Jahresrückblick:Das war das politische Jahr 2015

Terror-Anschläge, Griechenland-Krise, Krieg in Syrien, die Ankunft Hunderttausender Flüchtlinge und das Erstarken fremdenfeindlicher Bewegungen: Dieses Jahr hatte es in sich.

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(Foto: Julien Warnand/dpa)

Als der Terror nach Paris kam: Am 7. Januar stürmten die Brüder Chérif und Saïd Kouachi die Redaktion der Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo und erschossen elf Menschen; auf der Flucht exekutierten sie einen Polizisten. Am 8. Januar ermordete Amedy Coulibaly eine Polizistin auf offener Straße. Am 9. Januar überfiel Coulibaly einen jüdischen Supermarkt und tötete vier Geiseln, ehe er selbst von der Polizei erschossen wurde - ebenso wie die Brüder Kouachi. Drei Tage lang hielt der Terror die französische Hauptstadt und die Welt in Atem - auf dem Bild demonstrieren Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident François Hollande und andere Staats- und Regierungschefs Arm in Arm ihre Einigkeit und Entschlossenheit angesichts der Gewalt. Und doch waren die Anschläge vom Januar im Rückblick nur der Auftakt der weit verheerenderen Anschlagsserie, die Paris im November heimsuchen sollte.

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(Foto: Martin Bureau/AFP)

"Tout est pardonné - Alles ist vergeben": Die erste Titelseite von Charlie Hebdo nach den Anschlägen, gezeichnet von Rénald Luzier, genannt Luz (Mitte), war eine große Geste der Versöhnung. Luz überlebte, weil er am Tag des Überfalls verschlafen hatte - es war sein 43. Geburtstag. Doch die Wunden saßen tief: Im Mai verließ er die Redaktion.

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(Foto: Volodymyr Shuvayev/AFP)

Trotz einer bereits im Dezember 2014 vereinbarten Waffenruhe kam die Ukraine auch 2015 nicht zur Ruhe. Prorussische Separatisten und die ukrainische Armee lieferten sich immer wieder Kämpfe. Dieser Blindgänger landete mitten in einem Wohngebiet in Kramatorsk. Erst nach einem weiteren Ukraine-Gipfel in Minsk begann nach und nach der Abzug schwerer Waffen - doch die Waffenruhe blieb brüchig. Im Herbst verschlechterten sich die politischen Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland weiter. Ein Sprengstoffanschlag auf Stromleitungen auf der Halbinsel Krim führte zu einem massiven Energieausfall. Der russische Energiekonzern Gazprom setzte Gaslieferungen in die Ukraine aus.

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(Foto: Liselotte Sabroe/dpa)

Der 14. Februar war ein schwarzer Tag für Dänemarks Hauptstadt Kopenhagen. Gegen 15.30 Uhr feuerte ein Mann 40 Schüsse auf ein Kulturrhaus im Stadtteil Østerbro. Er tötete einen Mann und verletzte drei weitere Personen. In dem Café fand zu dem Zeitpunkt eine Diskussionveranstaltung zum Thema "Kunst, Blasphemie und Meinungsfreiheit" statt. Stargast: Der schwedische Künstler Lars Vilks, der 2007 eine Karikatur veröffentlicht hatte, die den Propheten Mohammed als Hund darstellt. Vilks fand im Kühlraum des Kulturhauses Schutz. Der Täter entkam und attackierte Stunden später eine Synagoge in der Innenstadt. Er tötete dabei einen Mann mit einem Kopfschuss und verletzte zwei Polizisten. Die Polizei stellte den Attentäter später in einem Wohngebiet, er wurde bei einem Schusswechsel getötet. Wie die Polizei später bekannt gibt, war er 22 Jahre alt. Unmittelbar vor den Anschlägen soll er dem IS-Führer Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen haben. Dänemark reagierte auf den Angriff mit strengeren Kontrollen und Einwanderungsregeln.

