Italien:Schwadronieren können auch andere

Italien: Alles Lächeln war vergeblich: Silvio Berlusconi, hier während des Wahlkampfes in Neapel, holte mit seiner Partei nur 14 Prozent der Stimmen.

Alles Lächeln war vergeblich: Silvio Berlusconi, hier während des Wahlkampfes in Neapel, holte mit seiner Partei nur 14 Prozent der Stimmen.

(Foto: Livio Anticoli/AFP)

Silvio Berlusconi versprach den Himmel auf Erden, ist mit seiner Forza Italia aber tief gefallen. Die Hälfte seiner einstigen Wähler wechselte zur rechtspopulistischen Lega, deren Chef nun sogar Premier werden will.

Von Oliver Meiler, Rom

Zwei Tage lang hat Silvio Berlusconi geschwiegen, was sonst nicht seine Art ist. Er ließ Freunde und Berater zu sich nach Arcore kommen, und die erzählten danach den italienischen Medien, Berlusconi sei bitter enttäuscht über sein Ergebnis bei den Parlamentswahlen. 14 Prozent, so tief war seine Forza Italia noch nie gefallen. Das gesamte Rechtsbündnis brachte es zwar auf 37 Prozent der Stimmen, doch das reicht nicht aus für die Macht. "Game over", titelte Il Fatto Quotidiano, schickte aber nach: "Diesmal ist das Ende nahe, so nahe wie noch nie."

Zwei volle Tage brauchte Berlusconi, um sich zu fassen. Auch die Börsenverluste seiner Firmen wollten erst einmal verdaut sein: Mehr als 80 Millionen Euro verlor allein das Fernsehimperium Mediaset. Dann meldete sich Berlusconi mit einem kurzen Videoclip, wie gewohnt aufgenommen in seinem Büro mit der schönen Bibliothek. Er hörte sich schon wieder kämpferisch an. "Ich bleibe der Anführer von Forza Italia", sagte Berlusconi. "Ich bin der Regisseur der Rechten und der Garant für die Festigkeit unserer Koalition." Sein dürftiges Resultat erklärte er so: "Es wäre natürlich ganz anders ausgegangen, wenn ich selbst angetreten wäre."

Nun, vielen Italienern war gar nicht aufgefallen, dass Berlusconi wegen seines Ämterbanns vom Rennen ausgeschlossen war. Auf den Wahlplakaten warb Forza Italia mit "Berlusconi Presidente". Am Fernsehen sah man nur ihn. Alle Magazine seines Verlags hatten Berlusconi in den Tagen vor der Wahl noch mal auf die Titelseite gehoben: Für Chi gab es eine Homestory mit Fotos aus der Küche, für das Frauenheft Grazia ein Plädoyer für ein "Ende der Diskriminierung" der Frauen, für das Nachrichtenmagazin Panorama ein großes Interview mit der Schlagzeile "Ihr seid enttäuscht von der Politik? Ich bin es auch. Verändern wir sie zusammen!" Er versprach wieder den Himmel auf Erden: ein Italien fast ohne Steuern.

Der Lega-Chef kopierte die Idee eines niedrigen Steuersatzes, unterbot aber sogar Berlusconi

Doch offensichtlich zieht die Nummer nicht mehr. Berlusconi ist längst Establishment, obschon er sich immer noch gern als Außenseiter geriert, als "Anti-Politiker". Mittlerweile gibt es Populisten, die noch farbenfroher schwadronieren als er. Und da diese Herrschaften von den Cinque Stelle und von der Lega noch nie wirklich regiert haben, gelten sie zunächst einmal als einigermaßen glaubwürdig. Oder wenigstens als Traumstifter.

Die bürgerliche Forza Italia ist auf ihre absolute Kernklientel geschrumpft. 2,7 Millionen Wähler verlor die Partei im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren. Kein Umfrageinstitut hatte das kommen sehen. Fast die Hälfte von Berlusconis Wählern wechselte zu Matteo Salvini, dem Chef der rechtspopulistischen Lega, seinem unliebsamen Bündnispartner. Salvini hatte im Wahlkampf Berlusconis Idee einer Flat Tax kopiert. Sein Steuersatz sollte aber acht Prozentpunkte tiefer liegen als Berlusconis 23 Prozent. Salvini versprach auch, er werde die Rentenreform der Sozialdemokraten kippen, obschon das den Staat 20 Milliarden Euro im Jahr kosten würde. Berlusconi verhieß deshalb nur Anpassungen. Salvini gelobte, unter seiner Verantwortung würden schnell "alle 600 000 illegale Migranten" des Landes verwiesen. Das tat Berlusconi auch. Dem harten Rechten glaubt man da aber schon eher.

Für Verwunderung sorgte nun, dass der erste Parlamentarier mit schwarzer Hautfarbe in der Geschichte Italiens ausgerechnet von der fremdenfeindlichen Lega kommt: Toni Iwobi, 62, wurde in Nigeria geboren und lebt seit 40 Jahren in Norditalien. Er wird Senator. In der Partei ist Iwobi für Immigrationsfragen zuständig. Die Medien reißen sich um ihn. Salvini sei "kein Rassist", sagt Iwobi in alle Mikrofone. Und ja: Die illegalen Einwanderer gehörten ausgewiesen. Es ist alles etwas absurd.

Das findet auch der italienische Starfußballer Mario Balotelli, Sohn von Eltern aus Ghana und oft Opfer rassistischer Beschimpfungen. Auf Instagram postete Balotelli ein Foto von Iwobi mit Salvini, auf dem beide ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Stop Invasione" tragen, und schrieb dazu: "Vielleicht bin ich blind, oder vielleicht hat man ihm noch nicht mitgeteilt, dass er schwarz ist. Schande!" Iwobi ließ ausrichten, Balotelli möge sich auf das Fußballspielen konzentrieren.

Der Ex-Premier sollte die Populisten klein halten, das hofften auch Brüssel und Berlin

Es sind dies eben konfuse Zeiten in Italien. Berlusconi hätte eigentlich wie ein Dammwerk gegen die Populisten funktionieren sollen. Das hofften sie auch in Brüssel und Berlin. Stattdessen ist er nun nicht einmal mehr Herr im eigenen Haus: Italiens moderne Rechte war sein Werk. 1994 holte Berlusconi dafür die Faschisten aus der Isolation, räumte der Lega Nord, wie sie damals hieß, ein privilegiertes Plätzchen frei. Die Partner passten ideologisch nie gut zu Forza Italia. Doch zusammen waren sie stark. Und Berlusconi war der Chef, die klare Nummer eins. Nun hat ihn Salvini überholt. 4,3 Millionen zusätzliche Stimmen gewann die Lega mit ihrem neuen, rabiat nationalistischen Kurs. Salvini steht jetzt bei 18 Prozent und stellt den Anspruch, Premier zu werden.

Berlusconi, 81, ist nur noch die Nummer zwei. "Game over"? Seinen Gästen in Arcore sagte er, das sei noch nicht das Ende der Geschichte. Der Tag der Revanche sei nicht weit.

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