Italien und Libyen:Noch ein zweifelhafter Partner

In Italiens Medien kursiert ein Foto von Innenminister Minniti und dem libyschen General Haftar. Offenbar soll auch er dabei helfen, Fluchtrouten stillzulegen - gemeinsam mit seinem Widersacher, dem libyschen Premier al-Serraj.

Von Oliver Meiler, Rom

Ein recht unspektakuläres Foto von zwei Herren gibt viel zu reden in Italien. Zu sehen sind darauf der italienische Innenminister Marco Minniti und der libysche General Khalifa Haftar, wie sie sich die Hände schütteln. Minniti lächelt, mit der linken Hand hält er Haftar jovial am Oberarm. Der General ist etwas steifer, doch auch er macht einen zufriedenen Eindruck. Aufgenommen wurde das Bild vor einigen Tagen bei einem privaten, sogar etwas geheimen Treffen der beiden in Bengasi, im Osten Libyens, wo Haftar herrscht. Jedenfalls mochte Minniti daheim nicht davon erzählen. Wenn nun trotzdem darüber geredet wird, dann rührt das daher, dass Haftars Libyan National Army das Foto auf ihr Profil bei Facebook lud. Von dort übernahmen es die italienischen Medien.

Das Bild ist ein Zeitdokument. Es ist nämlich das erste Mal, dass sich ein Mitglied der italienischen Regierung mit dem General getroffen hat. Das Gespräch, berichtet die Zeitung Corriere della Sera, soll mehr als drei Stunden gedauert haben und durchgehend herzlich verlaufen sein. Und auch das ist erstaunlich. Bisher hatten die Italiener ganz auf Haftars Rivalen im Westen des Landes gesetzt: auf Premier Fayez al-Serraj, den auch die Vereinten Nationen unterstützen. Haftar, der auf den Beistand Ägyptens und Russlands zählen kann, war ob der Bevorzugung der früheren Kolonialmacht verärgert. Als Italien dann unlängst ankündigte, es werde auf Einladung von al-Serraj mit eigenen Booten auch in libyschen Gewässern kreuzen, um gegen Schleuserbanden vorzugehen, drohte Haftar mit dem Bombardement der italienischen Marine.

Ein möglicher Nebeneffekt: Italien könnte zwischen Haftar und seinem Rivalen vermitteln

Für die Migrationsfrage könnte das Treffen von Minniti und Haftar eine zentrale Bedeutung haben. Seitdem die bisher übliche Fluchtroute - vom Süden Libyens über die Küsten im Westen von Tripolis und von dort über das zentrale Mittelmeer nach Italien - neuerdings fast stillgelegt ist, suchen die Migranten nach Auswegen weiter östlich, im Befehlsgebiet Haftars. Nun soll der General diese alternativen Routen kontrollieren. Noch wichtiger aber erscheint die Aussicht, dass sich die libyschen Kontrahenten dank der Vermittlung der Italiener etwas näher kommen und dass dies vielleicht sogar zu einer politischen Stabilisierung des Landes beitragen könnte. Es ist eine flüchtige Hoffnung: Haftar trachtete bislang stets nach der ganzen Macht in dem zerrütteten Staat.

Aus der Entourage von al-Serraj heißt es, man sei über das Treffen informiert worden, die Initiative passe gut zu den Bestrebungen der vergangenen Monate. Dennoch wollte Minniti seine Reise nach Bengasi für sich behalten, samt Foto - warum nur?

Italienische Zeitungen vermuten, dass Ägypten, Haftars Schutzmacht, den Termin eingefädelt hat. Auch das wäre eine Wende. Zwischen Kairo und Rom hatte nach dem Foltermord am jungen italienischen Forscher Giulio Regeni im Januar 2016 lange Zeit Funkstille geherrscht. Und obschon die Ägypter sich gegen die Aufklärung des Falls stemmen, entsenden die Italiener in diesen Tagen wieder einen Botschafter nach Kairo. Als wäre die Affäre beigelegt. Dafür gibt es nun wohl die Mittlerrolle in Libyen.

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