Italien:Misslich für Merkel

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Erst wenn die Europäische Union ihm entgegenkommt, will Roms Regierungschef Matteo Renzi seinen Anteil an drei Milliarden Euro für die Türkei überweisen. Auf dieses Land aber ist die Kanzlerin angewiesen, um die Asylkrise zu entschärfen.

Von Nico Fried

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi macht die finanzielle Unterstützung für die Beilegung der Flüchtlingskrise weiter von einer Lockerung der Vorgaben für seine nationale Haushaltspolitik abhängig. Konkret geht es darum, dass Italien seinen Anteil an den geplanten drei Milliarden Euro der Europäischen Union, mit denen die Türkei bei der Bekämpfung von Schleusern und der Verbesserung der Lebensbedingungen von Flüchtlingen unterstützt werden soll, erst leisten will, wenn die EU-Kommission der Regierung in Rom mehr Flexibilität einräumt.

Nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte Renzi in Berlin, die Diskussion um die drei Milliarden Euro sei "kein Problem" für Italien. Seine Regierung habe lediglich "einige Fragen an die EU-Kommission gerichtet". Es bestehe "kein Zweifel, dass wir unseren Beitrag leisten werden, wenn diese Fragen beantwortet sind".

Die EU-Kommission hatte Anfang 2015 neue Regeln für den Stabilitäts- und Wachstumspakt beschlossen, gegen die Renzi nun seit Wochen opponiert. Das Verhältnis zwischen dem Ministerpräsidenten und Kommissionschef Jean-Claude Juncker ist belastet. Juncker hatte jüngst gesagt, er verstehe die fortwährenden Angriffe nicht. "Ich habe die Hände zu Fäusten geballt, aber ich lasse sie in der Tasche", so der Kommissionschef.

"Unterschiedliche Meinungen" zwischen Berlin und Rom

Für Merkel ist die Haltung Renzis misslich, da die Zusammenarbeit mit der Türkei ein wichtiger Punkt der deutschen Bemühungen ist, die Zahl der Flüchtlinge spürbar zu reduzieren. Die Kanzlerin sprach nach dem Treffen mit Renzi davon, dass Fortschritte beim EU-Türkei-Aktionsplan "dringend nötig" seien. Sie räumte ein, dass es über die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auch zwischen Berlin und Rom "unterschiedliche Meinungen" gebe. "Aber die Interpretation nimmt glücklicherweise die Kommission vor, da mische ich mich nicht ein", sagte Merkel.

Renzi bekräftigte in Berlin auch seine Forderung nach einem Ende des Dublin-Abkommens, das Italien als Erstaufnahmeland vieler Flüchtlinge erhebliche Lasten auferlegt hatte, und einem neuen europäischen Flüchtlingsrecht. Italien stehe seit Jahren wegen der Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, an "vorderster Front" und habe schon "Leichen geborgen und Kinder gerettet", als das Thema die Öffentlichkeit im restlichen Europa noch nicht so beschäftigt habe wie heute. Nachdem italienische Behörden früher Flüchtlinge häufig umstandslos zur Weiterreise nach Deutschland animiert hatten, versicherte Renzi nun, jeder Flüchtling werde nicht nur registriert, sondern auch erkennungsdienstlich behandelt.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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