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(Foto: Geert Vanden Wijngaert/AP)

Mit jungenhaftem Charme und vor allem dem Ziel, das Spardiktat der internationalen Kreditgeber zu brechen, überzeugte Syriza-Chef Alexis Tsipras im Januar eine satte Mehrheit der griechischen Wähler. In Brüssel wurde er zumindest von Jean-Claude Juncker freundlich und mit einer unorthodoxen Geste empfangen: Der EU-Kommissionspräsident nahm den frischgebackenen Regierungschef bei der Hand.

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(Foto: Bloomberg)

Im weiteren Verlauf der Verhandlungen wurden die Hoffnungen der linken Syriza-Partei allerdings enttäuscht. Vor allem am unnachgiebigen deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (links) bissen sie sich die Zähne aus. Zugleich schien vor allem der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis mit seinem recht forschen Auftreten viele der altgedienten EU-Verhandler zu verstören - im Sommer trennte Tsirpas sich deshalb von seinem Minister. Am Ende musste er auch von seinen Reformplänen lassen.

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(Foto: Yannis Kolesidis/dpa)

Um Griechenland vor einer schnellen Pleite zu bewahren und den Forderungen der Kreditgeber nachzukommen, führte die Athener Regierung zwischenzeitlich auch drastische Kapitalverkehrskontrollen ein. Vor allem viele Rentner machten sich Sorgen darum, ob sie ihr Geld erhielten. Ein Mitarbeiter der griechischen Nationalbank verteilte Anfang Juli vor dem Institut Wartemarken - das Gedränge war groß.

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(Foto: dpa)

Etwa vier Wochen lang blieben im Frühsommer die Türen vieler Kindertagesstätten geschlossen, als in Deutschland Erzieher, Sozialarbeiter und Kinderpfleger streiken. Mit Notdiensten und gegenseitiger Kinderbetreuung hangelten sich die Eltern durch die Zeit. Doch erst Ende September konnten sie wirklich aufatmen. Die Bediensteten stimmten einer Einigung der Gewerkschaften mit den Arbeitgebern zu, die vor allem für jüngere Erzieher und Sozialarbeiter Verbesserungen bringt.

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(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Anfang Juni trafen sich die Regierungschefs der G7-Staaten zum Gipfel im bayerischen Elmau. Sie sprachen über das Klima, über Hungerbekämpfung und Sicherheitspolitik. In Erinnerung aber bleibt vor allem, dass der russische Präsident Putin wegen der Ukrainekrise nicht kommen durfte. Und das schöne Alpenpanorama, das US-Präsident Barack Obama hier zu genießen scheint ...

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(Foto: Markus Schreiber/AP)

... ebenso wie das bayerische Bier.

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(Foto: Federico Gambarini/dpa)

Die Jungpartei Alternative für Deutschland (AfD) blickt auf ein durchwachsenes Jahr 2015 zurück. Es war geprägt von internen Streitigkeiten um den politischen Kurs. Der Zwist erreichte seinen Höhepunkt beim Parteitag in Essen am 4. Juli (Foto). Parteigründer Bernd Lucke (links) wird dort erst ausgebuht und dann abgewählt. Seinen Posten als Parteichef übernimmt Frauke Petry (im Hintergrund). Ein klarer Rechtsruck der Partei. Lucke trat nach der Niederlage aus der Partei aus und gründete kurz darauf die Alternative für Fortschritt und Aufbruch (Alfa), sozusagen als Alternative zur Alternative für Deutschland. Petry musste sich gegen Ende des Jahres dann gegen einen weiteren Rechtsruck ihrer Partei wehren, für Schlagzeilen sorgte dabei insbesondere der Streit um die Äußerungen des thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke.

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(Foto: Joshua Roberts/Reuters)

Im April schon erklärte die ehemalige US-Außenministerin Hillary Cliton: "I am running for president." Sie gilt als aussichtsreichste Kandidatin der Demokraten bei der US-Wahl 2016. Im September machte sie Negativschlagzeilen, weil sie als Außenministerin für dienstliche Kommunikation einen privaten E-Mail-Server genutzt hatte. Hier begrüßte man sie auf einer Parteiveranstaltung in Virginia.

