Italienische Lega Nord will Abspaltung:Träumen von einem neuen Staat

Ideen zur Abspaltung des florierenden italienischen Nordens hatte die Lega Nord schon immer. Nun präsentiert sie gar eine neue Landkarte. Mit der Schweiz, Österreich, Bayern und Savoyen soll der Staat Padanien gebildet werden. Reine Folklore ist das nicht. In Italien finden abstruse Vorschläge mehr Zuspruch, als man gemeinhin denkt.

Michele Brambilla ("La Stampa")

Anfang Dezember, kurz nachdem sie aus der Regierungskoalition ausgeschieden war, rief die Lega Nord in Vicenza ihr "Parlament des Nordens" zusammen, und Parteichef Umberto Bossi verkündete das neue Programm der Partei. Bossi zeigte eine Landkarte, die sein Sohn Renzo koloriert hatte. Auf dieser war ein neuer Staat eingezeichnet: "Padanien", eine Vereinigung mit der Schweiz, Österreich, Bayern und Savoyen.

Anti-government demonstration in Milan

Chefs unter sich: Parteivorsitzender Umberto Bossi (li.) und der frühere Innenminister Roberto Maroni. Während Bossi zwar charismatisch, aber seit seinem Schlaganfall 2004 nicht mehr durchsetzungsfähig ist, halten sich viele an Maroni.

(Foto: dpa)

Wie ernst es der Lega Nord ist, machte der frühere Minister Roberto Calderoli deutlich: Von nun an müsse jedes Lega-Mitglied bei der Erneuerung seines Mitgliedsausweises feierlich schwören, für eine Abspaltung Padaniens von Italien zu kämpfen.

Es war freilich nicht das erste Mal, dass die Lega von Sezession sprach. Im Grunde war ein Padanien immer ihr eigentliches Ziel, genauer gesagt ihr Traum. Aber bisher war noch nie die Rede davon gewesen, nicht nur die Grenzen Italiens zu verändern, sondern auch die anderer Staaten. Bossi hat den Schwenk so begründet: In Europa tobe ein Krieg, ein wirtschaftlicher zwar, aber immerhin ein Krieg, den Italien verloren habe. Wenn Kriege endeten, würden Friedensverträge aufgesetzt - und Grenzen neu gezogen.

Wie glaubwürdig ist ein solches politisches Programm? In Italien wurde es als Schildbürgerstreich gewertet, und wahrscheinlich waren die Kommentare im Ausland noch ätzender. Man versuche, sich vorzustellen, was die Deutschen, die Franzosen, die Österreicher und die Schweizer davon halten, dass ein Herr namens Umberto Bossi ihre Ländergrenzen verändern will. Dass es sich um eine Posse handelt, ist offensichtlich. Davon abgesehen ist die Lega derzeit ein ziemlich zerrissener Haufen, in dem heftigste innere Kämpfe ausgefochten werden.

Bossi ist zwar immer noch der charismatische, aber schon lange nicht mehr durchsetzungsfähige Chef. Seit seinem Schlaganfall im März 2004 lebt er umgeben von einem sehr engen Kreis von Leuten, den seine Ehefrau Emanuela Marrone anführt und der von der Mehrzahl der Leghisti verächtlich "der magische Zirkel" genannt wird. Dieser halte den kranken Patriarchen gefangen, heißt es. Die Mehrheit hält sich inzwischen an den früheren Innenminister Roberto Maroni.

Die Spaltung ist offensichtlich, seit Bossi - oder der "magische Zirkel" - Maroni verboten hat, in der Öffentlichkeit zu sprechen. Dass er von einer so geschwächten politischen Bewegung vorgeschlagen wurde, macht den an sich schon verrückten Plan Padaniens noch abseitiger.

Doch es wäre ein Fehler, ihn ganz als Folklore abzutun. Die Gedankengänge der Lega spiegeln Gefühle wider, die in Norditalien weit verbreitet sind. Ihnen liegen zwei Regungen zu Grunde: Dass zum einen der Süden des Landes nur eine von Rom wirtschaftlich aufgepäppelte Bremse sei, die verhindere, dass Italien endlich so werde wie Deutschland oder England. Zum zweiten besteht nicht nur in der Lega, sondern im ganzen Mitte-rechts-Spektrum ein Unbehagen über Europa, eine feindselige Haltung gegenüber der gemeinsamen Währung, die als Ursache für die augenblickliche Wirtschaftskrise genannt wird.

Diese Feindseligkeit gilt auch gegenüber den stärkeren Ländern der Euro-Zone, den vermeintlichen wahren Herren des Euro, die Italien behandelten wie einen armen Verwandten, wenn nicht wie eine Kolonie. Die Opfer, die die Regierung Monti den Italienern nun im Namen der europäischen Stabilität abverlangt, verstärken diese ablehnende Haltung.

Der neue Staat, den Bossi in Vicenza angekündigt hat, bleibt vorerst auf die von seinem Sohn gefärbte Landkarte beschränkt. Aber wenn jemand in Italien derartige Dinge vorschlägt, dann vielleicht deswegen, weil er weiß, dass sie dort mehr Zuspruch finden, als man gemeinhin denkt.

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