Italien:Vor der Kernspaltung

Italien: Rau im Ton, klar in der Botschaft: Ex-Premier Matteo Renzi in Rom.

Rau im Ton, klar in der Botschaft: Ex-Premier Matteo Renzi in Rom.

(Foto: Angelo Carconi/AP)

Ex-Premier Matteo Renzi stürzt den Partito Democratico in eine Führungskrise. Er hofft auf eine Wiederwahl, doch die Partei ist zerstritten wie nie.

Von Oliver Meiler, Rom

Ein Rücktritt kann auch ein Angriff sein. Matteo Renzi, Italiens ehemaliger Premierminister, hat am Sonntag bei einer Delegiertenversammlung des Partito Democratico (PD) sein Amt als Parteisekretär niedergelegt. Damit zieht sich der 42 Jahre alte Toskaner aber nicht etwa aus der Politik zurück, wie er sich das, wie er sagte, in den vergangenen Wochen auch mal überlegt habe. Sondern er drängt im Gegenteil mit Macht und wider alle Vernunftappelle zurück ins Zentrum der italienischen Öffentlichkeit. "Man kann mich demokratisch herausfordern und bezwingen", sagte Renzi zu seinen Rivalen vom linken Parteiflügel, "man kann mich aber nicht ausschließen". Bis zuletzt hatte es Gerüchte gegeben, Renzi könnte in seiner Rede sanftere Töne anschlagen, um die nun drohende Spaltung der Partei zu verhindern. Der Tonfall fiel dann aber kompromisslos rau und trotzig aus.

Mit seinem Rücktritt erzwingt Renzi die Einberufung eines frühzeitigen Parteikongresses und neue Urwahlen für den Vorsitz. Er selber kandidiert dann auch wieder, denn er rechnet sich aus, dass die Parteibasis ihn als Anführer des sozialdemokratischen Lagers bestätigen wird. Renzi braucht diese Stärkung: Das Nein zur Verfassungsreform bei der Volksabstimmung Anfang Dezember gilt als seine persönliche Niederlage. Der ehemalige Ministerpräsident befürchtet nun, dass sein Stern ganz verblassen könnte. Mit der schnellen Klärung der parteiinternen Auseinandersetzung strebt er auch vorzeitige Neuwahlen an. Regulär endet die Legislaturperiode im Februar 2018. Renzi aber wäre es viel lieber, wenn noch in diesem Jahr gewählt würde.

Fraglich ist, ob Renzi seine Chancen nicht überschätzt. Cinque Stelle liegt mit dem PD gleichauf

Seine Gegner werfen ihm vor, ihn beseele allein die Lust auf Revanche. Dafür sei er bereit, die Regierung seines Nachfolgers Paolo Gentiloni im Ungewissen zu lassen. Renzi selber sagt, das Nein zu seiner Großreform habe einen politischen Zyklus beendet. Darum sei es nur fair und richtig, dass die Italiener bald wählen könnten. Sollte der Staatspräsident überhaupt bereit sein, das Parlament frühzeitig aufzulösen, kämen als Wahltermine theoretisch Juni und September oder Oktober in Frage. In seiner Hast hatte Renzi ursprünglich offenbar den früheren Termin angepeilt. Doch Juni ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil das Parlament zunächst neue Wahlgesetze für die Bestellung beider Kammern verabschieden muss. Und da zeichnet sich bisher kein Konsens ab. Fraglich ist auch, ob Renzi seine Chancen nicht überschätzt, da die Protestpartei Cinque Stelle in den Umfragen fast gleich aufliegt mit dem PD.

In seiner Rede am Sonntag räumte Renzi erneut ein, dass er sich verantwortlich fühle für die Niederlage beim Referendum. Doch dann erinnerte er gewohnt kämpferisch daran, dass er die Partei vor drei Jahren bei 25 Prozent übernommen habe und in kurzer Zeit, bei den Europawahlen im Mai 2014, auf 40,8 Prozent trieb - das beste Ergebnis in ihrer Geschichte. Seither ist der Konsens freilich eingebrochen, etliche Wahlen gingen verloren. Dennoch glaubt Renzi, dass die Wähler nicht verstehen, weshalb man sich im PD so dramatisch und zeitaufwendig befehde, wo doch die Probleme des Landes ganz andere seien. "Mich schmerzt das Wort Abspaltung", sagte Renzi. Noch schlimmer aber sei das Wort Erpressung.

Angesprochen waren damit die Rebellen der Partei, angeführt vom Chef der Anti-Renzianer, dem früheren Premier Massimo D' Alema, der sich einen Verbleib in der Partei anscheinend nur unter der Bedingung vorstellen kann, dass der junge Florentiner nicht mehr dabei ist. Zu den Abspaltungswilligen gehören auch der ehemalige Parteisekretär Pier Luigi Bersani sowie die Gouverneure von Apulien und der Toskana, Michele Emiliano und Enrico Rossi. Umfragen ergaben, dass eine vom PD losgelöste Partei mit linkerem Profil etwa sechs Prozent der Stimmen gewinnen könnte. Würden alle Parlamentarier, die sich diesem dissidenten Lager zugehörig fühlen, aus den Fraktionen austreten, verlöre der PD in der Abgeordnetenkammer 40 Mitglieder (von derzeit 343) und im Senat, wo seine Mehrheit nur sehr dünn ist, womöglich entscheidende 20 (von 133).

Im Namen der "Minoranza Dem", wie die Minderheit vom linken Flügel genannt wird, sprach dann aber keiner dieser Exponenten, sondern Guglielmo Epifani, ebenfalls ein ehemaliger Generalsekretär der Partei und Gewerkschaftsführer. Epifani ist bekannt dafür, dass er seine Worte mit Bedacht wählt. Sein Referat war jedoch eine einzige Abrechnung mit Renzis Regierungsleistung: Epifani kritisierte unter anderem die Reformen am Arbeitsmarkt und im Schulwesen - und das ungewohnt scharf. Einmal mehr streitet man sich in der italienischen Linken also darüber, was links ist und wem es zusteht, sich links zu nennen. Den PD gibt es seit 2007. Damals verbündeten sich die linken Christdemokraten von der Margherita, wo Renzi herkommt, mit den Postkommunisten von den Democratici di Sinistra. Sie hätten fusionieren sollen. Nun droht eine Kernspaltung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: