Italien: Umstrittenes Immunitätsgesetz:Berlusconi im Visier der Justiz

Roms Regent könnte schon bald vor Gericht stehen: Das italienische Verfassungsgericht hat die umstrittene Immunitätsregelung in Teilen aufgehoben. Berlusconi gab sich im Vorfeld betont gelassen. Doch dem Cavaliere stehen nun schwierige Zeiten bevor.

Das italienische Verfassungsgericht hat die umstrittene Immunitätsregelung für Italiens Premier Silvio Berlusconi und die übrigen Kabinettsmitglieder in Teilen für ungültig erklärt. Das Gesetz erlaubt den Regierungsmitgliedern, sich über insgesamt 18 Monate hinweg pauschal mit ihren Amtsgeschäften zu entschuldigen, wenn sie nicht vor Gericht erscheinen wollen. Regierungschef Berlusconi wird von Gegnern vorgeworfen, die Regelung sei auf ihn zugeschnitten und solle ihn schützen. Tatsächlich nimmt Italiens Premier diese Regelung seit März vergangenen Jahres in Anspruch.

Italian Prime Minister Silvio Berlusconi attends a session at the Senate in Rome

Das italienische Verfassungsgericht hat die umstrittene Immunitätsregelung in Teilen für ungültig erklärt. Silvio Berlusconi stehen nun schwierige Wochen bevor - auch im Parlament.

(Foto: REUTERS)

Italienischen Medienberichten zufolge habe das Gericht nun den Anwendungsbereich der Norm eingeschränkt. Insbesondere sei die Regelung ausgesetzt worden, wonach Berlusconi generell nicht vor Gericht erscheinen müsse. Fortan liegt dies in der Einschätzung der Richter, die dies von Fall zu Fall entscheiden müssten.

Es könnte also sein, dass Berlusconi bald vor den Richter treten muss. Derzeit sind gegen ihn zwei Prozesse anhängig, ein dritter wird vorbereitet.

Die sogenannte Norm der gerechtfertigten Abwesenheit war im März 2010 per Vertrauensabstimmung in aller Eile durchs Parlament gedrückt worden, um Berlusconi vor den Verfahren zu retten. Das Verfassungsgericht musste nun entscheiden, ob die Immunitätsregelung gegen den Grundsatz verstößt, dass alle Bürger vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind. Außerdem hatten die Richter zu klären, ob das umstrittene Gesetz Formfehler aufweist.

Für den Fall, dass Berlusconi vor Gericht muss, hoffen seine Anwälte darauf, dass ihm Verjährungsfristen helfen werden. Zudem lasse das italienische Recht auch andere Wege zur Aussetzung von Gerichtsverfahren zu, hatten die Anwälte vorab erklärt. Etwa im Falle einer schweren Krankheit.

"Auf den Kopf meiner Enkelkinder geschworen"

Berlusconi selbst gab sich im Vorfeld der Entscheidung betont gelassen. Am Mittwoch sagte er am Rande seines Besuchs in Berlin zu deutsch-italienischen Regierungskonsultationen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Frage, ob sich der Gerichtsentscheid auf die italienische Regierung auswirke: "Mich lässt das völlig kalt, ob diese Prozesse nun gestoppt werden oder nicht."

Die andere Front

Und weiter: "Ich finde, es ist einfach lächerlich, worum es hier geht. Und ich habe ja auf den Kopf meiner Kinder und meiner Enkelkinder geschworen, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen. Ich werde den Italienern im Fernsehen, das habe ich versprochen, genau erklären, worum es hier geht bei diesen Prozessen. Und dann wird man genau verstehen, wie es um diese Pathologie Italiens bestellt ist."

In den vergangenen Jahrzehnten hatte es unzählige Ermittlungen gegen Berlusconi gegeben, mehrfach kam es zu Prozessen gegen ihn - verurteilt wurde er aber nie. Entweder wurde er freigesprochen oder die Vorwürfe waren verjährt.

Derzeit warten in Mailand zwei Verfahren auf den italienischen Premier: In dem einen Fall ist er beschuldigt, in den neunziger Jahren den britischen Anwalt David Mills mit 600.000 Dollar für Falschaussagen bestochen zu haben. Im Fall Mediaset ist der Premier wegen Steuerbetrugs angeklagt: Berlusconi wird vorgeworfen, sich beim Kauf von TV-Rechten für sein Medienimperium Mediaset der Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben. Es geht um 470 Millionen Euro. Noch nicht eröffnet ist der Mediatrade-Prozess, in dem ihm weitere Steuervergehen vorgeworfen werden.

Bereits 2004 und 2009 hatte der Ministerpräsident Anläufe zu praktisch identischen Immunitätsgesetzen unternommen: Diese besagten, der italienische Regierungschef, der Staatschef und die Präsidenten der beiden Parlamentskammern sollten während ihrer Amtszeit strafrechtlich nicht verfolgt werden können. Doch das Verfassungsgericht wies sowohl den Lodo Schifani aus dem Jahr 2004 sowie die im Jahr 2009 erlassene Regelung, den Lodo Alfano, zurück.

Berlusconis politischer Überlebenskampf spielt sich aber noch an einer anderen Front ab: im Parlament. Denn nach dem Misstrauensantrag vor vier Wochen, den der italienische Premier nur knapp überstanden hatte, ist seine Partei Volk der Freiheit (Popolo della Libertà, PDL) noch immer auf der Suche nach einer stabilen Mehrheit in der Abgeordnetenkammer.

Ende Januar steht zudem die Entscheidung über einen Misstrauensantrag gegen Kulturminister Sandro Bondi an: Die Opposition will ihn zum Rücktritt zwingen, weil er bei Schutz und Unterhalt der nationalen Kulturgüter versagt habe.

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