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(Foto: Mark Wallheiser/AFP)

Ein unerwartet aussichtsreicher Widersacher auf republikanischer Seite ist Donald Trump. Zeitweise führte er das Kandidaten-Ranking der US-amerikanischen Konservativen an. Die verbalen Entgleisungen des Milliardärs waren im Jahr 2015 kaum zu zählen. Als US-Präsident will Trump Muslimen die Einreise in die USA verbieten und an der Grenze zu Mexiko eine Mauer bauen. Über einen behinderten Journalisten lästerte er ebenso wie über Angela Merkel. Wegen ihrer Flüchtlingspolitik warf Trump der Kanzlerin Wahnsinn vor.

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(Foto: Tobias Schwarz/dpa)

Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen. So lautete die unfassbar klingende Klage gegen den früheren SS-Mann Oskar Gröning. Im Prozess sagte der Greis im Gegensatz zu vielen anderen Angeklagten umfassend über seine Tätigkeit im KZ Auschwitz aus und zeigte Reue. Dafür dankte ihm die Auschwitz-Überlebende und Nebenklägerin Eva Kor. Gröning wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Der BGH muss aber noch über die Revision von Anklage und Verteidigung entscheiden.

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(Foto: Yasin Akgul/AFP)

Nach dem Kampf um Kobanê in Syrien spielt ein Kind im März in den Trümmern der kurdischen Stadt. Der IS hatte den Ort erobert, kurdischen Kämpfern war es mit Unterstützung durch Luftangriffe der Anti-IS-Allianz gelungen, die Terroristen wieder zu vertreiben.

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(Foto: AP)

Die berühmte antike Stätte Palmyra in Syrien wurde im Sommer zum Ziel der IS-Milizen. Die fundamentalen Islamisten zerstörten einige Gebäude der Anlage.

In einem Vorort von Damaskus stellten syrische Rebellen im Oktober Käfige auf, in denen sich Offiziere der Regierungsarmee und deren Familienangehörige befanden. Die gefangenen Alawiten sollten als menschliche Schutzschilde gegen Angriffe der regierungstreuen Truppen fungieren. Diktator Baschar al-Assad ist selbst Alawit.

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(Foto: Bulent Kilic/AFP)

Syrien ist das Land, das wie kein anderes für die Flüchtlingskrise steht. Viele Menschen verlassen ihre Heimat aus Angst vor den Fassbomben des Assad-Regimes und den Schergen des sogenannten Islamischen Staates. An der Grenze zur Türkei verscheuchen diese lachend Flüchtlinge, von denen die meisten nach Europa wollen. Sie haben einen langen Weg und ...

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(Foto: Bernadett Szabo/Reuters)

... große Hindernisse vor sich. Auf der sogenannten westlichen Balkanroute kam es im vergangenen Jahr zu Szenen, die an den Kalten Krieg erinnerten: Stacheldrahtzäune mitten in Europa. Ungarn sah sich von den ankommenden Flüchtlingen überfordert und befestigte seine Grenzen zu den Nachbarstaaten (im Bild die Grenze zu Serbien). Doch die Menschen lassen sich nicht aufhalten.

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(Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Deutschland ist für viele Menschen ein Sehnsuchtsort. Auch, weil Angela Merkel den Kurs in der Krise bestimmt. Ihr "Wir schaffen das" wird zum Leitspruch der deutschen Politik. Merkels Ansehen ist bei den Flüchtlingen sehr groß. In einer Unterkunft in Spandau wurde die Kanzlerin sogar zum Selfie-Motiv.

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(Foto: Jens Meyer/AP Photo)

Die fremdenfeindliche Pegida feierte im Herbst einjähriges Bestehen. Immer noch pilgern jeden Montag Tausende in das historische Zentrum Dresdens, um zu demonstrieren. In den vergangenen Monaten hat sich Pegida radikalisiert. Rädelsführer Lutz Bachmann verglich Justizminister Heiko Maas mit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels. Demonstranten trugen aus Protest einen hölzernen Galgen mit sich, der für Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Vizekanzler Sigmar Gabriel reserviert war. Immer wieder kam es zu Angriffen auf Journalisten, die von den Protestveranstaltungen berichteten.

