60 Jahre Auschwitz-Befreiung:Die UN gedenken erstmals offiziell des Holocausts

Bislang war dies vor allem am Widerstand arabischer und islamischer Staaten gescheitert.

Von Stefan Ulrich

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte werden die Vereinten Nationen an diesem Montag offiziell des Holocausts gedenken.

In der Sondersitzung der UN-Generalversammlung in New York wollen unter anderem UN-Generalsekretär Kofi Annan, der israelische Außenminister Silvan Schalom, dessen deutscher Kollege Joschka Fischer sowie der Holocaust-Überlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel sprechen.

Anlass der Gedenkveranstaltung ist der 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz. Vertreter westlicher Staaten hoffen, dass die Sondersitzung eine Wende zum Besseren im zerrütteten Verhältnis zwischen den Vereinten Nationen und Israel einleiten könnte.

Die Initiative zu der Veranstaltung ging von Israel und den Vereinigten Staaten aus. Deutschland wurde früh eingebunden und warb in der Europäischen Union und bei den Vereinten Nationen für die Initiative.

Israel, das sich in den UN oft isoliert fühlen musste, hat sich dafür bei der Bundesregierung ausdrücklich bedankt. Die Rede von Bundesaußenminister Fischer dürfte nun auch als Zeichen in alle Welt dienen, wie sehr sich der ehemalige Aggressor-Staat im vergangenen halben Jahrhundert gewandelt hat.

Entsprechend akribisch bereitete sich der Außenminister auf seinen Auftritt vor. Noch auf dem Flug nach New York am Sonntag feilte er an seiner Rede.

Deutschland wird in der Charta der Vereinten Nationen zwar immer noch als Feind-Staat behandelt. Es hat sich in der Praxis aber längst zu einem sehr aktiven Mitglied des Völkerclubs entwickelt. Bei der anstehenden UN-Reform hofft Berlin nun, mit einem Ständigen Sitz im Sicherheitsrat ausgezeichnet zu werden.

UN als Reaktion auf die Nazi-Verbrechen entstanden

Annan erinnerte am Wochenende daran, dass die Vereinten Nationen einst in Reaktion auf die Nazi-Verbrechen entstanden sind.

"Die Gründung dieser Organisation war eine direkte Antwort auf den Holocaust", sagte Annan. "Unsere Charta wurde geschrieben, als die Welt den ganzen Horror der Todeslager erfuhr."

Nun dürften die Verbrechen nicht einfach der Geschichte überlassen werden. Auch müsse "jede Generation auf der Hut sein, um sicherzustellen, dass so etwas nie wieder passiert".

Der Generalsekretär hat sich seit Wochen für das Zustandekommen der Gedächtnisveranstaltung engagiert und alle Staaten aufgefordert, der Sitzung zuzustimmen. Bis zum Wochenende schlossen sich knapp 150 der 191 UN-Staaten der Initiative an.

Vertreter von anderen Ländern wollten selbst sprechen. Manche UN-Beobachter zeigten sich über die Teilnahme irritiert. Wenn es bei den Vereinten Nationen um Themen wie Aids gehe, dann drängten sich alle darum, etwas zu sagen, hieß es.

Missbrauch der UN im Palästina-Konflikt

In der Tat ist es erstaunlich, dass die Vereinten Nationen bislang nie offiziell des Holocausts gedachten - nicht einmal zum 50. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager. Einer der Gründe ist der Widerstand arabischer und islamischer Staaten gewesen.

Diese missbrauchten vor dem Hintergrund des Palästina-Konflikts manches Mal die UN-Generalversammlung als Propagandabühne gegen Israel. Den Tiefpunkt markiert dabei eine Resolution aus dem Jahr 1975, die den Zionismus mit Rassismus gleichsetzte.

Auf der anderen Seite haben sich die USA im UN-Sicherheitsrat immer wieder einseitig auf die Seite Israels gestellt und viele Resolutionen zum Nahost-Konflikt blockiert, was die arabische Welt entsprechend verbitterte.

Nunmehr scheint sich allerdings eine gewisse Entspannung innerhalb der UN anzubahnen. Hierfür spricht, dass sich auch manche islamische Staaten hinter die Gedenkveranstaltung an diesem Montag stellten - Marokko etwa, der Oman, Pakistan und Bangladesch.

Algeriens UN-Botschafter Abdallah Baali sagte jetzt anlässlich des Jahrestags der Auschwitz-Befreiung: "Es ist ein bedeutendes Datum für uns alle."

Als arabische Gruppe habe man keinerlei Problem mit der Gedenkveranstaltung. In deutschen Diplomatenkreisen hieß es dazu, man hoffe auf einen Bewusstseinswandel in der arabischen Welt. Die islamischen Staaten hätten erkannt, dass sie mit ihrer abwehrenden Haltung zum Holocaust-Gedenken ihrer eigenen Sache schadeten.

Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen, Dan Gillerman, sagte, er hoffe, "dass sich die Veränderungen in der Welt in den Vereinten Nationen widerspiegeln". Die Sonder-Sitzung an diesem Montag sei eine der feierlichsten und historisch bedeutsamsten Veranstaltungen der General-Versammlung.

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