Italien:Zu viele Köche

Italien: Renzi solo: Der frühere Regierungschef Italiens schafft es nicht, die Sozialdemokraten zusammenzuhalten. Es gibt zu viele, die sich an ihm rächen wollen.

Renzi solo: Der frühere Regierungschef Italiens schafft es nicht, die Sozialdemokraten zusammenzuhalten. Es gibt zu viele, die sich an ihm rächen wollen.

(Foto: Franco Origlia/Getty Images)

Je näher die für Frühjahr geplanten Wahlen rücken, desto mehr Politiker aus der linken Mitte rücken vom sozialdemokratischen Ex-Premier Matteo Renzi ab.

Von Oliver Meiler, Rom

"Frittata" ist das italienische Wort für Omelett. Da wirft man bekanntlich alles rein, was vom Tag übrig geblieben ist, pappt es mit Ei zusammen und brät es in der Pfanne. Manchmal wird es richtig gut, manchmal nicht. Wenn der frühere Premier Romano Prodi nun sagt, die "frittata" sei nicht gelungen, sollte man genau hinhören. Es geht um das Omelett der linken Mitte, den Versuch, vor den Wahlen im Frühjahr rund um den Partito Democratico (PD) eine progressive Allianz zu bilden, in der sich Christlichsoziale wie Postkommunisten wohlfühlen, halbe Linke wie ganze, Grüne und Radikale.

Früher, als Prodi regierte, hieß das Bündnis dieser Kräfte "Ulivo", Olivenbaum. Das war vielleicht das schönere Bild. Prodi jedenfalls war der bessere Bündnisschmied als Ex-Premier Matteo Renzi und der bessere Teamspieler - oder, um beim Kulinarischen zu bleiben: der bessere Koch.

In den vergangenen Tagen sind trotz dramatischer, zuweilen etwas pathetischer Vermittlungsversuche der Emissäre von PD-Parteichef Renzi gleich drei mögliche Bündnispartner weggebrochen. "Renzi solo", titelte eine Zeitung, Renzi alleine. Es sei, nun ja, als verließen alle das sinkende Schiff. Es ist gerade hohe Zeit für Metaphern aller Art. Am schwersten wiegt der Verlust der Dissidenten vom linken Flügel, die vor allem aus persönlicher Aversion gegen Renzi den Partito Democratico verließen und nun eine eigene Partei gegründet haben.

Der Partito Democratico käme derzeit auf 25 Prozent. Das wäre nur der dritte Platz

Sie nennt sich "Liberi e Uguali" (Freie und Gleiche), und weil einige Splittergruppen vom äußeren linken Rand darin Platz finden, gilt sie als Italiens Antwort auf "Die Linke" in Deutschland. Als Anführer und Spitzenkandidaten wählten Liberi e Uguali den Senatspräsidenten und früheren Mafiajäger Pietro Grasso. Der ist 72 Jahre alt und für viele Italiener eine moralische Instanz. Man traut Grasso zu, dass er die neue Partei auf acht bis zehn Prozent der Stimmen bringt. Einen Teil nähme er wohl der Protestpartei Cinque Stelle weg, wo etliche enttäuschte Linke zwischenzeitlich Heimat fanden. Am meisten aber verliert Renzis PD. So ist das auch gewollt: Hinter Grasso stehen die einstigen Parteigrößen Massimo D'Alema und Pierluigi Bersani, die auf Rache sinnen. Renzi verhieß ihnen mal die "Verschrottung". Nun schrotten sie zurück.

Ein netter, stets lächelnder Herr aus dem Norden, Mailands ehemaliger Bürgermeister Giuliano Pisapia, hätte die beiden besänftigen und von den Vorzügen einer Allianz überzeugen sollen. Mehr als ein Jahr lang gab Pisapia mit seiner Sammelbewegung "Campo Progressista" den Wanderdiplomaten, bis er nun vor einigen Tagen kapitulierte. Das sei ihm viel zu viel Stress, sagte er, die Spannungen zwischen Renzi und den Dissidenten seien zu groß. Selber möge er auch nicht fürs Parlament kandidieren. "Campo Progressista" löst sich auf, wahrscheinlich wechseln die Mitglieder eher zu Grasso denn zu Renzi.

Genug hat auch Angelino Alfano. Dem Christdemokraten aus Sizilien gelang eine denkwürdige Karriere: Er begann als Justizminister Silvio Berlusconis, wechselte nach dessen Sturz mit einer neuen Mini-Partei als Mehrheitsbeschaffer zur Linken; wurde Innenminister und zuletzt Außenminister. Nur große Aufgaben für diesen Chef der kleinen Partei "Alternativa Popolare", die, wären heute Wahlen, nicht mehr als drei Prozent erreichen würde. Auch sie wird nun verschwinden. Und Alfano sagt, er suche sich einen Job.

Renzi bleibt vorderhand also nur der PD, und der hat nach jüngsten Umfragen Aussicht auf 25 Prozent der Stimmen. Das sind drei Prozent weniger als die Cinque Stelle und zehn Prozent weniger als das gesamte rechte Lager aus Berlusconis bürgerlicher Forza Italia, der rechtspopulistischen Lega Nord und den postfaschistischen Fratelli d'Italia. Die absolute Mehrheit wird keiner der drei großen Blöcke erreichen. Doch wer die meisten Stimmen holt, entscheidet, mit wem er reden mag.

Renzis persönliche Popularität schrumpft ebenfalls zusehends. Seine Zugreise durchs Land war ein mittlerer Flop. Er wiederholt unablässig, das Wirtschaftswachstum und die sinkende Arbeitslosigkeit seien spätes Verdienst seiner Reformpolitik - und das ist zum Teil auch wahr. Doch vielen Italienern geht das süffisant vorgetragene Eigenlob so auf die Nerven, wie davor, während Renzis tausendtägiger Regierung, sein repetitives Schönreden. Allzu oft kollidierte es nämlich mit der gelebten Wirklichkeit.

Der Traum ist: Schaffen, was Macron gelang. Aber bei dem war einiges anders

Man rechnet ihm nicht einmal an, dass er nach dem verlorenen Verfassungsreferendum als Premier und Parteichef zurückgetreten war, ohne Not, was in Italien selten vorkommt. Doch er war auch schnell zurück, wenigstens als PD-Chef. Viel Zeit für Selbstkritik nahm sich Renzi nicht. So herrscht der Eindruck vor, dass dieses politische Großtalent sein Kapital vergeudet hat - ebenfalls ohne Not. Vor den Fernsehkameras ist er noch immer brillant, schnell und geistreich. Die Quoten sind stets gut. Es schauen ihm auch die gern zu, die ihn nicht mehr wählen.

Doch Renzi gibt sich trotzig. Zeitungen zitieren aus Gesprächen, die der Florentiner mit Parteikollegen geführt haben soll: "Seit dieses Ballett der Allianzen begonnen hat", sagte er, "haben wir sechs Prozent verloren." Es reiche. "Kopf runter, auf in den Wahlkampf." La Stampa schreibt: "Renzi fühlt sich weder geschlagen noch allein." Im Gegenteil, er habe jetzt die Chance, sein Projekt richtig zu realisieren. "Und das heißt: ein Mann allein im Kommandoraum." Man hört, er wolle schaffen, was Emmanuel Macron in Frankreich gelang. Mit einer Ein-Mann-Show, einem klaren Programm gegen die Populisten. Nur: Macron war davor nie Premier, nie Parteichef. Er war gewissermaßen neu. Renzi dagegen wirkt mit 42 schon ziemlich alt.

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