Italien:Renzi und die Toten

Der Premier lässt ertrunkene Flüchtlinge bergen, um die EU unter Druck zu setzen. Das ist nicht schön, aber verständlich.

Von Stefan Ulrich

Es sind gewiss nicht nur Pietätsgefühle, die Matteo Renzi dazu bringen, jetzt die Leichen Hunderter Flüchtlinge aus den Tiefen des Mittelmeers emporholen zu lassen. Der italienische Premierminister will mit den Toten außenpolitischen Druck aufbauen. Seht her, signalisiert er den Europäern, das sind die Opfer euerer verfehlten und egoistischen Flüchtlingspolitik. Zugleich gibt Renzi zu verstehen: Wir Italiener kümmern uns um die Lebenden und die Toten, egal, ob ihr anderen Europäer uns dabei helft oder nicht.

Renzis Frust über seine EU-Partner ist verständlich. Statt die Lasten, die das Flüchtlingselend für Italien mit sich bringt, verbindlich und fair auf alle EU-Staaten zu verteilen, begnügen sich die Europäer mit unverbindlichen Absichtserklärungen. Damit bereiten sie der Mitte-links-Regierung in Rom innenpolitisch ein großes Problem. Rechtspopulistische Parteien wie die ausländerfeindliche Lega Nord nutzen die Flüchtlingskrise, um die Regierung unter Druck zu setzen und Stimmen zu fangen.

Genau diese Parteien agitieren zugleich gegen die EU samt dem Euro. Die Regierung Renzi dagegen hat schon mehrmals bewiesen, dass sie in der Europapolitik ein verlässlicher und reformbereiter Partner ist. Die Europäische Union sollte also versuchen, Renzi zu stärken und ihm im eigenen Interesse in der Flüchtlingsfrage helfen.

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