60 Jahre BRD: Die Neunziger:Multiple Zeitenwende

Die neunziger Jahre sehen den Untergang der DDR, das Ende der Ära Kohl, das Aus für die Bonner Republik und die Auflösung der RAF. Am Schluss steht noch ein handfester politischer Skandal.

Bernd Oswald

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Weil auch Anfang 1990 der Übersiedlerstrom aus der DDR nicht abreißt, schlägt Bundeskanzler Kohl der DDR sofortige Verhandlungen über eine Währungsunion mit Wirtschaftsreform vor. Fahrt gewinnen diese Gespräche erst nach dem Regierungswechsel in Ost-Berlin im Frühjahr 1990. Im Mai vereinbaren die beiden deutschen Regierungen die Umtauschkurse für die Währungsunion: Danach werden die Löhne, Gehälter, Mieten, Stipendien und Renten im Verhältnis 1:1 umgestellt. Sparguthaben und Bargeld werden gestaffelt umgetauscht: Kinder bis 14 Jahre können 2.000 Mark, 15- bis 59-jährige 4.000 Mark und über 60-jähige 6.000 Mark im Verhältnis 1:1 einwechseln. Darüber hinausgehende Beträge werden im Verhältnis 2:1 eingetauscht. In Kraft tritt die Währungsunion am 1. Juli 1990.

Bundesfinanzminister Theo Waigel mit einer übergroßen Abbildung der Gedenkmünze für die Währungsunion am 01.07.1990.

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Unmittelbar nach dem Mauerfall ergreift Bundeskanzler Kohl die Initiative und sondiert die Möglichkeiten zur deutschen Wiedervereinigung. Die Bevölkerung und - nach der Volkskammerwahl vom März 1990 - auch die DDR-Regierung braucht er nicht zu überzeugen, es gilt vielmehr, auch die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges für dieses Ziel zu gewinnen: Die 2+4 Verhandlungen sind geboren. Die USA, Großbritannnien und Frankreich stimmen bald zu, ungleich schwieriger ist es,...

Die Außenminister der sechs Signatarstaaten: James Baker (USA), , Douglas Hurd (Großbritannien), Eduard Shevardnaze (Sowjetunion), Roland Dumas (Frankreich), Lothar de Maizière (DDR, zugleich Ministerpräsident) und Hans-Dietrich Genscher (Bundesrepublik) (von links nach rechts) bei der Unterzeichnung des Zwei-plus-Vier-Vertrags am 12. September 1990 in Moskau. Mit der Unterzeichnung des Vertrags vor zehn Jahren ist der Weg zur Wiedervereinigung endgültig geebnet. Für Genscher ist dieser Tag einer der wichtigsten Erfolge seiner 18-jährigen Amtszeit als Außenminister.

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...den Segen der noch immer kommunistischen Sowjetunion zu bekommen. Erst gewinnt Kohl die Zustimmung von Kreml-Chef Gorbatschow zur deutschen Wiedervereinigung. Bei einem Besuch im Kaukasus im Juli 1990 ringt Kohl Gorbatschow auch die Zustimmung Moskaus zur Nato-Zugehörigkeit des vereinten Deutschlands ab.

Bundeskanzler Helmut Kohl (r), der sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow (M) und Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (l) unterhalten sich in entspannter Atmosphäre an einem rustikalen Tisch im Garten von Gorbatschows Gästehaus in Archiz.

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Vollzogen wird die Wiedervereinigung, indem die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitritt. Als Stichtag wählt man den 3. Oktober 1990. Altbundeskanzler Willy Brandt prägt den Satz: "Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört." Die größten Feierlichkeiten finden in Berlin statt. Vor dem Reichstagsgebäude feiert die Spitze des Staates die deutsche Einheit: SPD-Kanzlerkandidat Oskar Lafontaine, Altbundeskanzler Willy Brandt, Außenminister Hans-Dietrich Genscher, Hannelore Kohl, Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker (v.l.n.r.)

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Vor dem Reichstag feiern Tausende bei Feuerwerk die Wiedervereinigung.

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Am 3. Dezember 1990 steht die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl an. Die christdemokratisch-liberale Koalition wird klar wiedergewählt. Die Grünen verfehlen bundesweit die Fünf-Pronzet-Hürde und kehren nur mit acht Abgeordneten aus den neuen Bundesländern in den Bundestag zurück. Neu sind die 17 Abgeordneten der PDS.