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(Foto: Regina Schmeken)

Von zwei Politikern, die das politische Leben vor allem der "alten" Bundesrepublik ganz wesentlich mitbestimmten, musste Deutschland in diesem Jahr Abschied nehmen: Ende Januar starb der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Alter von 94 Jahren. Wenige Tage später wurde er in Berlin mit einem Staatsakt geehrt. Der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck geleitete dabei Witwe Marianne von Weizsäcker hinter dem Sarg aus dem Berliner Dom.

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(Foto: Getty Images)

Sehr persönlich fielen die Beileidsbekundungen vieler Hamburger für Altkanzler Helmut Schmidt aus. Vor dem Rathaus in dessen Heimatstadt legten Bürger Blumen, Kerzen und Fotos von Schmidt nieder, der sich fast bis zum Schluss dem Trend zum Nichtrauchen hartnäckig widersetzte. Schmidt starb im November, er wurde 96 Jahre alt.

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(Foto: Ian Langsdon/dpa)

Am Freitag, dem 13. November kehrte der Terror nach Paris zurück - schlimmer als zuvor. Nach dem Angriff auf die Pressefreiheit im Januar handelte es sich nun um eine Kriegserklärung an die offene Gesellschaft. Im Konzertsaal Bataclan, in Straßencafés und Restaurants sowie rund um das Stade de France, in dem die französische Nationalmannschaft gerade gegen Deutschland spielte, töteten die Terroristen insgesamt 130 Menschen. Paris - vom sogenannten Islamischen Staat als "Hauptstadt der Sünden und der Perversionen" ausgewählt - stand erneut unter Schock. Mit Blumen in den Einschusslöchern setzten die Menschen ein Zeichen gegen die Gewalt.

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(Foto: Jerome Delay/AP)

Wie soll der Westen, wie soll Frankreich auf den Terror antworten? Paris bombardierte den IS in Syrien und dem Irak, militärisch unterstützt unter anderem von Deutschland. Im Inneren verhängte die französische Regierung den Ausnahmezustand, der Hausdurchsuchungen, Ausgangssperren und Hausarreste ohne richterliche Anordnung ermöglicht. Der "état d'urgence" gilt noch immer - und wurde nun auch in der Verfassung verankert. Kritiker argwöhnen, Frankreich beschreite den Weg der USA nach den Anschlägen vom 11. September - und verrate im Kampf gegen den Terror die eigenen Werte. Wie kann eine vom Terror herausgeforderte Gesellschaft ihre Sicherheit erhöhen, ohne die Freiheit preiszugeben? Nicht nur in Frankreich wird diese Frage auch im neuen Jahr die Debatten beherrschen.

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(Foto: AFP)

Im November schießen türkische Kampfflugzeuge einen russischen Bomber ab, der den Luftraum der Türkei verletzt haben soll. Die Maschine war im Einsatz gegen Aufständische in Syrien. Das Verhältnis zwischen Russland und der Türkei nimmt beträchtlichen Schaden.

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(Foto: AFP)

Nach der Wahl in der Türkei im Juni verliert die Partei von Präsident Erdoğan, die AKP, die absolute Mehrheit. Die kurdische Partei HDP zieht ins Parlament ein. Erdoğan beendet den Friedensprozess mit den Kurden. Es gelingt ihm - auch durch den Konflikt mit der kurdischen PKK - bei den Neuwahlen Anfang November wieder die absolute Mehrheit zu gewinnen. Nicht nur die PKK, sondern auch viele andere Kurden protestieren mit Gewalt gegen Erdoğans Politik und das Vorgehen der Sicherheitskräfte.

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(Foto: AFP)

Nach dem UN-Klimagipfel in Paris Ende November, Anfang Dezember feiern Politiker wie Frankreichs Präsident Francois Hollande und Christiana Figueres von der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) die neue Klimaschutzvereinbarung.

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(Foto: dpa)

Viele Klimaschützer haben mehr von der Paris-Konferenz zum Klimaschutz erwartet. So sind etwa die Zusagen der Länder zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen unverbindlich. Trotzdem gilt die neue Klimaschutzvereinbarung als historischer Erfolg, weil auch Entwicklungs- und Schwellenländer zugesagt haben, ihren Ausstoß zu reduzieren.

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