Italien:Krise in Rom beunruhigt Europa

"Das ist bitter für Italien": Viele Politiker bedauern, dass Premier Renzi daran gescheitert ist, das hochverschuldete Land zu reformieren. Staatspräsident Mattarella will Regierungschef vorerst nicht gehen lassen.

Von Andrea Bachstein und Alexander Mühlauer

Italiens Premier Matteo Renzi verschiebt seinen Rücktritt um einige Tage - "aus Verantwortungsbewusstsein", wie er am Montag in Rom sagte. Renzi kommt damit einem Wunsch von Staatspräsident Sergio Mattarella nach, der ihn nach dem verlorenen Verfassungsreferendum bat, die Geschäfte bis zur Verabschiedung des Haushalts für 2017 weiterzuführen. In der Zwischenzeit will Mattarella erste Sondierungsgespräche aufnehmen, um die anstehende Regierungskrise zu lösen. Die Institutionen des Staates müssten weiter ihre Aufgaben erfüllen, betonte Mattarella. Er muss nun entscheiden, wie es in Italien politisch weitergehen soll. Der Sozialdemokrat Renzi hatte noch in der Nacht zu Montag seinen Rückzug bekanntgegeben. Mit 59 Prozent Nein-Stimmen hatten die Bürger der Verfassungsänderung eine klare Absage erteilt, viele drückten mit der Abstimmung ihre Unzufriedenheit mit dem seit Februar 2o14 regierenden Renzi aus. Der übernahm die Verantwortung für die Niederlage. Seine Regierung ende nun; "wir haben es versucht und haben es nicht geschafft", sagte er sichtlich bewegt. Viele europäische Politiker reagierten mit Bedauern auf Renzis Rückzug, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Vizekanzler Sigmar Gabriel sagte: "Das ist bitter für Matteo Renzi und bitter für Italien." Am Montag versuchten die Euro-Finanzminister in Brüssel, Sorgen entgegenzutreten, dass die Regierungskrise in Italien zu einer neuen Währungskrise in Europa führen könnte; immerhin hat das Land 2,2 Billionen Euro Staatsschulden. Nach Ansicht von Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem ändert das Nein der Italiener "weder die wirtschaftliche Situation noch die Lage in den Banken". Die drittgrößte Volkswirtschaft der EU ist extrem angeschlagen, die Arbeitslosigkeit hoch. Die Banken sitzen auf faulen Krediten in Höhe von 360 Milliarden Euro und brauchen dringend neues Geld; Investoren dürften aber wegen der politisch unsicheren Lage im Land zurückhaltend sein. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte: "Ich glaube, es gibt keinen Grund, von einer Euro-Krise zu reden." Die Reaktionen der Märkte seien entspannt. Der Ausgang der Volksabstimmung solle "mit einer gewissen Gelassenheit" zur Kenntnis genommen werden. Italien brauche dringend eine handlungsfähige Regierung; Renzis Weg müsse fortgesetzt werden.

Italien hat über Verfassungsreform abgestimmt

"Ich habe verloren, ich übernehme die volle Verantwortung": Italiens Premier Renzi nach seiner Niederlage, im Hintergrund seine Frau Agnese Landini.

(Foto: Gregor Fischer/dpa)

Italiens Präsident könnte nach Renzis Rücktritt auch Neuwahlen ansetzen. Allerdings gibt es noch kein gültiges Wahlgesetz für den Senat. Dessen Reform war ein Kernpunkt des Referendums. Mattarella könnte nun auch einen anderen Politiker mit der Regierungsbildung beauftragen, der die dann für ein Wahlgesetz sorgen müsste.

Gehandelt wird für dieses Szenario Finanzminister Pier Carlo Padoan. Möglich wäre auch eine "technische Regierung" aus Experten, auch da käme der parteilose Wirtschaftswissenschaftler Padoan infrage. Mattarella könnte sich schließlich für eine "Regierung des Präsidenten" entscheiden und zum Beispiel Senatspräsident Pietro Grasso zum Regierungschef machen.

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