50 Jahre Élysée-Vertrag:Ohne Leidenschaft, aber per Du

Nicht mehr verliebt, dafür vernünftig: Am Ende eines großen Tages der Feierlichkeiten zwischen Franzosen und Deutschen wechseln Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande zum freundschaftlichen Du.

Normalerweise hat Bundeskanzlerin Angela Merkel eher wenig zu lachen, wenn Gregor Gysi im Bundestag ans Rednerpult tritt. Doch zum fünfzigsten Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages waren die parteipolitischen Unterschiede zwischen dem Fraktionsvorsitzenden der Linken und der CDU-Chefin vergessen.

In einer launigen Ansprache vor französischen und deutschen Abgeordneten empfahl Gysi den als protestfreudig geltenden Gästen, sich morgens besser zu stärken: "Ich muss Ihnen sagen: Das Frühstück. Es gibt kleine Hotels in Frankreich, da kriegt man ein Croissant, einen Klacks Butter und einen Klacks Marmelade", sagte Gysi. "Das ist ja ganz nett, aber noch kein Frühstück", sagte der Linke-Politiker. "Ich glaube, letztlich nur gut gefrühstückt kann man auch gut protestieren." Merkel und Frankreichs Staatspräsident François Hollande mussten immer wieder herzhaft lachen, und der französische Sozialist dankte dem deutschen freundschaftlich für seine Worte.

Es ging an diesem Tag viel um Freundschaften. Vor allem jene zwischen den beiden Staaten, deren Bedeutung Politiker beider Seiten 50 Jahre nach Unterzeichnung des Élysée-Vertrages immer wieder beteuern. Etwa 400 französische Abgeordnete und zahlreiche Regierungsmitglieder waren dafür aus Paris zu den Feierlichkeiten gekommen.

Im Fokus stand aber das Verhältnis zwischen Kanzlerin Merkel und Präsident Hollande. Beide waren sehr bemüht, gut gelaunt gegen ihr angeblich angespanntes Verhältnis anzukämpfen.

"Das ist ja vielleicht unser bestgehütetes Geheimnis: dass die Chemie stimmt", sagte Merkel mit einem Lächeln auf den Lippen. Der neben Merkel stehende Hollande gab sich amüsiert über die Frage nach dem Verhältnis: Es sei schwer, Journalisten davon zu überzeugen, aber: "Zwischen uns stimmt die Chemie."

Schon länger sprechen sich die beiden beim Vornamen an. Aber erst beim Abendessen bot die Kanzlerin dem Sozialisten dann das Du an. 15 Treffen hat das gedauert.

Ein paar konkrete Absprachen gab es dann aber auch:

  • Die Kooperation in der Außen- und Verteidigungspolitik soll intensiviert werden.
  • Das Budget des Deutsch-Französischen Jugendwerks wird um zwei Millionen Euro aufgestockt.
  • Bis Mai sollen gemeinsame Vorschläge für eine tiefere wirtschaftspolitische Kooperation in Europa vorgelegt werden.
  • Mit einem Kompromissvorschlag soll eine Einigung über den künftigen EU-Haushalt erreicht werden.
  • Auch bei der Entwicklung erneuerbarer Energien wollen beide Länder künftig besser zusammenarbeiten.

Nach einer gemeinsamen Kabinettsberatung kamen die Abgeordneten dann zu einer feierlichen Sitzung von Bundestag und französischer Nationalversammlung zusammen. Dabei sprach neben Gysi auch Bundestagspräsident Norbert Lammert. Er appellierte an die Jugend, das Vermächtnis der Aussöhnung zu bewahren. Die guten Beziehungen seien normal, aber nicht selbstverständlich, sagte Lammert. "In jeder langjährigen, stabilen Beziehung gibt es Phasen der Leidenschaft und solche der Vernunft", sagte er: Im Augenblick befänden sich die beiden Länder eher in einer Phase der Vernunft als der Verliebtheit.

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