15 Jahre CDU-Vorsitz:Wie Merkel die CDU entstaubte

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Seit 15 Jahren ist Angela Merkel Vorsitzende der CDU.

(Foto: AFP)

Seit dem 10. April 2000 ist Angela Merkel CDU-Vorsitzende. In 15 Jahren an der Spitze hat sie die Partei gründlich modernisiert. Doch sie musste sich auch selbst verändern.

Von Robert Roßmann

Oft zeigt ein Blick zurück besonders gut, wie weit jemand gegangen ist. An diesem Freitag ist Angela Merkel seit 15 Jahren CDU-Chefin. Im schnelllebig gewordenen Politik-Geschäft ist das eine Ewigkeit. Sigmar Gabriel zum Beispiel ist bereits der sechste SPD-Vorsitzende, mit dem es die CDU-Chefin zu tun hat. Wer ermessen will, wie stark Merkel die Partei in diesen 15 Jahren verändert hat, schaut am besten auf ihren ersten Tag als Vorsitzende.

Es ist der 10. April 2000, die CDU ist in Essen zum Parteitag zusammengekommen. Die letzte Rede vor Merkels Wahl hält Hans Filbinger. Der Mann musste als Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurücktreten, weil er als NS-Marinerichter Todesurteile gegen Deserteure verhängt hatte. In seiner Rede verurteilt Filbinger die Zulassung homosexueller Lebenspartnerschaften als "Pervertierung" der Verfassung. Er wettert gegen das Abtreibungsrecht. Und er fordert ein Ende der "Geschichtsklitterung" in Schulbüchern, in denen es zu sehr um das Dritte Reich gehe. Filbinger wird nicht ausgebuht, sondern beklatscht.

Nach 15 Jahren Merkel ist die CDU eine Partei ohne Filbinger-Muff

Anschließend wählen die Delegierten ihre neue Parteichefin. Das ist die CDU am ersten Tag der Ära Merkel. 15 Jahre später ist die CDU eine durchmodernisierte Partei ohne Filbinger-Muff. Sie hat einen großen Teil ihrer Positionen entstaubt. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft. Mit dem Elterngeld und dem Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz begann die Kehrtwende in der Frauen- und Familienpolitik. Die Hauptschule ist kein Dogma mehr. Die Partei verabschiedete sich von der Atomkraft. In Hamburg wurde ein schwuler Christdemokrat Regierungschef. Die CDU stellte den ersten Integrationsminister, die erste Ministerin mit Migrationshintergrund und den Bundespräsidenten, der den Satz prägte: "Der Islam gehört zu Deutschland".

Auch zum rechten Rand hat die Merkel-CDU inzwischen eine klare Haltung. Die Kanzlerin hat Bündnisse mit der AfD kategorisch ausgeschlossen und die Pegida-Demonstrationen erstaunlich deutlich verurteilt. Vor 15 Jahren machten Roland Koch und Jürgen Rüttgers noch mit Unterschriftenlisten gegen den Doppelpass und Parolen wie "Kinder statt Inder" Wahlkampf. Heute bemüht sich der CDU-Generalsekretär um ein Einwanderungsgesetz.

Ohne Fukushima würde Merkel wohl heute noch an die Atomkraft glauben

Es war aber auch für Merkel selbst ein weiter Weg. Als Ole von Beust 2001 in Hamburg eine Koalition mit der rechtslastigen Schill-Partei einging, ließ sie ihn gewähren. Der CDU-Vorsitzenden fehlte noch die nötige Sensibilität und Macht, um das anrüchige Bündnis zu verhindern. Die Physikerin Merkel würde ohne Fukushima vermutlich heute noch an die Beherrschbarkeit der Atomkraft glauben. Außerdem brauchte Merkel die Beinahe-Niederlage bei der Bundestagswahl 2005, um sich von ihren neoliberalen Positionen in der Wirtschaftspolitik zu verabschieden.

Noch als Generalsekretärin hatte Merkel Helmut Kohls Wahlkampfslogan "Sicherheit statt Risiko" umgedreht. Das Motto der CDU müsse stattdessen "Risiko statt Sicherheit" heißen, verkündete Merkel. Nur so käme die Partei in der heutigen Welt voran. Vermutlich denkt die Kanzlerin noch immer so. Seit 2005 ist davon aber zumindest in der Innenpolitik nichts mehr zu spüren. Merkel führt seitdem eher tastend und moderierend. Aber genau das ist zu einem wesentlichen Teil ihres Erfolgsrezepts geworden. Merkel hat schneller als andere erkannt, dass basta nicht mehr funktioniert. Sie gibt sich als Kanzlerin, die Partei und Wahlvolk mitnimmt. Nur wohin, weiß man inzwischen immer seltener.

Machtpolitisch fällt die Bilanz der Kanzlerin hervorragend aus

Machtpolitisch fällt Merkels Bilanz dagegen hervorragend aus. Die Union liegt in den Umfragen mehr als 15 Prozentpunkte vor der SPD. Als Merkel zur Parteivorsitzenden gewählt wurde, rangierte die Union noch acht Punkte hinter den Sozialdemokraten. Die CDU-Chefin ist seit zehn Jahren Kanzlerin. Im Moment deutet alles darauf hin, dass sie 2017 noch einmal gewählt wird. Deshalb muss der Partei auch die Nachfolge-Frage noch keine Sorgen machen. Außerdem kann die Union dank Merkels Modernisierungskurs inzwischen auch mit den Grünen koalieren. Das erhöht die Machtoptionen.

Auf der anderen Seite hat Merkels Kurs die Entstehung der AfD erleichtert. Zumindest kurzfristig schadet das der CDU aber nicht. Die Euro-Gegner fischen auch im linken Lager, sie erschweren die Bildung rot-grüner Mehrheiten. Die CDU könnte davon schon bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg profitieren. Solche Erfolge braucht die Partei aber auch dringend, um zwei Debatten zu beenden: Die über ihre Schwäche in den Ländern - die CDU stellt nur noch vier der 16 Ministerpräsidenten. Und die darüber, dass Angela Merkel unersetzlich sein könnte.

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