Italien nach der Wahl:EU-Kommission drängt Italien zum Sparen

"Wir haben volles Vertrauen in die italienische Demokratie": Nach dem Patt bei der italienischen Parlamentswahl setzt die EU-Kommission auf eine Mehrheitsregierung in Italien und fordert die neue Regierung auf, Reformzusagen einzuhalten. Berlusconi zeigt sich offen für eine Zusammenarbeit mit dem Mitte-links-Lager.

Nach dem Patt bei der italienischen Parlamentswahl hofft die EU-Kommission auf die Bildung einer Mehrheitsregierung. "Wir unterstützen weiter Italien und die Italiener", sagte ein Sprecher der Behörde am Dienstag in Brüssel. "Das Ziel der italienischen Volkswirtschaft bleibt die Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen."

Der Sprecher der Kommission erinnerte daran, dass Italien ein Gründungsmitglied der EU sei. "Wir haben volles Vertrauen in die italienische Demokratie."

Berlusconi: "Italien darf nicht unregiert bleiben"

Der frühere Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat sich zumindest offen für eine Zusammenarbeit mit dem gegnerischen Mitte-links-Lager gezeigt. "Italien darf nicht unregiert bleiben, wir müssen nachdenken", sagte Berlusconi am Dienstag in einem Fernsehinterview.

Eine Koalition mit dem Zentrumsbündnis des scheidenden Ministerpräsidenten Mario Monti schloss der Milliardär vehement aus. Das schlechte Abschneiden von Monti zeige, dass ein Großteil der Bevölkerung mit dem Sparkurs nicht einverstanden sei, argumentierte der rechtskonservative Politiker.

Über einen möglichen Deal mit dem Mitte-links-Bündnis von Pier Luigi Bersani müsse man aber nachdenken. Alle Seiten müssten nun Opfer bringen. Gleichzeitig betonte Berlusconi aber auch, dass es "keine Diskussionen" über die Wahlversprechen seiner Partei geben werde. Das meldete die italienische Tageszeitung Il Giornale.

Kommission drängt auf Durchführung von Reformen

Die EU-Kommission äußerte die Erwartung, dass auch eine neue italienische Regierung die Spar- und Reformzusagen des Landes einhält. "Italien ist gegenüber der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten Verpflichtungen eingegangen", hieß es. Dazu gehören: die Reduzierung des Staatsdefizits und des Schuldenstandes sowie die Durchführung von Reformen zur Verbesserung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, um Arbeitsplätze zu schaffen.

"Das wäre ein starkes Signal der italienischen Regierung, um das Vertrauen aller in die italienische Wirtschaft zu sichern", sagte der Sprecher. Es sei aber richtig, "dass seit mehreren Monaten viele sehr schwierige Reformen von der italienischen Bevölkerung gefordert werden". Die Kommission habe die "Botschaft der Beunruhigung" der italienischen Wähler empfangen.

Bei der Parlamentswahl hatte das Mitte-links-Bündnis von Bersani zwar eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus erreicht, aber nicht im Senat. Damit stehen die Parteien vor schwierigen Verhandlungen über eine Regierungsbildung, an deren Ende auch Neuwahlen stehen könnten.

Rom blickt nun auf Staatspräsident Giorgio Napolitano, der die nächsten Schritte einleiten muss. Berlusconi sagte am Morgen in einem TV-Interview zu den jetzt denkbaren Szenarien, er halte Neuwahlen in dieser Situation nicht für sinnvoll. "Jetzt denken alle darüber nach, was man tun kann", sagte er zu dem Patt im Senat. Das werde einige Zeit brauchen.

Spekulationen über Übergangsregierung

Spekuliert worden war über die Möglichkeit einer breiten Übergangsregierung, die einige Reformaufträge erhält, bevor dann neu gewählt wird.

Die Wahl zum Abgeordnetenhaus gewann Bersanis Mitte-links-Bündnis mit 29,54 Prozent der Stimmen, wie das Innenministerium in Rom nach Auszählung aller Stimmen am Morgen mitteilte. Damit liegt er denkbar knapp mit nur 124.000 Stimmen vor Berlusconis Bündnis, das 29,18 Prozent erhielt.

Das Mitte-links-Bündnis bekommt als stärkste Kraft im Abgeordnetenhaus durch einen Bonus die Mehrheit von 340 der insgesamt 630 Sitze. Berlusconis Lager stellt 124 Abgeordnete. Stärkste Einzelpartei im Abgeordnetenhaus ist nach einem spektakulären Mobilisierungserfolg mit 25,6 Prozent jedoch die Anti-Establishment-Bewegung des Komikers Beppe Grillo. Sie entsendet 108 Parlamentarier. Montis Bündnis der Mitte erreichte in dieser Kammer lediglich gut zehn Prozent und verfügt über 45 Mandate.

Bereits am Montagabend hatte Bersanis Demokratische Partei (PD) das von ihr geführte Bündnis zum Sieger der Parlamentswahlen erklärt. Teile des Bündnisses haben sich inzwischen italienischen Medien zufolge für Neuwahlen ausgesprochen.

Für die drittgrößte Volkswirtschaft in der Euro-Zone und die gesamte Währungsgemeinschaft ging es bei den vorgezogenen zweitägigen Parlamentswahlen um viel. Entscheidend ist, ob das hoch verschuldete und in einer tiefen Rezession steckende Land rasch eine stabile Regierung bekommt.

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