Bundeskanzler Helmut Kohl während einer Wahlkampfveranstaltung in Heiligenstadt in Thüringen.

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In sein insgesamt viertes Kabinett beruft Kohl auch ostdeutsche Politiker, darunter eine gewisse Angela Merkel aus Mecklenburg-Vorpommern. Kohl machte die damals 36-Jährige zur Bundesministerin für Frauen und Jugend.

Bundeskanzler Helmut Kohl und Frauenministerin Angela Merkel während des CDU-Parteitags am 16. Dezember 1991 im Kulturpalast in Dresden, auf dem sie zur stellvertretenden CDU-Vorsitzenden gewählt wurde.

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Die Wiedervereinigung ist vor allem wirtschaftlich eine Mammutaufgabe. Es gilt, die rund 8000 volkseigenen DDR-Betriebe in die Privatwirtschaft zu überführen. Zu diesem Zweck wird die Treuhandanstalt gegründet. Den Job des Treuhand-Präsidenten - "der schwierigste Job, der in der deutschen Wirtschaft zu vergeben ist", wie der Rheinische Merkur seinerzeit schrieb - übernimmt der Industriemanager Detlev Rohwedder.

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Für seine Anstrengungen wird Rohwedder 1990 zum Manager des Jahres gewählt, seine Arbeit und sein Leben finden jedoch ein jähes Ende: Am 1. April 1991 wird Rohwedder in seinem Privathaus in Düsseldorf von einem Schuss durchs Fenster tödlich in den Rücken getroffen. Zu dem Terrorakt bekannt sich das RAF-Kommando "Ulrich Wessel". Zehn Jahre später kann mit modernen wissenschaftlichen Methoden eine in dem Mordfall 1991 gefundene Haarspur dem RAF-Terroristen Wolfgang Grams zugeordnet werden. Grams selbst...

Die Leiche des erschossenen Treuhand-Chefs Detlev Karsten Rohwedder wird aus seinem Haus in Düsseldorf abtransportiert.

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...kommt zwei Jahre später bei einem Anti-Terror-Einsatz auf dem Bahnhof von Bad Kleinen bei Schwerin ums Leben. Beamte der GSG 9 wollten die RAF-Terroristen Grams und Birgit Hogefeld festnehmen. Während ihnen das bei Hogefeld gelingt, kann Grams zunächst flüchten und tötet dabei einen GSG 9-Beamten. Bei dem Schusswechsel wird auch Grams getroffen und stürzt aufs Gleis. Er stirbt an einem Kopfschuss, allerdings ist unklar, ob er sich diesen selbst zufügte oder von anderen GSG 9-Beamten getroffen wurde. Der GSG 9-Einsatz wird als Fiasko gewertet, Bundesinnenminister Rudolf Seiters übernimmt die politische Verantwortung für Ungereimtheiten bei der Aufklärung und tritt eine Woche später zurück.

Foto: dpa/Die Woche

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Am 20. April 1998 geht bei der Nachrichtenagentur Reuters ein achtseitiges Schreiben ein, in dem die RAF ihre Selbstauflösung verkündet. Darin heißt es: "Vor fast 28 Jahren, am 14. Mai 1970, entstand in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte."

Letzte Seite des Auflösungsschreibens der RAF. Foto: dpa

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Am 25. März 1996 wird der Hamburger Multi-Millionär Jan-Philipp Reemtsma vor seiner Wohnung in Hamburg-Blankenese entführt. Nachdem 30 Millionen Mark Lösegeld bezahlt worden sind, wird er im April nach 33-tägiger Geiselhaft in Maschen südlich von Hamburg freigelassen. Später fasst die Polizei die vier Entführer, die zu Haftstrafen zwischen fünf und vierzehneinhalb Jahren verurteilt wurden. Ein Großteil des Lösegelds ist weiterhin verschwunden.

Das von der Polizei geblendete Polaroid-Foto (Archivbild vom 26.03.1996) zeigt Jan Philipp Reemtsma bei seinen Entführern mit einer Ausgabe der Bild-Zeitung vom 26. März 1996. Das Foto wurde den Angehörigen als Lebensbeweis übermittelt.

