Jahrestag des Massakers:Serbiens Premier von Gedenkfeier in Srebrenica vertrieben

  • Demonstranten haben Serbiens Regierungschef Vučić von der Gedenkfeier des Massakers im bosnischen Srebrenica vertrieben.
  • Die Versöhnungsgeste des Premiers war hoch umstritten; Vučić machte vor 20 Jahren Stimmung gegen die Muslime.
  • Serbiens Regierung weigert sich, das Massaker von 1995 als Völkermord zu bezeichnen.
Protestbanner in Srebrenica mit einem Zitat des heutigen serbischen Ministerpräsidenten: "Wenn ihr einen Serben tötet, töten wir 100 Muslime." (Foto: REUTERS)

Serbiens Premier angegriffen

Aufgebrachte Demonstranten haben den serbischen Ministerpräsidenten Aleksandar Vučić im bosnischen Srebrenica von der Gedenkfeier zum 20. Jahrestag des Massakers vertrieben. Vučić wurde von den Demonstranten ausgebuht und so massiv bedrängt, dass er den Gedenkort verlassen musste. Augenzeugen zufolge wurde er auch mit Steinen und anderen Gegenständen beworfen.

Massaker von Srebrenica
:An der Wahrheit führt kein Weg vorbei

Vor fast 20 Jahren töteten bosnische Serben Tausende Muslime in Srebrenica. Bis heute scheitert Serbien an der Aufgabe, das Massaker als Völkermord anzuerkennen.

Kommentar von Nadia Pantel

Der Unmut der Besucher der Trauerfeier entlud sich, nachdem Vučić einen Kranz im Gedenkzentrum von Potočari abgelegt hatte, dem sechs Kilometer von Srebrenica entfernten Ort des Massakers. Aus der Menge seien Pfiffe und Rufe zu hören gewesen, berichtete eine Reporterin des Nachrichtensenders Al Jazeera. Die Menschen trugen Protestplakate mit Zitaten Vučićs, der unter anderem am 20. Juli 1995 als Abgeordneter der Serbischen Radikalen Partei im Parlament sagte: "Wenn ihr einen Serben tötet, töten wir 100 Muslime."

Der Premier - heute Mitglied der Serbischen Fortschrittspartei - war nach Srebrenica gereist, um mit zahlreichen weiteren Politikern der 8000 muslimischen Jungen und Männer zu gedenken, die dort 1995 von bosnisch-serbischen Truppen ermordet worden waren.

Leugnung des Vökermordes

Vučićs Aussöhnunggeste war im Vorfeld auch deshalb umstritten, weil er das Massaker als Tat einzelner Verbrecher bezeichnet und nicht als Völkermord.

Das Massaker von Srebrenica gilt als das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg und wurde vom UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag als Völkermord eingestuft. Dennoch blockierte Russland vor wenigen Tagen einen Resolutionsentwurf des UN-Sicherheitsrates, der den Begriff "Völkermord" enthielt.

© SZ.de/AFP/dpa/kat - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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