massaker. Während der Gedenkfeier wird im Fernsehen das WM-Fußballspiel Deutschland-Uruguay wiederholt. Die dortigen Serben bestreiten bis heute den Völkermord, der sogar vom Internationalen Gerichtshof als der höchsten weltweiten Justizinstanz festgestellt worden war.

Mahnmal für Srebrenica-Opfer

Ein riesiger Berg an Schuhen ist vor dem Brandenburger Tor in Berlin aufgetürmt worden. Auch in der deutschen Hauptstadt wurde an die 8000 Opfer des Massakers erinnert.

(Foto: dpa)

"Diejenigen, die den Völkermord in Srebrenica in Frage stellen haben keine Zukunft und sind nicht Teil unserer Zivilisation", donnert denn auch der internationale Bosnien-Beauftragte Valentin Inzko. Doch auch er weiß durch seine tägliche Arbeit nur zu gut, dass die Kriegswunden noch lange nicht geheilt sind. Muslime und Serben stehen sich nach wie vor misstrauisch, ablehnend, manchmal sogar feindlich gegenüber.

Vor den nächsten Wahlen Anfang Oktober machen Politiker auf beiden Seiten ihren Völkern schon wieder mit Warnungen vor einem neuen Krieg Angst. Mehr als 4500 Opfer des Massakers liegen seit Sonntag auf dem Gedenkfriedhof. Mehrere tausend fehlen noch. Die Serben hatten die mehr als 8000 Opfer mit Baggern und Raupen aus den ursprünglichen Massengräbern wieder herausgeholt und auf viele neue Gräber verteilt. So sollten Spuren verwischt werden. Viele von ihnen dürften für immer verschollen bleiben.

Tausende weiße Leichensäcke aus Plastik liegen aber noch vor den Gerichtsmedizinern und Forensikern zur Identifizierung - aus Srebrenica und von anderswo.

Auch in Deutschland wurde der Opfer des Massakers gedacht. Mit einem Mahnmal, bestehend aus etwa 16.000 Schuhen, wurde in Berlin an die Toten erinnert. Die Schuhe, die als "Säule der Schande" vor dem Brandenburger Tor aufgetürmt wurden, stehen für die mehr als 8000 ermordeten muslimischen Männer und Jungen.

Zu der Gedenkveranstaltung in Berlin kamen nach Angaben der Organisatoren mehrere hundert Menschen - darunter auch einige Betroffene, die damals zahlreiche Angehörige verloren hatten.

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