Jahresbericht der Anti-Folter-Stelle:Fäkalien an den Wänden, Insekten auf den Matratzen

Die deutsche Anti-Folter-Stelle prangert in ihrem Jahresbericht die Lage in deutschen Gefängnissen, Abschiebeeinrichtungen und psychiatrischen Kliniken an. Hafträume seien zum Teil "in ekelerregendem Zustand". Nur in drei von 42 untersuchten "Orten der Freiheitsentziehung" fanden die Inspektoren keine Mängel.

Nakissa Salavati

Die gute Nachricht: Die "Nationale Stelle zur Verhütung von Folter" hat in deutschen Gefängnissen keine Anzeichen für Folter gefunden. Doch damit hören die guten Nachrichten auch schon auf. In ihrem Jahresbericht 2010/2011 zieht die Anti-Folter-Stelle ein verheerendes Fazit. Die Situation in einigen deutschen Gefängnissen sei "ekelerregend", in mehreren Fällen seien Missstände festgestellt worden, "die nicht akzeptiert werden können".

Einzelzelle

Zwar gebe es keine Anzeichen von Folter, Missstände - wie lange Einzelhaft - aber schon: Die Anti-Folter-Stelle in Wiesbaden hat ihren Jahresbericht 2010/2011 vorgelegt.

(Foto: dpa)

Die Anti-Folter-Stelle, deren Arbeit auf der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen fußt, inspiziert "Orte der Freiheitsentziehung", um den Schutz betroffener Personen zu verstärken und Folter zur verhüten. Von Mai 2010 bis Dezember 2011 prüfte die Stelle bundesweit 42 Einrichtungen. Darunter fallen Justizvollzugsanstalten, Polizeidienststellen, Abschiebehafteinrichtungen und Gewahrsamsräume der Bundeswehr und des Zolls. Nur in drei der Einrichtungen fanden die Inspektoren keine Mängel.

"An den Wänden waren Anhaftungen erkennbar, die den Eindruck von Blut und Fäkalien erweckten", heißt es beispielsweise zu Zellen in einem Polizeikommissariat in Hamburg. Ähnlich in einer Jugendstrafanstalt in Berlin: Der Haftraum sei "in ekelerregendem Zustand", die Matratze "war übersät mit toten Insekten. Die Toilette sowie der Trinkwasserspender" völlig verdreckt.

In einer Frankfurter Justizvollzugsanstalt wird bemängelt, dass die Insassen beim Toilettengang gefilmt werden - ein gravierender Eingriff in deren Intimsphäre. Bei einer Einrichtung für Abschiebehaft in Berlin wiesen die Inspektoren darauf hin, dass suizidgefährdete Häftlinge in Einzelzellen sozial isoliert werden. Eine ständige psychologische Betreuung gebe es nicht, der Verwahrungsraum sei dauerbeleuchtet. Die Gemeinschaftsduschen hätten keine Trennwände - gerade für Menschen unterschiedlicher Kulturkreise sei dies ein Problem.

Gebäude für mehr Zellen zu eng

Die besuchten Einrichtungen hatten Zeit, sich der Kritik und den Vorschlägen der Anti-Folter-Stelle zu stellen. Allerdings reagierten die Stellen den Inspektoren zufolge nur sehr zögerlich. Außerdem rechtfertigen sie Missstände etwa damit, dass sie nichts ändern könnten: Die Räumlichkeiten seien für Duschwände oder mehr Zellen zu eng, die Dauerbeleuchtung werde eingesetzt, um zu verhindern, dass Abschiebehäftlinge sich gegenseitig verletzen oder gar umbringen.

In ihrem Bericht weist die Nationale Stelle gegen Folter auch darauf hin, dass sie mit den vorhandenen finanziellen Mitteln ihren "gesetzlichen Auftrag nicht erfüllen" könne: 300.000 Euro stelle das Bundesjustizministerium jährlich zur Verfügung. Damit könne man allerdings gerade einmal vier Mitarbeiter beschäftigen, fünf Ehrenamtliche würden die Arbeit unterstützen. Werde einer der Mitarbeiter krank, fielen auch die Inspektionsbesuche aus. Deutschland könne deshalb nicht so effektiv wie zum Beispiel die französische Prüfungsstelle arbeiten. Diese verfügt über ein Budget von mehr als drei Millionen Euro.

Damit erklärt sich auch, warum nur 42 "Orte der Freiheitsentziehung" überprüft werden konnten. Eigentlich ist die Anti-Folter-Stelle für etwa 2000 solcher Orte in Deutschland zuständig.

Der Bericht, der neben der Dokumentation von Missständen auch Verbesserungsvorschläge enthält, wurde nun Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger übergeben. Ab dem 5. April ist er auch der Öffentlichkeit über die Internetseite der Nationalen Stelle zugänglich.

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