60 Jahre FDP:Mit Leidenschaft und Ritterkreuz

Viele der führenden FDP-Köpfe haben die Bundesrepublik mitgeprägt - mit höchst unterschiedlichen Vorstellungen von Liberalismus.

K. Kister und P. Blechschmidt

Wahrscheinlich hat Thomas Dehler entscheidend dazu beigetragen, dass die FDP als einzige der kleinen Parteien aus den fünfziger Jahren überlebt hat. Als Fraktionschef von 1953 an und als Partei-Vorsitzender zwischen 1954 und 1957 sorgte der enervierend eigensinnige Dehler dafür, dass die FDP nicht von der erdrückenden Liebe der Adenauer-CDU im Unionslager aufgelöst wurde.

60 Jahre FDP: Thomas Dehler (1897-1967)

Thomas Dehler (1897-1967)

(Foto: Foto: dpa)

Dehler war ein klassischer Vertreter des individuellen Liberalismus alter Prägung. Der Franke Dehler, 1897 geboren, machte den Ersten Weltkrieg mit, studierte Jura und engagierte sich in München und Bamberg in der DDP, später in der Deutschen Staatspartei. Während der Nazi-Zeit, auch wegen seiner jüdischen Ehefrau, bedrängt und zweimal auch verhaftet, hielt Dehler Kontakte zum Widerstand.

Bevor er 1949 für die FDP in den Bundestag einzog, hatte er diverse hohe Justiz-Positionen im Nachkriegs-Bayern inne. Dehler wurde im ersten Kabinett Adenauer Justizminister; den Kanzler unterstützte er zunächst fast blindlings. 1953 kam es zum Bruch, und fortan war der wortmächtige, zu häufig auch beleidigungswillige Dehler einer der schärfsten Kritiker Adenauers.

Die FDP begeisterte sich zunächst an dem harschen Redner, allerdings drifteten während seiner Zeit als Parteichef die Flügel noch weiter auseinander. Der DGB war für Dehler "eine Geschwulst", Adenauer führe den Krieg Papens und Hitlers gegen die Sowjetunion weiter, und der AA-Staatssekretär Hallstein sei "ein Mann ohne Herz und Hoden".

Dehler, der, lebte er heute, wohl ein Talkshow-Star oder Promi-Blogger wäre, brachte die FDP oft in Verlegenheit, hielt sie aber stets im Gespräch.

Lesen Sie auf Seite 2, wie Erich Mende der FDP das Etikett der Umfaller-Partei verpasste.

Mit Leidenschaft und Ritterkreuz

Erich Mende verdankt die FDP ein Etikett, das bis heute an ihr klebt: Umfaller-Partei. Als der damals 44-jährige Mende 1960 den FDP-Vorsitz übernahm, galt er als junger Mann mit Zukunft. Dabei hatte er jede Menge Vergangenheit. Der Major a. D. Mende trug in den frühen Jahren der Bundesrepublik demonstrativ sein Ritterkreuz zum Frack. Er war ein Repräsentant der vielfach gebrannten Frontgeneration.

60 Jahre FDP: Erich Mende (1916-1998)

Erich Mende (1916-1998)

(Foto: Foto: AP)

Weder neigte er zu rechtsradikalen Umtrieben wie der Naumann-Kreis, der unter einem ehemaligen Goebbels-Staatssekretär die FDP zu unterwandern versuchte, noch war er ein Sozialliberaler. Zuwider war ihm auch die Altherren-Herrschaft Adenauers, weswegen die FDP zur Bundestagswahl 1961 die Parole ausgab: Mit der CDU aber ohne Adenauer.

Das bescherte Mendes Partei fast 13 Prozent - und dennoch fiel sie um und koalierte mit der CDU unter Adenauer. Zwei Jahre später ging der Alte; Mende trat ins Kabinett ein und wurde Vizekanzler. Mendes Zeit an der Spitze der Partei brachte die Abwendung der FDP vom regionalen Liberalismus Weimarer Prägung, andererseits aber auch die Wandlung zu einer bürgerlichen, allerdings weder religiös noch ideologisch geprägten Milieu-Partei.

Das Milieu bestand aus Zahnärzten, Abteilungsleitern und Juristen. Die große Koalition hielt Mende für ein kleines Unglück, die Hinwendung seiner Partei zur SPD für einen schweren Fehler. Mendes Nachfolger an der Parteispitze wurde 1967 Walter Scheel.

Als Privatmann engagierte sich Mende bei der windigen Investment-Firma IOS, deren Zusammenbruch ihm sehr schadete. Verbittert auch über die Ostpolitik, trat Mende 1970 zur CDU über, für die er noch bis 1980 als Hinterbänkler im Bundestag saß.

Lesen Sie auf Seite 3, warum sich Guido Westerwelle von der FDP fast geliebt fühlt.

Mit Leidenschaft und Ritterkreuz

60 Jahre FDP: Guido Westerwelle, 46

Guido Westerwelle, 46

(Foto: Foto: AP)

Wer Guido Westerwelle in diesen Wochen zuhört, sei es auf der großen Bühne oder im kleinen Kreis, der erlebt einen FDP-Vorsitzenden im Höhenflug. Nie stand die FDP besser da, nie waren ihre Zukunftsaussichten rosiger - das ist die Botschaft, die der Rheinländer in die Welt hinausposaunt.

Und das alles unter seiner Führung. Seitdem er 2006 Wolfgang Gerhardt vom Fraktionsvorsitz verdrängte und beide Spitzenämter in seiner Person vereinigte, ist Westerwelle unumstritten die Nummer eins der Liberalen.

Und das wird der schlanke, stets elegant gekleidete Jurist, der am 27. Dezember 47 Jahre alt wird, auch bleiben, wenn er sein großes Ziel, die FDP 2009 in die Bundesregierung zurückzuführen und selbst Außenminister zu werden, erneut verfehlen sollte.

Selbst Westerwelle bezweifelt im Stillen nicht, dass seine Duz-Freundin Angela Merkel nicht abgeneigt wäre, das Bündnis der "schwarz- und der rot-lackierten Sozialdemokraten", wie Westerwelle gerne spottet, auch nach der nächsten Wahl fortzusetzen.

Inzwischen ist der FDP-Chef denn auch bereit, öffentlich über eine Zukunft außerhalb des Auswärtigen Amtes nachzudenken. Bislang pflegte er auf Fragen danach zu antworten: "Sorgen Sie sich nicht um mich, sorgen Sie sich um Deutschland." Da klang dann auch sein Hang zum Pathetischen an, mit dem der gute Redner seine Auftritte gern garniert.

Westerwelle wird in der Politik und an der Spitze der FDP bleiben. Lange war er dort eher geduldet, weil es zu ihm keine Alternative gab. Inzwischen fühlt er sich von seiner Partei fast geliebt: "Ich laufe mir an der Basis die Hacken ab. Das honorieren die Leute."

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