Foto: dpa

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Die deutsche Einheit erlebte er noch, zwei Jahre später stirbt Altbundeskanzler Willy Brandt nach langer, schwerer Krankheit. Brandt wird nach seinem Tod im Berliner Reichstagsgebäude mit einem feierlichen Staatsakt geehrt und anschließend im Stadtteil Zehlendorf beigesetzt. Dem Staatsakt wohnen mehr als tausend Trauergäste aus aller Welt bei, darunter zahlreiche Staatsoberhäupter und Regierungschefs.

Offiziere der Waffengattungen der Bundeswehr tragen im November 1992 den Sarg Willy Brandts nach der Trauerfeier im Reichstagsgebäude zum Katafalk. Im Hintergrund oben rechts: Brandts Witwe Brigitte Seebacher-Brandt.

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Im Mai 1992 geht eine Ära zu Ende: Außenminister Hans-Dietrich Genscher tritt zurück. Der FDP-Politiker hat als Vorsitzender der Partei (1974-1985), als Innenminister (1969-1974) und vor allem als Außenminister (1974-1992) Deutschland mit geprägt. Zuletzt wurde sein gelber Pullunder zum Markenzeichen.

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In Bonn versuchte die SPD Kanzler Kohl abzulösen. 1994 geht man mit der "Troika" Scharping (als Kanzlerkandidat), Schröder, Lafontaine in den Wahlkampf. Die Bundestagswahl 1994...

Schröder, Lafontaine und Scharping (von links) 1994

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...geht knapp aus, Schwarz-Gelb wird abermals bestätigt. Bei der Kanzlerwahl liegt Helmut Kohl nur eine Stimme über dem Durst - diese Stimme kommt womöglich durch den CDU-Abgeordneten Roland Richter, der verspätet zur Kanzlerwahl eintrifft und dafür von Parteifreunden als "Idiot, Wahnsinniger und Arschloch" tituliert wird. Am Ende ist Kohl doch zum fünften Mal als Kanzler gewählt und Oppositionsführer Scharping bleibt nichts anders übrig, als artig zu gratulieren. Vier Jahre später...

unten links: CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble. Stehend: Bundeskanzler Kohl, Frauenministerin Angela Merkel, SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping, Grünen Fraktionschef Joschka Fischer.

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...ist es anders herum: Dieses Mal gratuliert Kohl dem SPD-Spitzenkandidaten zur geglückten Kanzlerwahl, der Gerhard Schröder heißt. Am 27. Oktober 1998 ging eine Ära zu Ende: 16 Jahre lang war Kohl Bundeskanzler gewesen, so lange wie kein anderer zuvor. Auch an der Spitze des Staates...

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...gibt es wenige Monate später einen Wechsel von Schwarz zu Rot: Am 1. Juli 1999 übernimmt der langjährige Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Johannes Rau (SPD) das Amt des Bundespräsidenten von Roman Herzog (CDU). Fünf Jahre zuvor war Rau Herzog bei der Wahl zum Bundespräsidenten noch unterlegen.

Roman Herzog (links) gratuliert Johannes Rau.

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Eine andere Zeitenwende findet zur gleichen Zeit statt: Bundestag und Bundesregierung zogen nach Berlin um. Nach 50 Jahren geht die Ära Bonn zu Ende.

Bundesbauminister Franz Müntefering (SPD) trägt am 28.06.1999 eine Umzugskiste in sein neues Berliner Büro.

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Die Neunziger enden mit einem handfesten politischen Skandal. Durch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Augsburg gegen den früheren CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung wird bekannt, dass die Bundes-CDU, ebenso der Landesverband Hessen, über lange Zeit hinweg Parteispenden auf geheime Sonderkonten der Partei transferiert hatte, ohne diese dem Parteiengesetz entsprechend ordnungsgemäß deklariert zu haben. Der langjährige CDU-Chef Helmut Kohl räumt ein, als Parteivorsitzender von solchen heimlichen Konten gewusst und über sie auch mitverfügt zu haben. Kurz darauf erklärt er, er selbst habe von 1993 bis 1998 für die Partei Spenden in einer Gesamthöhe von 1,5 bis 2 Mio. DM entgegengenommen, ohne diese offiziell zu deklarieren. Bis heute verweigert Kohl jegliche Auskunft über die Herkunft der Spenden, da er den Geldgebern per Ehrenwort Anonymität zugesichert hätte.

SPD-Persiflage auf ein Bundestagswahlplakat der CDU. Es zeigt einen Elefanten in einem See, versehen mit dem Text "Kiep Kohl! Elefanten vergessen nichts!", sowie das CDU-Logo.

Foto: dpa

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