Angriffe auf Afrikaner:Die Frivolität des italienischen Wahlkampfs ist weg

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Die Schüsse von Macerata rücken die Immigrationspolitik ins Zentrum des Wahlkampfs. Die fremdenfeindliche Lega schürt Ressentiments. Es ist Zeit, dass Berlusconi sich von dem Bündnispartner distanziert.

Kommentar von Oliver Meiler, Rom

Die Italiener schauen nach Macerata, was sie sonst nie tun. Warum sollten sie auch? Macerata ist eine dieser kleinen Städte in der Mitte des Landes, links und studentisch, die selten zu reden geben und dann meistens positiv. Nun aber, nach den Schüssen eines Rechtsextremisten auf afrikanische Einwanderer mitten in dieser Provinzidylle, fragen sich die Italiener, ob der Vorfall womöglich für mehr steht als für die Einzeltat eines vielleicht psychisch kranken, sicher aber rassistischen jungen Mannes. Schafft es das Land, die Last der Immigration zu tragen?

Diese Frage prägt plötzlich die Kampagne vor der Parlamentswahl am 4. März. Bis vor einigen Tagen hatte man noch geglaubt, der Wahlkampf werde sich in einem heiteren Wettbewerb um die groteskesten Steuerversprechen erschöpfen. Alle Parteien machten mit, und die Zeitungen rechneten genüsslich vor, wie unrealistisch die Programme sind. Jetzt rückt die Immigrationspolitik ins Zentrum, die Mühen der Integration, die wachsende Fremdenfeindlichkeit. Und die ganze Frivolität ist weg.

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Das Problem, schreibt die Zeitung La Repubblica , ist das gehässige Klima im Land. Es war schon vorher da, vor Macerata, vor dem "rassistischen Terrorakt". Bewirtschaftet wird die trübe Stimmung von den Rechtspopulisten, den "Impresarios der Angst". Gemeint ist vor allem Matteo Salvini von der fremdenfeindlichen Lega. Auch der junge Mann mit der Glatze aus Macerata war eine Weile lang Mitglied der Lega, er war sogar Kandidat bei einer Lokalwahl.

Früher, als die Partei noch von Umberto Bossi angeführt wurde, hieß sie mal Lega Nord, weil sie sich nur für Norditalien interessierte, für Padanien. So nannte Bossi sein Fantasieland entlang des Flusses Po. Er hätte es gerne losgelöst vom Rest Italiens. Es war alles etwas absurd, geboren in der wilden Mythologie des Parteigründers. Unter Bossi aber war die Lega Nord rigoros antifaschistisch. Salvini polte sie radikal um, man muss gar von einer Totalmutation reden.

Die Lega marschiert stramm nach rechts außen

Aus der einst originellen, regionalistischen Lega machte er ein Pendant zum rechtsnationalistischen französischen Front National der Le Pens, fast einen Klon: anti-europäisch, souveränistisch, identitär. Ganz rechts außen. Den Zusatz "Nord" opferte er in der Hoffnung, auch südlich von Padanien Stimmen zu gewinnen.

Unablässig hetzt er weiter, und dabei hat er leichtes Spiel: Viele Italiener finden, Europa habe sie alleingelassen mit dem Flüchtlingsstrom über das zentrale Mittelmeer. Und da die Wirtschaft noch immer nicht stark genug wächst, bleiben die Verlustängste groß, mögen sie auch unberechtigt sein. Unlängst sagte Salvini, er würde eine halbe Million Immigranten aus dem Land werfen, sollte er an die Macht kommen. Sofort! Italien den Italienern! Man hört Marine Le Pen reden.

Matteo Salvini jedoch könnte tatsächlich an die Macht kommen, zusammen mit seinen Partnern Silvio Berlusconi und Giorgia Meloni. Das rechte Wahlbündnis liegt vorne, eine knappe Mehrheit im Parlament scheint möglich zu sein. Von Berlusconi weiß man, dass er Salvini nicht leiden kann, weder persönlich noch politisch. Die Allianz ist allein dem Stimmenkalkül geschuldet.

Es wäre Zeit, dass Berlusconi sich vom Angstmacher distanziert. Möglichst laut, möglichst vor den Wahlen noch. Wahrscheinlich ist das allerdings nicht.

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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