50 Jahre Jugend forscht:Inseln der Kreativität

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Jugend paukt: Das mag im Alltag vieler Schüler zur neugierfeindlichen Wirklichkeit gehören. Umso wichtiger ist dieser wunderbare Wettbewerb des forschenden Lernens.

Von Tanjev Schultz

Es ist erstaunlich, was Jugendliche so alles entdecken, erfinden und erforschen können. Auf Zypern haben zwei Schüler aus Hamburg die versteinerten Überreste eines Flusspferds gefunden und untersucht. Andere haben einen Rollstuhl konstruiert, der sich mit den Augen steuern lässt, oder eine Anlage, mit der man Ökostrom speichern kann. Sie sind dafür mit Preisen im Wettbewerb "Jugend forscht" ausgezeichnet worden, der in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert. Bundespräsident Joachim Gauck spricht zu Recht von einer der "besten Bildungsinnovationen", die das Land bisher hervorgebracht hat. Gäbe es diesen Wettbewerb nicht längst, man müsste ihn glatt erfinden.

Jugend forscht - das klingt als Motto zwar ein bisschen wie eine alte DDR-Losung; und es war ja auch so, dass den Politikern und Publizisten im Westen der "Sputnik-Schock" noch in den Knochen steckte, als sie in den Sechzigerjahren damit begannen, die Schüler anzustacheln. In der Bundesrepublik diagnostizierten viele damals, weit vor den Pisa-Tests, einen Bildungsnotstand.

Es müsste mehr Schülerforschungszentren geben

Im Stern, der Illustrierten, stand 1965 der Gründungsaufruf zu "Jugend forscht". Man wolle den Nachwuchs fördern und nicht länger nur über Bildungsmängel lamentieren. Diese Initiative ist noch heute zeitgemäß. Auch die Politik erkannte das, und so ist es schon lange guter Brauch, dass die Spitzen des Staates den Wettbewerb mittragen. Dazu kommen das Engagement vieler Unternehmen, Hochschulen und Institute - und nicht zu vergessen der freiwillige Einsatz Tausender Lehrer, die den Schülern zur Seite stehen und dabei unter Beweis stellen, wie viel mehr die Schule sein kann, als nur eine "Kopieranstalt für bekanntes Wissen" (Joachim Gauck).

Jugend paukt - das mag im Alltag vieler Schüler zur neugierfeindlichen Wirklichkeit gehören. Umso wichtiger sind die Inseln der Kreativität, die aus dem oft öden Meer des Wissens herausragen. Diese Inseln können und sollen wachsen. Forschendes Lernen ist seit jeher besonders effektiv und besonders erfüllend. Begeisterung steckt an, auch das kann man bei "Jugend forscht" lernen. Freude am Forschen zu haben ist schön, und zwar vor und jenseits des kalkulierbaren Nutzens, den der Einzelne und den die Wirtschaft und die Wissenschaft daraus ziehen mögen. Die Forscherfreude dient nicht zuletzt der persönlichen Entfaltung und Reifung. Die vielen tollen Teilnehmer von "Jugend forscht" zeugen davon; ob sie nun am Ende einen Preis gewonnen haben oder nicht.

Es gibt das Klischee des verschrobenen Tüftlers und des unbeliebten Strebers. Wer steht als Pubertierender schon freiwillig wochenlang im Labor herum, um irgendwelche Moleküle zu untersuchen? Und wie muss man eigentlich drauf sein, wenn man sich in der Mathematik mit Sedenionen beschäftigt, das sind hyperkomplexe Gebilde mit 16 Dimensionen? "Jugend forscht"- das war übrigens auch eine Überschrift, die der Spiegel 1971 über einen Artikel setzte, in dem es um das Sexualverhalten junger Menschen ging. Der Titel sollte witzig sein.

Wer als Schüler noch ein paar andere Dinge im Kopf hat als Mädchen und Jungs, macht sich schnell verdächtig. Ein 18-Jähriger aus Hamburg hat einem Bergungsroboter, den er gebaut hat, passenderweise den Namen "Zelos" gegeben. Zelos war in der Antike der Gott des Strebens. Manche haben ihn auch mit Neid und Eifersucht assoziiert. Es sollte sich niemand dafür schämen oder rechtfertigen müssen, wenn er etwas gut kann und es mit Eifer studiert. Es ist nicht Ausdruck besonderer Coolness, wenn Menschen, die schlecht rechnen können, stolz auf dieses Unvermögen sind. Es ist dumm. Und es ist auch nicht sozial intelligent, auf Mathe- und Physik-Cracks herabzuschauen wie auf eine fremde, wenig erbauliche Lebensform.

Viel zu viele Jugendliche verlassen die Schulen mit dem Gefühl, diese Fächer seien überhaupt nichts für sie. Im Land der Dichter und Denker gibt es eine seltsame Scheu vor Technik und vor den Naturwissenschaften. Der Wettbewerb "Jugend forscht" hat einiges dafür getan, diese Scheu abzubauen. Es lässt sich noch mehr tun. Es müsste mehr Schülerforschungszentren geben, in denen die Jugendlichen außerhalb des regulären Unterrichts Entdeckungen machen können. Und in den Schulen sollte es mehr Freiräume geben, in denen Jugendliche in Ruhe etwas austesten und in denen sie eigene Projekte ohne Erfolgsdruck entwickeln können.

Auch das Scheitern kann lehrreich sein. Zu den Eigenheiten von Experimenten gehört es, dass sie oft nicht so klappen wie gewünscht. Doch bereits der Versuch zählt.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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