Nach der enttäuschenden Bundestagswahl 1976, als die Union zwar stärkste Fraktion wird, aber nicht die Regierung stellen kann, trifft der mächtige Franz Josef Strauß eine gewichtige Entscheidung und legt sie seiner Partei bei der Klausurtagung in Wildbad Kreuth im Oktober zur Abstimmung vor. Seine CSU soll von nun an "getrennt marschieren", die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU also aufkündigen. Der CSU-Chef glaubt fest daran, dass so ein Zuwachs von etwa zwei Prozentpunkten erlangt und der dann koalierenden Parteien CDU und CSU die absolute Mehrheit beschafft werden kann. Am Ende langer Diskussionen wird der "Nichtzusammengehensbeschluss" mit 30 zu 18 Stimmen abgenickt. Staatssekretär Wighard Härdtl erinnert sich genau: "Ich saß damals bei der Stimmenauszählung neben Strauß und habe daher heute noch seinen Ausspruch im Ohr: 'Jetzt ist wieder Bewegung in der Politk.'"
Dass Strauß von Kohl nicht besonders viel hält, wird besonders bei der berühmten "Wienerwald"-Rede vor Vertretern der Jungen Union offensichtlich. In der Zentrale der Restaurantkette zieht Strauß vom Leder. Er bezeichnet die Köpfe der CDU als politische Pygmäen, als Zwerge im Westentaschenformat und Reclam-Ausgabe von Politikern. "Herr Kohl, den ich nur im Wissen, den ich trotz meines Wissens um seine Unzulänglichkeit um des Friedens willen als Kanzlerkandidaten unterstützt habe, wird nie Kanzler werden. Er ist total unfähig, ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen. Ihm fehlt alles dafür." Kohl werde mit 90 Jahren seine Memoiren schreiben: "Ich war 40 Jahre Kanzlerkandidat. Lehren und Erfahrungen aus einer bitteren Epoche."
CDU-Chef Helmut Kohl ist außer sich, als er von der Entscheidung der Bayern hört, die Fraktionsgemeinschaft aufzukündigen. Wenige Tage später überdenkt die CSU zwar ihren Beschluss und lässt es doch bleiben. Die Freundschaft zwischen Kohl und Strauß ist aber für immer dahin. Vier Jahre später probiert sich Strauß mit Hilfe von Kohl als Kanzlerkandidat - und erleidet das gleiche Schicksal wie Kohl: Er verliert gegen Schmidt.
Foto: dpa, Text: Gökalp Babayigit