Italien: Rubygate-Prozess gegen Berlusconi:Bunga-Bunga vor Gericht

Ab Mittwoch muss Italiens Premier sich wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten vor Gericht verantworten. Ob Berlusconi je auftritt, ist unklar - fest steht, dass er immer noch versucht, den Prozess um jeden Preis zu verhindern.

Andrea Bachstein, Rom

Es ist der Prozess des Jahres, noch ehe er anfängt - das nicht nur in Italien herbeigefieberte Rubygate-Verfahren gegen Ministerpräsident Silvio Berlusconi. An diesem Mittwoch beginnt es in Mailand - ohne ihn, aber sicher mit gewaltigem Medienansturm. Die Konstellation ist wohl einmalig: Der Regierungschef ist angeklagt wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten und Amtsmissbrauchs. Bis zu drei beziehungsweise zwölf Jahre Haft stehen darauf. Zu den Zeugen zählen Filmstar George Clooney und Fußballgröße Cristiano Ronaldo.

Italien: Rubygate-Prozess gegen Berlusconi: Italiens Premier Silvio Berlusconi ist wegen Amtsmissbrauch und Sex mit einer minderjährigen Prostituierten angeklagt. Am Mittwoch beginnt der Prozess in Mailand.

Italiens Premier Silvio Berlusconi ist wegen Amtsmissbrauch und Sex mit einer minderjährigen Prostituierten angeklagt. Am Mittwoch beginnt der Prozess in Mailand.

(Foto: AFP)

Berlusconis politisches Überleben könnte sich im Mailänder Justizpalast entscheiden, weswegen der Prozess schon im Vorfeld zur Schlacht zwischen Politik und Justiz geworden ist. Doch unrettbar beschädigt ist Berlusconis Ruf durch das obszöne Szenario seines Privatlebens, Tausende Seiten Ermittlungsakten beschreiben einen Reigen frivoler Feste in seinem Anwesen in Arcore, für die 30 bis 40 junge Frauen zu "Bunga-Bunga" bereitstanden. In den Augen der Ermittler ein Prostitutionsring, dessen drei mutmaßliche Organisatoren auch vor Gericht müssen.

"Papi Girls", heißen die beteiligten Frauen in den Medien, weil der 74-jährige Premier sich von hübschen Mädchen gerne Papi nennen lässt. 1,5 Millionen sollen geflossen sein, damit "Papi Girls" der erotischen Unterhaltung des milliardenschweren Premiers dienten. Wie weit die ging, ist strittig. Vor allem im entscheidenden Fall der Marokkanerin Karima El Mahroug, bekannt als Ruby Rubacuore. Dass die inzwischen zur Trash-Berühmtheit avancierte Heimausreißerin 2010 mindestens 14 Mal in Arcore war, scheint unwiderlegbar zu sein.

Die Frage ist, ob Berlusconi wusste, dass sie noch minderjährig war und ob er mit ihr Sex hatte. Er bestreitet dies ebenso wie sie. Aus aufgezeichneten Telefonaten Rubys geht aber anderes hervor, auch großzügige Zuwendungen legen nahe, dass sie nicht nur getanzt hat. Darauf gründet der eine Anklagepunkt. Der zweite ist, dass Berlusconi vorigen Mai erwirkt hat, dass die wegen Diebstahls festgenommene Ruby gegen richterliche Anordnung freigelassen wurde. Der Premier sagte der Polizei, sie sei eine Nichte des damaligen ägyptischen Präsidenten Mubarak.

Wenn am Mittwochmorgen vor der vierten Kammer des Strafgerichts in Mailand die Vorsitzende Richterin Giulia Turri flankiert von ihren Kolleginnen Carmen D'Elia und Orsolina De Cristofaro das Verfahren eröffnet, soll es aber zunächst um trockene Materie gehen. Technische Fragen wie Terminplanung stehen auf dem Plan. 78 Zeugen hat die Verteidigung aufgeführt, 136 die Anklage. Ruby ist von beiden Seiten genannt. Sie wird am ersten Verhandlungstag so wenig erscheinen wie ihr Gönner Berlusconi oder andere Prominenz.

Juristische und politische Winkelzüge

Ob Berlusconi je auftritt, und der Prozess mit einem Urteil von Bestand endet, ist nicht klar. Er und seine Anwälte haben mit sämtlichen politischen und juristischen Winkelzügen den Prozess zu verhindern versucht und tun es weiter. Sie bestreiten nicht nur die Vorwürfe, sondern auch die Zuständigkeit des Gerichts. Mediale Attacken gegen die Mailänder Justiz, Gesetzesvorhaben, die das Handeln von Richtern und Staatsanwälten einschränken, gehörten zum Repertoire.

Berlusconis eigene oder ihm nahe Presse versuchte auch, Staatsanwälte zu desavouieren. Kurz nachdem Berlusconi mitgeteilt hatte, Ruby sei tatsächlich älter als bis dahin bekannt, kam heraus, dass jemand eine Standesbeamtin in Marokko bestechen wollte: Sie sollte Rubys Geburtsdatum zurückdatieren.

Intensiv beraten

Einen weiteren Weg geht Berlusconi über das Abgeordnetenhaus. Es haben sich bereits Parlamentsgremien damit befasst, ob für den Amtsmissbrauch ein sogenanntes Ministergericht zuständig ist statt der Mailänder Richterinnen. An diesem Dienstag soll nun das Plenum darüber abstimmen. Sieht es den Kompetenzkonflikt, was zu erwarten ist, wird das Verfassungsgericht über die Zuständigkeit entscheiden. Das stoppt zwar den Prozess in Mailand nicht, aber er könnte im Nachhinein nichtig werden.

Unbedingt will das Regierungslager diese Woche auch ein Gesetz durchfechten, dass Prozesse und Verjährungsfristen abkürzt. Das würde Berlusconi vom Mills-Prozess befreien, in dem er der Bestechung angeklagt ist. Es könnte ihm auch beim Steuerbetrugsverfahren Mediatrade nützen, für das am Montag der Prozess beantragt wurde. Im Fall Ruby gibt sich die Staatsanwaltschaft ihrer Beweise sehr gewiss. Sie hat Unmengen Abhörprotokolle und wohl auch Nachweise über Zahlungen.

Auf alle Zeugen wird sie sich nicht verlassen können. Was Ruby und andere "Papi Girls" am Telefon über die Bunga-Bunga-Welt ausplauderten, haben sie später bestritten. Es heißt, Berlusconis Anwälte hätten sie intensiv beraten.

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