Italien:Hitler als Dreingabe

Die rechtskonservative Berlusconi-Zeitung "Il Giornale" löst mit einem Buchgeschenk Empörung aus: Wer ein Werk über das Dritte Reich kaufte, erhielt Hitlers "Mein Kampf" gratis dazu. Chefredakteur Sallusti verteidigt die Aktion.

Von Oliver Meiler

Selten hat eine Zeitungsbeilage mehr Lärm verursacht als die samstägliche, in Zellophan gepackte Geschenkzugabe des rechtskonservativen Mailänder Blattes Il Giornale - und so hatten sie sich das in der Marketingabteilung wohl auch gewünscht. Zur Tagesausgabe verkaufte die Zeitung, die im Besitz der Familie Berlusconi steht, das erste Buch einer Serie über "Aufstieg und Fall des Dritten Reichs" des amerikanischen Journalisten William L. Shirer für 11,90 Euro. Und wer das kaufte, erhielt gratis dazu Hitlers "Mein Kampf" in dessen italienischer Ausgabe von 1938, ergänzt um eine Einleitung des Historikers Francesco Perfetti. Als Geschenk.

Der Präsident der Vereinigung jüdischer Gemeinden Italiens, Renzo Gattegna, sprach von einer "erschreckenden Sache", die sich Il Giornale da leiste. Die Edition sei Lichtjahre vom Standard entfernt, mit der man die Schoah heute studiere. Premier Matteo Renzi twitterte: "Es quält mich, dass eine italienische Tageszeitung 'Mein Kampf' verschenkt. Eine herzliche Umarmung an die jüdische Gemeinde." Dazu den Hashtag #maipiù - nie wieder. Aus Renzis Partito Democratico hieß es, die Aktion sei nicht zufällig so terminiert worden, dass sie in die Kampagne vor der zweiten Runde der Gemeindewahlen in Mailand platze: Die bürgerliche Rechte versuche, die Wähler am äußersten rechten Rand für ihren Kandidaten zu mobilisieren. Nun, diese These mutet etwas gewagt an.

Wahrscheinlicher ist, dass sich der Zeitungsverlag von den guten Verkaufszahlen inspirieren ließ, die Hitlers Hetzschrift überall da erzielt, wo sie seit der Verwirkung der Urheberrechte aufgelegt wird, um damit die Auflage des Blattes zu fördern. Früher, als Indro Montanelli, der Grandseigneur des italienischen Journalismus, die Zeitung leitete, war Il Giornale ein respektables Blatt. Nun ist es schreierisch derb und macht oft billig Stimmung gegen Migranten.

Der Chefredakteur Alessandro Sallusti sagte, sein Blatt mache nichts anderes als das Institut für Zeitgeschichte in München: "Man muss das Böse studieren, damit es nie wieder passieren kann." Italienische Historiker aber werfen Sallusti vor, im Gegensatz zur umfassend wissenschaftlich kommentierten Gesamtausgabe aus München sei die Beilage des Giornale eine kommerzielle Operation ohne pädagogischen Wert.

Manche italienische Zeitungshändler weigerten sich, das Buch überhaupt auszulegen. "In diesem Geschäft gibt es 'Mein Kampf' nicht als Geschenk", druckte etwa ein Kioskbesitzer in Neapel auf Blätter und hängte sie an sein Häuschen. "Ich habe versucht, die Lieferung zu stoppen", erzählt ein Zeitungshändler im Zentrum Roms, "doch die lieferten die Bücher trotzdem aus." Er habe sie dann unter dem Ladentisch versteckt: "Etliche Kunden fragten danach. Ich habe aber kein einziges Exemplar herausgegeben, natürlich nicht!"

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