70 Jahre CDU:Die Machtmaschine

CDU wird 70

CDU-Parteitag in Köln im Dezember 2014: An diesem Montag feiert die Partei ihren 70. Geburtstag und ganz erstaunliche Erfolge.

(Foto: Getty Images)

Die CDU feiert 70. Geburtstag - und eine erstaunliche Erfolgsgeschichte. Doch mittlerweile können selbst Wohlmeinende keinen originären Kern mehr finden.

Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Es ist nur eine kleine Begebenheit. Aber an ihr lässt sich ziemlich gut erklären, was den Erfolg der CDU ausmacht. Am Samstag feierte Berlin den Christopher Street Day. Es war auch eine Demonstration gegen die CDU - die Partei, die Homosexuellen noch immer die Ehe verweigert. Aber mitten im Umzug fuhr ein Wagen voller schwuler Christdemokraten. "Muttis GAYle Truppe" hatten einige auf den T-Shirts stehen, an der Rückseite ihres Wagens hing eine große CDU-Fahne. Andere Parteien würde so ein Konflikt zerreißen. Die CDU versucht einfach, alle Seiten zu integrieren.

Die CDU sei "eine Partei, die Brücken baut", nennt Angela Merkel das etwas schönfärberisch. Man könnte auch sagen, die CDU ist die Partei der politischen Wendigkeit - eine Partei, in der Pragmatismus das wichtigste Programm und Machterhalt kein Schimpfwort ist. An diesem Montag feiert die CDU ihren 70. Geburtstag. Und zumindest in einem sind sich alle einig: Zu betrachten ist eine erstaunliche Erfolgsgeschichte.

Die CDU stellt bereits das 46. Jahr den Kanzler oder die Kanzlerin. Bei 15 von 18 Bundestagswahlen wurde die Union stärkste Kraft, zuletzt mit 16 Prozentpunkten Vorsprung vor der SPD. Die CDU hat die Sozialdemokraten sogar bei der Mitgliederzahl überholt. Ein Ende der Dominanz ist noch nicht abzusehen.

Die CDU selbst war eine integrative Meisterleistung

Diese Vorherrschaft war der CDU keineswegs in die Wiege gelegt. Bei der ersten Bundestagswahl lagen Union und SPD noch fast gleichauf. Damals saßen mit dem Zentrum, der Deutschen Partei, der Bayernpartei, der WAV und der Deutschen Konservativen Partei noch fünf Konkurrenten aus dem rechten Lager im Parlament. Aber der Union gelang es relativ schnell, die Konkurrenz zu absorbieren.

Bereits die CDU selbst war eine integrative Meisterleistung. Den Parteigründern gelang es, Konservative, Liberale, Nationalkonservative und Nationalliberale unter einem politischen Dach zu vereinen - und das über die Konfessionsgrenzen hinweg. Die CDU ist eine Partei der Integration. Besonders wählerisch war sie dabei lange nur, wenn es um Ausländer ging. Heute verleugnet die Partei gerne, dass sie Männer wie Globke und Filbinger in höchste Ämter gebracht hat. Auch die Aufnahme von DDR-Blockparteien wird gerne versteckt.

Eine Partei wie die Tagesschau: Aller Wandel ganz moderat

Der CDU hat aber auch eine zweite Stärke geholfen. Deutschland ist kein Land der Revolutionäre. Wer hierzulande etwas verändern will, gilt schnell als Hasardeur. Die CDU hat daraus aber nicht den für eine konservative Partei naheliegenden Schluss gezogen, gar nichts zu verändern. Sie hat es eher wie die Tagesschau gehalten. Die sieht heute ganz anders aus als vor 50 Jahren, aber ihr Wandel war immer so moderat, dass man ihn kaum bemerkt hat.

Die CDU und ihre Kanzler haben Deutschland auf diese Weise langsam, aber beharrlich verändert. Die Westbindung (Konrad Adenauer), die soziale Marktwirtschaft (Ludwig Erhard) und die europäische Einigung (Helmut Kohl) sind bis heute Pfeiler des deutschen Staatsverständnisses. Keines dieser Projekte war zu seiner Zeit unumstritten. In der Ära Merkel wurde die Wehrpflicht abgeschafft, die Familienpolitik neu justiert und der Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. In jeder anderen Partei hätte das Eruptionen ausgelöst. Die Machtmaschine CDU schüttelt sich nur, dann geht es weiter.

Was heißt das nun für die Zukunft? Dass eine Partei, die manchmal sogar von absoluten Mehrheiten träumt, kein enges Profil haben kann, ist klar. Dass die CDU sich inzwischen aber so weit geöffnet hat, dass selbst Wohlmeinende keinen originären programmatischen Kern mehr finden, wird der Partei noch schwer zu schaffen machen - spätestens nach der Ära Merkel.

Die schlechten Wahlergebnisse in den Ländern und Kommunen sind die ersten Vorboten.

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